Knackpunkt Mindestabstand - Brandenburgs Sonderweg bei der Windenergie

Der Bund will die Stromerzeugung bis Mitte der 2030er Jahre treibhausgasneutral machen. Deshalb sollen die Länder mehr Flächen für Windkraftanlagen ausschreiben. Brandenburg will mitziehen, aber Wohnsiedlungen schützen. Von Oliver Soos
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hat die Ziele der Bundesregierung in der Bundestagsdebatte am Donnerstag erklärt: Bis Ende dieses Jahrzehnts sollen die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 65 Prozent gesenkt werden. Der Strom soll zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien produziert werden. Bis Mitte der 2030er Jahre soll der Strom dann komplett treibhausgasneutral hergestellt werden, so dass bis 2040 die Treibhausgasemissionen weiter sinken, auf 20 Prozent des heutigen Niveaus.
Habeck sprach von einer "fundamentalen Neuausrichtung des gesamten Energiesektors auf Treibhausgasneutralität" und forderte die Bundesländer auf, noch nicht ausgewiesene Flächen für erneuerbare Energien zu nutzen. Die Bundesregierung will gegen den 1.000-Meter-Mindestabstand von Windrädern zu Wohngebieten vorgehen und dafür sorgen, dass die Bundesländer keine neuen Regelungen dazu beschließen können. Bestehende Gesetze sollen davon ausgenommen sein.
"Klimaziele in Brandenburg auch mit dem Mindestabstand zu schaffen"
In Brandenburg gibt es da allerdings ein grundsätzliches Problem, denn die Kenia-Koalition hat 2019 beschlossen, am Mindestabstand festzuhalten, gesetzlich verankert ist das noch nicht. Nun hat sich der Koalitionsausschuss von SPD, CDU und Grünen Anfang der Woche dazu entschieden, das zu ändern, vor allem auf Drängen der CDU. Der Plan sieht nun vor, dass der Brandenburger Landtag in der kommenden Woche den 1.000-Meter-Mindestabstand durchwinkt, bevor das Bundeskabinett - voraussichtlich am 25. Mai - beschließt, den Ländern Mindestabstandsregelungen zu verbieten. Brandenburg will dem Bund durch Schnelligkeit zuvorkommen und dennoch an den gemeinsamen Klimazielen festhalten.
"Der Bund will verhindern, dass die Länder mit 1.000-Meter-Gesetzen die Windkraft-Ausbauziele des Bundes vereiteln können. Das mag für einige Länder auch zutreffen, aber nicht für das dünn besiedelte Brandenburg", sagt der CDU-Fraktionschef im Potsdamer Landtag, Jan Redmann. Er geht davon aus, dass Brandenburg etwa 2,2 bis 2,4 Prozent seiner Fläche für die Ausbauziele zur Verfügung stellen muss - und das gehe "ohne weiteres" auch mit dem 1.000 Meter-Abstand, so Redmann.
Windräder an Autobahnen, Bahnstrecken und in Landschaftsschutzgebieten
Die Brandenburger CDU konnte sich damit vor allem gegen die Grünen durchsetzen, doch auch deren Fraktionsvorsitzender, Benjamin Raschke, spricht von einer guten Lösung für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. So seien zum Beispiel kleine so genannte "Streu- und Splittersiedlungen" von der Abstandsregelung ausgenommen und Kommunen könnten sich dafür entscheiden, Windräder auch näher als 1.000 Meter an die Wohnhäuser heranzulassen. "Wir werden in das Gesetz einen Automatismus hineinschreiben, so dass der 1.000 Meter Abstand nicht mehr gilt, wenn die Ausbauziele des Bundes nicht erreicht werden können", sagt Raschke.
Hinzu kommt noch eine weitere Regelung, auf die sich die Fraktionen in Sondersitzungen am Mittwoch einigten und über die der Landtag ebenfalls in der kommenden Woche abstimmen wird. Demnach sollen Windräder, wenn nötig, näher an Autobahnen, Bahnstrecken und in Landschaftsschutzgebieten gebaut werden können. "Wenn man will, dass Windkraftanlagen nicht unmittelbar in der Nähe von Wohnbebauungen stehen, dann muss man auch andere Flächen zur Verfügung stellen. Und dazu gehören aus meiner Sicht die Landschaftsschutzgebiete, viel eher als echte Naturschutzgebiete oder Biosphärenreservate", sagt CDU-Fraktionschef Redmann.
Kritik von der Opposition
Kritik kommt von der Opposition im Brandenburger Landtag. Die Fraktion BVB/Freie Wähler plädiert für einen Mindestabstand von 1.500 Metern und für die Berücksichtigung von Einzelgehöften und Streusiedlungen. Die Freien Wähler bezeichnen die Ausbauziele des Landes als "überzogen".
Der Fraktionsvorsitzende der Brandenburger Linken, Sebastian Walter, sprach von einer "Hauruck-Aktion", bei der Schaden entstehen würde. "Die Menschen im Land werden das Gefühl haben, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Gerade bei der Frage, ob Windräder im Wald oder im Landschaftsschutzgebiet gebaut werden sollen, müssen die Bürger mit eingebunden werden", sagt Walter.
Er plädiert für ein System von finanziellen Anreizen für die Bevölkerung in unmittelbarer Nähe von Windkraftanlagen, um die Akzeptanz zu erhöhen. Für sie müssten außerdem die Strompreise am günstigsten sein, im Moment sei da Brandenburg vergleichsweise teuer, so Walter.
Windenergieverband hält Abstandsregel für unnötige "Symbolpolitik"
Lob kommt vom Brandenburger Landesvorsitzenden des Bundesverbands WindEnergie e.V. (BWE), Jan Hinrich Glahr. Er begrüßt vor allem, dass sich die Brandenburger Regierungskoalition ein neues Ausbauziel für die Windenergie gesetzt hat: 11,5 statt 10,5 Gigawatt bis 2030. Jedoch sei eine pauschale Abstandsregelung "unnötig und reine Symbolpolitik", so Glahr in einer Pressemitteilung.
Neben den Zielen bei der Windkraft gibt es in Brandenburg auch den Plan, eine "Solarpflicht" für gewerbliche und öffentliche Gebäude und Parkplätze einzuführen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.05.2022, 19:30 Uhr