Große Ansiedlungen geplant - Brandenburger Wirtschaftsminister sieht reindustrialisierte Landschaften

Die Nachfrage nach Industrieflächen in Brandenburg steigt. Landeswirtschaftsminister Steinbach spricht gar von einer Reindustrialisierung Ostdeutschlands. Wirtschaftsexperten halten das für übertrieben - und sind weniger euphorisch. Von Oliver Soos
Der Osten Deutschlands boomt als Wirtschaftsstandort, denn hier siedeln sich große Namen an. Im vergangenen Jahr eröffnete Bosch in Dresden ein Halbleiterwerk. Im März folgte der Start der Tesla-Elektroautofabrik im brandenburgischen Grünheide. Im Sommer oder im Herbst will Rock Tech in Guben mit dem Bau von Europas erster Fabrik für Lithiumhydroxid (LiOH) beginnen. LiOH ist ein wichtiger Bestandteil von E-Auto-Akkus. Im kommenden Jahr ist dann geplanter Baustart der Intel-Chipfabrik in Magdeburg.
Der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht goldene Zeiten auf Ostdeutschland und Brandenburg zukommen: "Was hier stattfindet, ist tatsächlich eine intensive Reindustrialisierung. Ich glaube, was die Wirtschaftskraft angeht, da wird sich die Bundesligatabelle deutlich verändern und Ostdeutschland wird nach oben klettern", sagt Steinbach.
"Intensive Reindustrialisierung" Brandenburgs
In Brandenburg sollen Tesla und Rock Tech längst nicht die letzten Ansiedlungserfolge bleiben. Steinbach erzählt, dass er zur Zeit mehr Investoren an der Angel hat, als vor der Corona-Pandemie. Doch er könne da nicht ins Detail gehen, denn bei Tesla habe gerade die Geheimhaltungstaktik zum Erfolg geführt. Steinbach verrät nur so viel: "Brandenburg kann im Moment etwa 1.000 Hektar an Industrieansiedlungen zur Verfügung stellen. Die meisten Anfragen bewegen sich in der Größenordnung von 60 Hektar, so dass wir etwa 15 weitere Projekte kurzfristig realisieren können." Der Minister ist guter Hoffnung, dass er in den nächsten zwei Jahren immer mal wieder "gute Nachrichten" verkünden kann.
Der wichtigste Standortvorteil Brandenburgs sei der überproportional hohe Ausbau an erneuerbaren Energien, vor allem bei der Windkraft. "Die Unternehmen, die sich im Augenblick ansiedeln, verlangen eine grüne Energieversorgung, und da haben wir einfach bessere Möglichkeiten, als es in einigen alten Bundesländern der Fall ist", so Steinbach.
Experten bremsen die Erwartungen
Es klingt nach rosigen Zeiten, doch manche ostdeutsche Experten sind skeptisch. Der Vize-Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Oliver Holtemöller, findet den Begriff "Reindustrialisierung" übertrieben. "Es sind tolle Einzelfallerfolge und gute Nachrichten für die entsprechenden Regionen. Doch wir haben weder in Deutschland noch in Ostdeutschland eine Reindustrialisierung. Die Masse der neuen Arbeitsplätze entsteht in den Dienstleistungsbereichen. Das ist der Trend und der wird sich nicht umkehren", sagt Holtemöller.
Ähnlich ist auch die Einschätzung des Wirtschaftsforschers des Ifo-Instituts in Dresden, Joachim Ragnitz: "Es gibt einige Ansiedlungen, die für viel Aufmerksamkeit sorgen, weil sie sehr groß sind und weil es sich um moderne Branchen handelt. Doch sie finden nur an ausgewählten Standorten statt. Insofern ist das kein Game-Changer für ganz Ostdeutschland." Seine Erwartung sei, dass sich der Osten weiter berappele, er sehe jedoch nicht, "dass man schnell das Niveau der strukturstärkeren West-Bundesländer erreicht", sagt Ragnitz.
Fachkräfte fehlen
Beide Experten sehen vor allem das Problem des Fachkräftemangels, dass die Entwicklung in Ostdeutschland bremsen könne. "Die Bevölkerung altert und schrumpft. Das wird in den nächsten Jahren noch viel dramatischer sichtbar werden, als es jetzt schon ist. Da müsste man gleichzeitig ein Zuwanderungskonzept haben und das sehe ich nicht", sagt Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle.
Am Rolls-Royce-Standort in Dahlewitz, am südlichen Berliner Speckgürtel, ist man deutlich optimistischer, was die Gewinnung junger gut ausgebildeter Fachkräfte angeht. "Wir merken, dass in Brandenburg, in den Bereichen Forschung und Entwicklung, auf einmal mehr Dynamik herrscht. Durch den geplanten Lausitz Science Park an der BTU Cottbus-Senftenberg zum Beispiel bekommen wir hier einen Cluster-Charakter", sagt Rolls-Royce Engineering Director Jörg Au. Er hofft, dass sich auch die neu angesiedelten Firmen im Bereich Forschung und Entwicklung engagieren werden.
Steinbach will Platz fünf in Deutschland erreichen
Der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach hat ambitionierte Ziele in der "Bundesligatabelle" der Wirtschaft: "Wenn mal meine politische Arbeit beendet ist, dann würde ich mir wünschen, dass wir zu den ersten fünf in Deutschland gehören." Da gibt es allerdings noch einiges zu tun, denn im Moment steht Brandenburg auf Platz elf.
Sendung: Brandenburg Aktuell, 01.04.2022,19:30 Uhr