Energieversorgung - Was Mieter jetzt in der Gas-Krise wissen müssen

Noch ist wenig davon zu spüren, aber höhere Gaspreise werden sich auch auf die Endverbraucher übertragen. Einige könnten etwas besser wegkommen als andere, vor allem für Mieter heißt es jetzt: Geld zur Seite legen. Von Hasan Gökkaya
Spätestens mit der Aktivierung der zweiten Stufe des Gas-Notfallplans ist klar: Gas ist eine knappe Ressource in Deutschland. Und da viele Wohnungen in Berlin und Brandenburg damit beheizt werden, ist ebenfalls klar: Endverbraucher müssen mit drastischen Preissteigerungen rechnen. Besonders wer in einer gasbeheizten Mietwohnungen lebt, sollte Geld beiseite legen.
Allein in der Hauptstadt werden rund 37 Prozent der Wohnungen mit Gas beheizt [berliner-mieterverein.de] und 43 Prozent mit Fernwärme - es geht also um Hundertausende Wohnungen. "Wir rechnen bereits heute mit einer Verdopplung der Heizkosten - wahrscheinlich wird es aber noch teurer. Auf die Mieter kommen also wirklich Probleme zu", sagt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein im Gespräch mit rbb|24.
Laut einer Beispielrechnung von rbb24 Brandenburg aktuell kommen bereits heute auf eine vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden Mehrkosten von 1.000 Euro bis 2.000 Euro zu.
Sonderkündigungsrecht? "Das bringt gar nichts"
Mit einer sofortigen Nachzahlung oder Anhebung des Abschlags muss derzeit niemand rechnen. Denn die Preise dürfen nicht ohne Weiteres im laufenden Jahr erhöht werden, die Nachzahlung wird also erst mit der Nebenkonstenabrechnung im nächsten Jahr fällig.
Die Bundesnetzagentur könnte diese standardisierte Regelung jedoch durch die Aktivierung einer sogenannten Preisanpassungsklausel ändern. Sie ermöglicht es Gasversorgern durchaus höhere Preise an ihre Kunden weiter zu reichen. Bisher sieht die Bundesnetzagentur von der Klausel ab.
Sollte sie jedoch den Schritt beschließen, könne der Preis wöchentlich angepasst werden, sagte EWE-Vorstandsvorsitzende, Stefan Dohler, bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Das Unternehmen versorgt in Brandenburg, Polen und Nordwestdeutschland rund 700.000 Kunden mit Erdgas und ist einer der wichtigsten Anbieter in der Region.
Dohler zufolge hätten Kunden dann aber ein Sonderkündigungsrecht. Nützt dies etwas, wenn Gas allgemein teurer wird? "Das bringt gar nichts. In der aktuellen Situation haben die Verbraucherinnen und Verbraucher nichts davon, den Anbieter zu wechseln", resümiert Wild vom Mieterverein.
Höhere Vorauszahlung oder doch auf die Nachzahlung warten?
Bei der Frage, ob es besser ist, sich auf eine hohe Nachzahlung einzustellen oder höhere Abschläge zu zahlen, herrscht offenbar Uneinigkeit. Die Verbraucherzentrale Berlin etwa rät davon ab, die Abschläge bei gleichbleibendem Verbrauch vorsorglich zu erhöhen. Ansonsten würde den Gasanbietern quasi ein Darlehen erteilen werden - und bei Insolvenz der Versorger drohe den Kunden, die zu viel bezahlten Abschläge nicht zurück zu bekommen. Besser sei es, die Abrechnung am Jahresende abzuwarten, heißt es auf rbb-Anfrage.
Die Verbraucherzentrale Brandenburg empfiehlt hingegen die Abschläge zu erhöhen, um am Ende eine böse Überraschung zu vermeiden. Im besten Fall gäbe es Geld zurück.
Der Berliner Mieterverein gibt sich in diesem Punkt neutral, jeder müsse diese Entscheidung selbst treffen, heißt es auf Nachfrage. "Am Ende halte ich das aber auch nicht für entscheidend. Wichtig ist jetzt, sich überhaupt auf höhrere Kosten einzustellen und sparsamer zu werden, etwa bei der Duschzeit", sagt Wild.
Klar ist, dass die Preissteigerungen von der Art der Heizung abhängen. Mieterinnen und Mieter von Wohnungen, die mit einer Gasetagenheizung ausgestattet sind, haben zwar den Vorteil, dass sie die Temperatur selbst regulieren können. Bei Problemen mit Nachzahlungen könnte die Heizung theoretisch aber auch ihnen abgestellt werden. "Wir rufen die Gasversorger deshalb dazu auf, eine Erklärung abzugeben, in dieser Situation keine Versorgungssperren durchzuführen", sagt Wild.
Mieterverein: Ungerechtigkeit zwischen Eigenheimbesitzern und Mietern
Nachzahlungen sind die eine Sorge, womöglich weniger Wärme im Wohnzimmer und in der Küche die andere. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund und die Bundesnetzagentur brachten zuletzt entsprechende Vorschläge ein, um die Drosselung russischer Gaslieferungen nach Deutschland abzufedern. Demnach soll ein Absenken der Mindesttemperatur in Mietwohnungen aushelfen. Der Berliner Mieterverein erkennt in dem Vorschlag eine große Ungerechtigkeit. "Wir sehen mit Sorge, dass bei einer Reduzierung der Gasmenge sich Kunden in kälteren Mietwohnungen befinden werden. Nutzer von Eigenwohnheimen hingegen können eine behagliche Zimmertemperatur wählen", sagt Wild.
Der Sprecher bezieht sich auf den Heizkessel, der, steht er in einem Eigenheim, größtenteils in Eigenregie betrieben wird - niemand kann vorschreiben, wie die Temperatur einzustellen ist. In Mietwohnungen hingegen könne der Vermieter die zentrale Heizanlage im Gebäude drosseln: "Diese Ungerechtigkeit ist nicht akzeptabel, vor allem nicht in Mietwohnungen, die auch noch schlecht isoliert sind. Hier muss die Bundesregierung eingreifen und die Vermieter anteilig an den Heizkosten beteiligen."
Sendung: Abendschau, 24.06.2022, 19:30 Uhr