Bauerntag im Zeichen des Ukraine-Kriegs - Ex-Agrarministerin Künast: "Die Zeit billiger Lebensmittel ist vorbei"

Der Krieg gegen die Ukraine verteuert auch die Nahrungsmittelpreise. Über politische Instrumente dagegen berät der Deutsche Bauerntag. Ex-Ministerin Renate Künast unterstützt im rbb Pläne, die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse zu senken.
Trotz der weltweiten Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Landwirtschaft fordert die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne), an der Agrarwende festzuhalten. Auch wegen des Klimawandels sei eine Transformation im Agrarbereich erforderlich, sagte Künast am Dienstag im rbb24 Inforadio. Die Bundestagsabgeordnete äußerte sich anlässlich des am Dienstag beginnenden Deutschen Bauerntages in Lübeck.
Man müsse sich überlegen, wie man die Bauern bei dieser Veränderung unterstützen und wie man die Verbraucher entlasten könne, sagte Künast. Den Vorschlag von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte ganz zu streichen oder zumindest weiter zu senken, halte sie für richtig.
Künast fordert Entlastungen für arme Menschen
Im Gespräch sind nach Empfehlungen einer Expertenkommission ein höherer Mehrwertsteuersatz oder eine Abgabe auf tierische Produkte. Denkbar wäre ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilo Fleisch. In der Koalition knirschte es aber zuletzt. Die FDP machte klar, dass sie angesichts der Inflation Preisaufschläge für Verbraucher ablehnt. Ex-Ministerin Künast sagte dazu im rbb24 Inforadio, die Zeit billiger Lebensmittel sei vorbei: "Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir in Zukunft Planungssicherheit für Bauern schaffen und wie wir die Ärmsten der Armen entlasten."
Mit diesem Thema beschäftigt sich ab Dienstag in Lübeck auch der Deutsche Bauerntag. Vielen Betrieben auch in Brandenburg machen stark gestiegene Kosten für Energie und Dünger zu schaffen. Vor diesem Hintergrund sind auch Lebensmittel im Supermarkt teurer geworden. Angesichts ausfallender Getreideexporte der Ukraine wird in einigen Staaten außerdem mit einer knappen Versorgung gerechnet.
Özdemir rechnet mit weiteren Verteuerungen
Auf dem zweitägigen Bauerntag mit rund 450 Delegierten dürfte daher auch darüber diskutiert werden, die angespannte Lage mit höherer Produktion in Deutschland abzumildern. Der Bauernverband sprach sich dafür aus, zusätzliche Flächen zum Lebensmittelanbau zu nutzen. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat unter anderem ermöglicht, dass ausnahmsweise Gras und Pflanzen von bestimmten "ökologischen Vorrangflächen" als Futter genutzt werden dürfen. Der Grünen-Politiker wendet sich aber gegen weitergehende Rufe auch aus den Ländern, auf Brachflächen auch Getreide anzubauen.
Neben der akuten Krise stehen weitere Vorhaben an. Özdemir hat nach jahrelangen Diskussionen einen neuen Anlauf für eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch gestartet. Dazu soll auch eine gesicherte Finanzierung kommen, damit Bauern nicht alleine auf Investitionen in mehr Tierschutz im Stall sitzenbleiben.
Özdemir sagte der "Rheinischen Post" (Dienstag), viele Preissteigerungen bei Lebensmitteln kämen erst noch. "Wir müssen im Herbst und Winter mit Steigerungen rechnen, weil sich der Handel jetzt mit teurer Energie versorgen muss und die Preissteigerungen an die Kunden weitergereicht werden."
Sendung: rbb24 Inforadio, 14. Juni 2022, 8:40 Uhr
Korrektur: In einer früheren Version dieses Beitrags hatten wir Künasts wörtliches Zitat übernommen, wonach Obst und Gemüse derzeit mit 19 Prozent besteuert würden. Das ist falsch. Sie werden mit dem niedrigen Satz von 7 Prozent besteuert. Wir haben das Zitat deshalb entfernt.