Ernährung der Zukunft - Erbsen für den Fleischersatz könnten aus Brandenburg kommen

Di 14.06.22 | 06:04 Uhr | Von Jonas Wintermantel
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Gelbschalige Futtererbse. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 13.06.2022 | J. Wintermantel | Bild: rbb

Veganer Aufschnitt, pflanzliche Schnitzel, Wurst aus Weizen- oder Erbsenprotein: Die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten steigt stetig. Dafür braucht es Rohstoffe - und die könnten bald auch aus Brandenburg kommen. Von Jonas Wintermantel

Stefan Bernickel baut seit zwei Jahren auf einigen seiner Felder Erbsen an. Für den Landwirt aus der Uckermark ist es eine Art Experiment. Bisher hätte sich der Erbsen-Anbau für ihn finanziell kaum gelohnt, da die von ihm angebaute gelbschalige Futtererbse fast ausschließlich als Futtermittel für Tiere genutzt wurde – und preislich nicht mit Soja-Importen aus Südamerika konkurrieren konnte, wie er sagt. Die mögliche Nutzung als Nahrungsmittel für den Menschen macht die Erbse nun aber auch für heimische Landwirte interessant.

"Die Erbse ist extrem eiweißreich", sagt Bernickel. In den Händen hält er eine junge Erbsenpflanze mit weißen Blüten. In einigen ihrer grünen Hülsen sind schon die ersten jungen Erbsen-Früchte zu entdecken. "Wenn wir sie als direktes Nahrungsmittel für Verbraucher verwenden, hoffen wir, einen höheren Preis erzielen zu können", erklärt der Landwirt und verweist auf ein geplantes Werk, das genau diese Erbsen als Proteinquelle verwenden möchte. "Damit wird sie interessant für Anbau, Züchtung und Vertrieb."

Weiterverarbeitung von Erbsen: erstes Werk in Deutschland geplant

Das Werk, von dem Bernickel spricht, soll Ende 2023 im mecklenburgischen Neubrandenburg in Betrieb gehen. Als erstes seiner Art in Deutschland soll es jährlich bis zu 60.000 Tonnen Erbsen zu Protein, Stärke und Faserstoffen verarbeiten. Damit diese am Ende bei uns im Supermarkt landen – zum Beispiel in Form von veganem Aufschnitt oder pflanzlichen Schnitzeln – braucht es Rohstoffe und regionale Zulieferer. Die Erbse könnte so wieder zu einem lukrativen Teil der regionalen Fruchtfolge werden.

Die Erbse ist nicht nur ein sehr guter Eiweißlieferant. Sie birgt auch einige Vorteile im Anbau, die sie auch mit Blick auf ein verändertes Klima interessant macht. "Die Erbse hat unheimlich viele ackerbauliche Vorteile", sagt Stefan Bernickel mit einiger Begeisterung. "Ich kann sie anbauen, ohne zu pflügen. Bei mir stehen sie deshalb häufig auf kleinen Feldern, die sich sonst schlecht beackern lassen. Und sie kann sehr gut Feuchtigkeit speichern."

Einsparung von Stickstoff-Dünger

Eine weitere Besonderheit der Erbse versteckt sich in kleinen, rostroten Knollen, in den Wurzelästen. Als sogenannte Leguminose geht die Erbse in ihren Wurzelknöllchen eine Symbiose mit Bakterien ein, die den Stickstoff in der Luft für die Pflanze verwertbar macht. Die Erbse versorgt sich auf diese Weise selbst mit Stickstoff. Deshalb kann beim Erbsen-Anbau auf die Anwendung von Stickstoff-Dünger verzichtet werden. Das ist auch gut fürs Klima, denn dieser müsste unter Einsatz von Erdgas hergestellt werden.

Eine Autostunde entfernt von Bernickels Hof beschäftigt sich auch Gernot Verch intensiv mit der Erbsenpflanze. Verch arbeitet in der Dedelower Außenstelle des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Auf einem seiner vielen Versuchsfelder stehen mehrere Reihen mit Erbsenpflanzen. Rein äußerlich sind sie kaum voneinander zu unterscheiden, aber jede Reihe ist mit einem Namensschild markiert: "Astronaut" oder "Orchestra" steht darauf. "Wir haben zehn verschiedene Erbsen im Anbau-Vergleich und prüfen, wie diese Sorten geeignet sind, um in der Uckermark als Eiweiß-Lieferanten für die Fabrik in Neubrandenburg zu dienen", erklärt Verch. Die Erbsen werden untersucht auf Ertragsleistung, Standfestigkeit und Krankheiten.

Erbse als Versuchsobjekt

Im August möchte Verch die Pflanzen ernten und dann Empfehlungen abgeben, welche der Sorten sich am besten zur Herstellung von Protein für die menschliche Ernährung eignet. "Die Erbse war bislang ein Nischenprodukt, der Anbau war rückläufig, das hing auch zusammen mit dem Rückgang der Tierhaltung", sagt Verch. "Ihre Verwertung für die menschliche Ernährung ist eine Alternative, die gerade für die Region sehr wertvoll sein kann."

Verch schätzt, dass für die im Neubrandenburger Werk geplante Menge von jährlich 60.000 Tonnen Erbsen ungefähr 20.000 Hektar Anbaufläche nötig sind. Da die Erbse nur alle fünf Jahre auf demselben Feld angebaut werden sollte, empfiehlt Verch den Anbau kleinerer Erbsen-Kulturen auf vielen Höfen in der Region. Gerade die Uckermark ist laut Gernot Verch traditionell gut geeignet für den Anbau von Erbsen. Denn diese brauche viel Wasser und der Boden in der Uckermark könne das sehr gut speichern.

Neue Kulturen für ein verändertes Klima

Andere Teile Brandenburgs sind dagegen eher trocken und sandig. Aber auch dafür läuft beim ZALF die entsprechende Forschung - nur ein paar Felder weiter. Gernot Verch begutachtet einige der jungen Pflanzen, die hier in langen Reihen neben den Erbsen wachsen. "Heimische Bauern würden die Pflanze vermutlich gar nicht erkennen", sagt Verch und kontrolliert die Setzlinge. Kein Wunder, denn die Pflanze, die hier zu sehen ist, ist eigentlich im Nahen Osten und Nordafrika heimisch – die Kichererbse.

Archivbild: Eine Schüssel mit Kichererbsen, steht auf einem Feld einer Agragenossenschaft. (Quelle: dpa/P. Pleul)
Versuchsobjekt in Brandenburg: die Kichererbse | Bild: dpa/P. Pleul

In einer Kooperation mit Akteuren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz soll dieser Versuch am ZALF herausfinden, ob und wie die Kichererbse künftig auch auf heimischen Feldern angebaut werden könnte. "Die Kichererbse ist wissenschaftlich interessant, weil sie sehr wenig Wasser benötigt. Sie könnte also eine Alternative sein für immer trockenere Standorte wie es sie auch in Brandenburg gibt", sagt Gernot Verch.

Wenn der Anbau hier erfolgreich gelingt, könnte die Kichererbse für die Landwirte bald eine Möglichkeit sein, sich an veränderte klimatische Bedingungen anzupassen. "Landwirte sind dem Markt unterworfen", sagt Verch, "sie müssen ihre Produkte verkaufen und sich schnell an geänderte Bedingungen anpassen. Sollte eine andere Kultur den klimatischen Bedingungen besser angepasst sein, ist relativ sicher, dass auch die Landwirtschaft zu diesen Kulturen wechseln wird."

Ein verändertes Klima und eine steigende Nachfrage nach pflanzlichen Nahrungsmitteln verändern somit schon heute die heimische Landwirtschaft. Künftig könnten die Erbsen für Fleischersatzprodukte, aber auch die Kichererbsen für Falafel und Hummus großflächig aus regionalem Anbau stammen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 14.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Jonas Wintermantel

22 Kommentare

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  1. 22.

    Ich habe nur auf Ihren Beitrag geantwortet, warum dann sich beleidigt fühlen? Ich verstehe es nicht..
    Übrigens eine bewusste Ernährung schließt den Fleischkonsum nicht aus, eben eine Mischkost, natürlich aus frischen Produkten selbst zubereitet, und damit den Konsum von Dickmachern im Blick behalten.
    Ich bin 72 bei guter Kondition, und mit 1,65 cm und ca.60 Kilo vom Übergewicht weit entfernt.

    Das Problem ist dieser unkontrolierter Konsum von kalorienreicher Lebensmittel, oft Industrieware.

  2. 21.

    Dass sich alle Fleisch Junkies immer gleich auf den Schlips getreten fühlen.
    Lasst uns ernährungsbewussten damit in Ruhe.
    Dann müsst ihr aber auch mit den vielen Nachteilen wie Übergewicht, Krankheiten aller Art, früheren Tod und so weiter leben.

  3. 20.

    Der vielfäleltigste Nährstofflieferant ist die Mischkost, und da zu gehört auch Fleisch, beispielsweise für das lebenswichtige Vitamin B12 usw.

  4. 19.

    dem stimme ich zu.
    der Homo sapiens war nicht gleich ein Gärtner oder Bauer.
    Selbst die frei lebenden Schimpansen vertilgen fleischliches.
    Ob lediglich Insekten, aber auch gejagtes bzw. erlegtes Wild (meist andere Primaten).
    Achja, stimmt ja, Insekten werden ja auch schon ne Weile als alternative (tierische) proteinquelle empfohlen.
    Die Nahrungsmittel des modernen (digitalisierten)Menschen liegt wohl in Erbsen, Soja, Tofu und Algen.

  5. 18.

    Ich bin über 60 Jahre und ich möchte nicht auf Fleisch verzichten.
    Einige werden sagen-ein Idiot,andere werden mir beipflichten.
    Ich bin ich und ich stehe zum Steak und der Curry aus saftigen Fleisch.

  6. 17.

    Abwarten ob das so bleibt, "das Fleischersatz nur ein Nischenprodukt ist und auch weiter sein wird ...". Die e-Mobile waren auch mal ein Nischenprodukt und ein Modegag. Jetzt wird die ökonomische Schraube angesetzt und der Ball läuft in die andere Richtung. Was ist, wenn die EU "pupsende" Kühe verbietet und grunzende Schweine. Die Kühe könnten man nach Indien exportieren, damit sie da ihren Ruhestand genießen, aber die Schweine? Die halbe Welt ißt kein Schwein. Das werden bei uns dann Ladenhüter.

  7. 16.

    Fleischersatz - wir "Verbraucher" (polit. Jargon, abwertend für Mensch) essen Fleisch und kein Gemüse als Fleisch. Gemüse kommt dazu.

  8. 15.

    Es geht hier nicht um Populismus. Fakt ist, dass eine gesunde Mischernährung mit überwiegender pflanzlichen Bestanteilen viel Zivilisationskrankheiten entweder verhindert oder lindert. Zudem liefern Hülsenfrüchten Eiweiße und auch Proteine. Das wusste schon Karl der Große als seine Bestimmung erließ, was in der Gärten angepflanzt werden sollte!

  9. 14.

    Warum sagt man zu "Erbsenwurst" eigentlich Wurst? Müsste doch eigentlich Erbsenpaste mit künstlichem Fleischgeschmack heissen. Ausserdem gibt es ja so'n Sprichwort... "Erbsen und Linsen lassen das .... grinsen", mein Gott, ja, "Wenns Ar...l brummt, ist Herzl gsund." Aber dabei entsteht doch auch Methan und wohl auch Schwefelwasserstoff, wie man so ab und an "genießen" darf. Denkt doch mal an eure Mitmenschen - da hilft auch keine Aloe-Vera-Windel und 'ne FFP2 fürs Hinterteil hab' ich auch noch nicht gesehen. Vors zarte Näschen mit dem Kaffeefilter und ein Hauch Parfüm innen ist da hilfreicher. Veganer Aufschnitt ist dagegen doch toll. Z.B. Radieschen, Gurken in Scheiben geschnitten, rauf aufs Quarkbrot, frische Petersilie oder Schnittlauch drüber - passt immer.
    Ach Leute, esst doch was ihr wollt - nur versucht nicht andere zu bekehren. So, ich geh' jetzt sporteln und grill nachher noch ;-).

  10. 13.

    Wer das ausschließlich das Grünzeug essen will mag es tun. Aber wieso muss man der Menschheit mit solchem Populismus auf die Nerven gehen.

  11. 12.

    Durch ihre Fähigkeit Stickstoff aus der Luft zu gewinnen, sind Erbsen im Rahmen einer wechselnden Bepflanzung von Gartenland als gute Stickstofflieferanten geeignet. Beim Anbau von Hülsenfrüchten sollte dringend auf eine Fruschtffolge geachtet werden und ggf ein Ruhejahr für den Boden eingeplant werden. Mein Großvater hat es als ehemaliger Bauer bis ins hohe Lebensalter bei der Bestellung seines Gartens so gehalten. Ebenso haben es meine Eltern bei der Bestellung unseres Gartens im Rheinland gehalten. Wer sich schlaumachen will sollte versuchen alte Gartenhandbücher oder Bücher über Klostergärten im Handel oder einer Bibliothek zu finden.

  12. 11.

    Richtig, ich kenne die Küchen dieser Länder. Jetzt sind Sie sicher vollkommen überrascht...

  13. 10.

    Leider falsch, weil argumentativ von Ihnen. Denn er (wie Sie unkorrekt schreiben) liest (ohne ß) sich nicht wie eine Werbung für irgendetwas sondern beschreibt den Wandel der Ernährung.
    "Fleischersatz" gibt es nicht - es gibt entweder Fleisch oder nicht Fleisch. Gemüse als Fleischersatz zu bezeichnen ist einfach mal zu geringschätzend, sind Gemüse doch eher vielfältigere Nährstofflieferanten als Flesich an sich.
    Und ein Nischenprodukt werden die Erzeugnisse nie sein, im Gegenteil: der Verbrauch wird eher zunehmen.

  14. 9.

    Ich kann mich erinnern daß früher zu DDR-ZEITEN Erbsen angebaut wurden von Gärtnereien auch groß Flächig. Heute versucht man das Rad wieder neu zu erfinden. Unsere Landwirtschaft und Gärtnereien wären meiner Meinung nach in der Lage die Bevölkerung zum Teil zu versorgen wenn sie die entsprechende Unterstützung vom Staat hätten. Wieso müssen wir so viele Lebensmittel vom Ausland importieren die wir selber produzieren können, dieses hat auch was mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz zutun.

  15. 8.

    Erbsen aus Brandenburg oder doch aus der Börde oder oder... könnte, könnte...
    Abgesehen davon, dass aus den vielen könnte-Artikeln auch pari mal von „was ist daraus geworden“ berichtet werden sollte, ist der Trend zu einer ausgewogenen Ernährung und damit lebensverlängernd deutlicher, als eine einseitige und rückwärtsgewandte „Steinzeiternährung“. Denn da war die Lebenserwartung wie genau?

  16. 7.

    Ah, Sie kennen also all die Küchen dieser Länder? Fragen Sie einmal Menschen aus diesen Kulturkreisen. Sagten Ihnen Humus etwas? Oder Borrtsch?

  17. 6.

    Ich gehöre einer Generation an, bei der es nicht jeden Tag in der Woche Fleisch gab. Es gab den berühmten Sonntagsbraten. Ansonsten gab es unter der Woche Eintöpfe z.B. aus Hülsenfrüchten oder Resteküche. Diese Zeit ist gerade einmal rund fünfzig Jahre her. Wenn Sie alte Rezeptbücher mal studieren werden Sie viele Gerichte aus Gemüse und Kartoffeln oder zur Resteverwendung entdecken. Fragen Sie einmal Ihre Mutter oder Großmutter.

  18. 5.

    Ihre Aussage ist nicht richtig.

    Suchen Sie mal nach
    fleischkonsum ländervergleich

    In der Türkei wird pro Kopf 2,5 mal WENIGER Fleisch gegessen als in Deutschland. Auch in arabischen Ländern wird i.d.R. nur ein Bruchteil an Fleisch gegessen.

    Hier gibt es eine sehenswerte Weltkarte zum Fleischkonsum im Vergleich:
    https://www.watson.ch/wissen/die%20welt%20in%20karten/773522112-weltkarte-welches-land-isst-am-meisten-fleisch

  19. 4.

    Die Rügenwalder Mühle hat unlängst mehr Umsatz mit Ersatzprodukten gemacht als mit Fleisch. Der Markt boomt. Wenn steigende Konkurrenz die Preise noch ein wenig drückt wird sich diese Entwicklung sicher noch beschleunigen.

  20. 3.

    Das ist hauptsächlich in Deutschland so, dass einige Menschen Fleischersatzprodukte essen. Menschen aus anderen Ländern wird man dafür nicht begeistern können. In den Ostblockländern, Türkei, arabischen Ländern, Griechenland, Spanien usw. ist Fleischessen ein Muss. Das gilt natürlich auch für Zugewanderte aus diesen Ländern.

  21. 2.

    So weit so gut. Und wie schauts aus mit Bohnen, Linsen und Süsslupinen? Alles Eiweisslieferanten und Leguminosen. Die gab es bereits. Heut wirds erforscht. Warum tut Ihr Euch so schwer mit dem Anbau alt bekannter Nahrungsmittel?? Warum wartet Ihr auf die Industriefrassindustrie und macht Euch zu deren Lakaien? Nehmt doch die Verarbeitung Eurer Lebens!mittel selbst in die Hand und schliesst Euch zusammen, kann doch nicht so schwer sein. Und es geht ja auch.

  22. 1.

    So so die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten steigt ständig. Wie ist denn das Verhältnis Fleisch zu Fleischersatzprodukten ? 95 : 5 ? 90 :10 ? Der Artikel ließt sich wie Werbung für Fleischersatzprodukte. Dabei weiß doch jeder das Fleischersatz nur ein Nischenprodukt ist und auch weiter sein wird ...

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