Debatte über Re-Kommunalisierung - Vattenfall erwägt Verkauf der Berliner Fernwärme

Der Konzern Vattenfall stellt sein Wärmegeschäft in Berlin auf den Prüfstand, um sein Geschäft klimafreundlich umzubauen. Der Senat reagiert darauf offen und interessiert. Über einen möglichen Kaufpreis wird derweil bislang nur spekuliert.
Der Energiekonzern Vattenfall lässt erstmals seine Bereitschaft erkennen, sich von seinen Kraftwerken und dem Fernwärmenetz in Berlin zu trennen.
Vattenfall habe sich der Energiewende verschrieben und wolle die Nutzung fossiler Brennstoffe beenden, hieß es am Dienstag. Deshalb wurde laut dem Unternehmen "eine strategische Neubewertung" gestartet. "Im Falle eines Verkaufs würden wir nur an einen Eigentümer veräußern, der die Transformation des Unternehmens zuverlässig fortsetzt", so Konzernchefin Anna Borg. Sollte das Berliner Wärmegeschäft hingegen bei Vattenfall bleiben, werde man die Co2-Emmissionen weiter reduzieren und zu den Klimazielen des Landes Berlin beitragen, sagte Borg weiter.
SPD und Linke wollen landeseigene Fernwärme
In der rot-grün-roten Koalition wird dieser Vorstoß auf offene Ohren stoßen. Erst kürzlich hatten SPD und Linke bekräftigt, dass sie sowohl die Fernwärme als auch das Gasnetz wieder unter Kontrolle des Landes bringen wollen. Die Grünen gelten in der Koalition nicht als bedingungslose Befürworter einer Re-Kommunalisierung. Sie verweisen auf die hohen Kosten eine Rückkaufs und hatten wiederholt betont, dass der Klimaschutz im Vordergrund stehen müsse.
An das Vattenfall-Wärmenetz sind zehn große Kraftwerke angeschlossen. Als Brennstoff wird meist Erdgas genutzt, teils auch Biomasse. Die Heizkraftwerke Moabit und Reuter West verfeuern jedoch hauptsächlich Steinkohle.
Finanzsenator will Angebot "intensiv" prüfen
Beim Senat stieß die Vattenfall-Ankündigung am Mittwoch auf Interesse. Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) kündigte an, Berlin werde die Option des Netzerwerbs "intensiv" prüfen, sollte sie sich bieten. Wesener betonte gleichzeitig, dass das Land sich das Ziel gesetzt habe, Fernwärme bis 2045 CO2-frei zu erzeugen. Das bedeute, dass die Kraftwerke, die derzeit noch mit Gas und Steinkohle betrieben werden, auf andere Energieträger umgestellt werden müssen.
Auch der energiepolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Stefan Tascher, zeigte sich gegenüber dem rbb grundsätzlich aufgeschlossen. "Anders als das Gasnetz ist das Fernwärmenetz ein Zukunftsnetz, das wir für die Wärmewende in Berlin dringend brauchen". Taschner schränkte aber auch ein: "Wir werden nur rekommunalisieren, wenn auch der Preis stimmt."
Wie hoch der Kaufpreis für die Heizkraftwerke und für das Leitungsnetz sein könnte, fällt auch Experten schwer zu beziffern. Vor gut einem Jahr hatte Berlin das Stromnetz von Vattenfall für rund 2,1 Milliarden Euro erworben. In der Branche hieß es in den vergangenen Jahren immer, dass ein Rückkauf der Fernwärme deutlich teurer werden würde.
Stroedter (SPD) hält Kaufpreis für refinanzierbar
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Jörg Stroedter, wertet die Offerte von Vattenfall dennoch als “Riesenchance”. Senat und Koalition kämen ihrem Ziel eines integrierten Netzanbieters damit einen weiteren Schritt näher. "Der Kaufpreis lässt sich aus den Erträgen finanzieren", sagte Stroedter dem rbb. Das Modell habe sich bereits beim Rückkauf der Wasserbetriebe und bei der Rekommunalisierung des Stromnetzes als tragfähig erwiesen.
Das Berliner Fernwärmesystem ist eines der größten in Westeuropa. Heißes Wasser wird dabei über mehr als 1.700 Kilometer lange Rohrleitungen zum Heizen in die Haushalte transportiert. Vor einigen Jahren hatte dass Land versucht, das Netz von Vattenfall zu übernehmen. Der Versuch scheiterte vor Gericht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 04.05.2022, 13:00 Uhr
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