Glas wird teurer - Brauereien bitten um Rückgabe leerer Flaschen

Die Energiekosten sind im letzten Jahr um fast 500 Prozent gestiegen, klagt die Glasindustrie. Das hat auch Folgen für die Brauereien in der Region: Weil sie neue Flaschen immer teurer zu stehen kommen, bitten sie die Verbraucher, ihr Leergut zurückzubringen. Von Sebastian Schneider
Wenn es warm wird, beginnt das Dilemma jedes Jahr von Neuem: Die Biertrinker horten zuhause ihre Flaschen, vielleicht aus Bequemlichkeit, vielleicht aus Vergesslichkeit, und so kommt es, dass bei den Brauereien etwas ins Stocken gerät. Im Sommer wird traditionell das meiste Bier getrunken und ebenso traditionell mehr gekauft als zurückgegeben, bestätigt Stefan Fritsche, Geschäftsführer der Klosterbrauerei Neuzelle im Kreis Oder-Spree.
Weil das Mehrwegsystem weniger Rücklauf ausspuckt, wird die Angelegenheit für die Brauereien teurer. Denn sie müssen mehr neues Glas dazukaufen. Immer zu der Zeit, in der die Grills ausgepackt werden und der Bierdurst steigt, rufen die Hersteller die Hopfenfreunde öffentlich dazu auf, ihr Leergut doch bitte wieder einzureichen. Neu ist in diesem Jahr aber: Die Flaschen sind so teuer wie noch nie - und es sind weniger auf dem Markt.
"Was gerade passiert, das sprengt wirklich alle Dimensionen. Wir sehen gerade bei Verpackungen und Energie nie gekannte Preiserhöhungen. Gerade bei Neuglas gehen die Preise durch die Decke. Das hat damit zu tun, dass sich die Herstellungskosten für Glas so dramatisch verteuert haben", sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds in Berlin, dem rbb.
Ein Teil des Neuglases wurde bisher in der Ukraine hergestellt
Der Bundesverband Glasindustrie berichtet, dass die Energiekosten für die Herstellung im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 500 Prozent gestiegen seien. Für die Glasherstellung sind Temperaturen von mehr als 1.300 Grad nötig - noch mehr als bei vielen anderen Produkten momentan schlägt hier der Faktor Strom und Gas auf den Preis. Was ebenfalls eine Rolle spielt: gestörte Lieferketten und ein Mangel an Fahrerinnen und Fahrer für die Lkw.
Ein weiterer Grund für den Anstieg sei, dass ein wesentlicher Teil des Glases in der Ukraine produziert werde, sagt Götz Ziaja, Marketingchef des Frankfurter Brauhauses in Frankfurt (Oder). Er schätzt den Anteil im Gespräch mit dem rbb auf etwa 30 Prozent. Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine fallen diese Kapazitäten gerade weg. "In Deutschland ist die Situation so, dass es in den letzten Jahren nicht wirtschaftlich war, hier neue Kapazitäten aufzubauen, weil man in Osteuropa deutlich günstiger produzieren lassen konnte", sagt Ziaja.
Eine Flasche kostet im Einkauf bis zu 16 Cent
Eine Bierflasche koste die Brauer im Einkauf heute zwischen 14 und 16 Cent, sagt Eichele. Aber sie bringt laut Gesetz nur 8 Cent Pfand und dieser Wert ist seit 20 Jahren nicht erhöht worden [blogs.faz.net]. Neuglas müssen die Brauereien selber kaufen, auch wenn das bis jetzt laut Eichele nur wenige Prozent der Flaschen ausmacht - erst nach etwa 40 Umläufen müsse eine Flasche ausgetauscht werden. Je niedriger der Anteil der Mehrwegflaschen, desto mehr Kosten haben die Anbieter.
Dazu kommt: Das Mehrwegsystem für Bierflaschen ist vergleichsweise ineffizient. Anders als beispielsweise bei Mineralwasser gibt es zig verschiedene Flaschentypen und wenige Vorgaben. Jede Brauerei kann ihre eigene Form wählen, Marken wie Veltins oder Hasseröder prägen ihre Namen auch noch ins Glas - also kann dieses von anderen Firmen nicht einfach benutzt werden. Die abgegebenen Kästen bei Brauereien wie der in Neuzelle zeigen das - mit einer bunten Pullen-Vielfalt. Der Betriebsleiter Stefan Fritsche führt den Beweis an und nimmt eine Kiste in die Hand: Von allen 20 Flaschen könne sein Betrieb nur eine einzige wieder benutzen. "Der Rest ist für uns Schrott", sagt Fritsche.
Bis zu 30 Prozent Preissteigerungen erwartet
Die Fummelei war auch vorher lästig. Aber nun geht dieser Aufwand für Sortieren und Transport stärker ins Geld. Wer keine langfristigen Verträge abgeschlossen habe, müsse nun bis zu 80 Prozent mehr pro Flasche zahlen, sagte Holger Eichele. Dazu kommt: Viele Brauereien leiden noch unter den Nachwirkungen der Corona-Lockdowns. Der Ausfall der Gastronomie hat sie angeschlagen, die Umsätze im Handel konnten das wichtigere Geschäft an den Tresen nicht ausgleichen. "Wir kommen von der einen Krise und gehen in die nächste", sagt Stefan Fritsche, der auch für den Brauereiverband Berlin-Brandenburg spricht.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ging der Bier-Absatz 2021 im Vergleich zum Rekordminus im Vorjahr nochmal um 3,4 Prozent zurück. Seit Jahren zeigt der Trend beim Verkauf alkoholhaltiger Biere nach unten, das war auch vor Corona schon so.
Die Folge: Wie die meisten anderen Konsumgüter wird auch Bier teurer, mit bis zu 30 Prozent Preissteigerungen rechnen Brauereien wie die in Neuzelle, sagt Fritsche. Christoph Flessa, der Inhaber von "Flessa Bräu", betreibt seit zehn Jahren seine kleine Brauerei in Berlin-Friedrichshain. Er habe seine Bierpreise seit 2019 nicht mehr erhöht, weil er der Gastronomie in Corona-Zeiten habe entgegenkommen wollen, sagt er. Das gehe nun nicht mehr. "Es gibt eine relativ hohe Preiserhöhung bei mir. Ich habe Angst, dass ich meine Kunden verliere, dass die nicht mehr bereit oder in der Lage sind, so viel Geld auszugeben. Wenn das Craft Beer, das handwerklich hergestellte Bier, zu teuer wird, dann werden die Leute vielleicht sagen: Ich kauf's nicht mehr", sagt Flessa.
Wirklicher Mangel an Flaschen: eher unwahrscheinlich
Dass aber den Brauern im Spätsommer leere und damit den Kunden volle Bierflaschen fehlen könnten, wie der Brauer-Bund-Geschäftsführer Eichele am Mittwoch spekulierte, erscheint gerade lediglich wie der "Worst Case". Sowohl Glashändler als auch mehrere Brauereien und Getränkehändler äußern sich weniger pessimistisch. "Aktuell gibt es keine Erkenntnisse, dass es schon eng ist, die Märkte sind voll mit Ware", sagte ein Veltins-Unternehmenssprecher der dpa. "Getränke Hoffmann" in Berlin sagt auf rbb-Nachfrage: Dass ernsthaft Flaschen fehlten und kein Bier mehr abgefüllt werden könne, sei sehr unrealistisch.
Der Brauerei-Chef Stefan Fritsche aus Neuzelle berichtet, noch laufe die Produktion in seiner Brauerei rund. Ob in den nächsten Monaten tatsächlich Glas fehlen werden, sei noch nicht absehbar. Aber erstmal wünschten sie sich in Neuzelle, Frankfurt (Oder) und Friedrichshain dasselbe wie vor jedem Sommer: möglichst viele leere Flaschen.