Noch viele unbesetzte Ausbildungsplätze in Brandenburg - Azubis werden händeringend gesucht
Ein roter VW-Bulli fährt diese Woche durch Brandenburg, um junge Menschen über noch offene Ausbildungsstellen zu informieren. Denn kurz vor dem Beginn des Ausbildungsjahres sind immer noch tausende Lehrstellen unbesetzt. Von Ismahan Alboga
Der 16-jährige Paul sitzt auf einem Stuhl mitten auf dem Schulplatz in Neuruppin, er trägt eine VR-Brille, damit schaut er sich Filme zu Ausbildungsberufen an. Paul geht in die 10. Klasse, bislang hat er fast keinen Schimmer, was er mal werden möchte. Polizist interessiert ihn, aber auch Tischler kann er sich vorstellen. Er macht gerne etwas Praktisches, ist sich jedoch unsicher. Begleitet wird er von seiner Mutter Jeanette Wachlin.
Noch bis Freitag ist der Bulli in Brandenburg unterwegs
"Wir sind gezielt hierhergekommen, um uns ein paar Informationen zu holen, wo es denn mal hingehen könnte." Denn mit 16 habe er noch nicht so wirklich die Orientierung, erzählt sie. Die Mutter bedauert, dass in den vergangen zwei Jahren wegen der Pandemie nur eingeschränkt Schülerpraktika möglich waren. Paul will sich noch weiter beraten lassen, später bei der Arbeitsagentur in Neuruppin.
Noch bis Freitag dieser Woche rollt der rote Bulli durch Brandenburg und macht an insgesamt zehn Orten Halt. Am Auftakttag parkt das Fahrzeug auf dem Neuruppiner Schulplatz. Zwischen 10:00 und 12:30 Uhr finden die Beratungen über die verschiedenen Ausbildungsberufe statt.
Viele Lehrstellen immer noch unbesetzt
"Brandenburg will Dich! Hier hat Ausbildung Zukunft", so lautet das Motto der Ausbildungskampagne des Arbeitsministeriums in Kooperation mit der Agentur für Arbeit und der Handwerkskammer. Junge Leute sollen so auf die Ausbildungsangebote im Land Brandenburg aufmerksam gemacht werden.
Katrin Rothländer aus dem Wirtschaftsministerium hat die rote Bulli-Tour mit organisiert. Sie hofft auf viele junge Menschen, freie Ausbildungsplätze gäbe es ja noch viele. Auf 7.620 Plätze würden 5.050 Jugendliche kommen, die gleichzeitig auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz seien. "Ich weiß, es ist Sommer, es sind Ferien. Aber wer noch keinen Ausbildungsplatz hat, sollte eigentlich diese Gelegenheit nutzen", appelliert sie.
Im September beginnt das neue Ausbildungsjahr 2022/2023, viel Zeit ist also nicht. Potenzielle Auszubildende lassen sich aber an diesem Tag nur vereinzelt blicken. Wenige trauen sich überhaupt an die Infostände ran. Für die Berufsberater vor Ort keine leichte Aufgabe. Larissa Knuth von der IHK Potsdam hofft, junge Menschen für Hotel und Gaststätten begeistern zu können. Die Branche habe es extrem schwer gehabt in den letzten Jahren.
Schülerinnen und Schüler sind erreichbar
Andrea Penther von der Agentur für Arbeit ist überzeugt, auf diesem Wege noch Schülerinnen und Schüler erreichen zu können. Erfahrungen hat sie bereits im vergangenen Jahr sammeln können, da ist die Aktion schon einmal gelaufen. "Da habe ich selbst zwei junge Damen in eine Ausbildung mit vermittelt, die jetzt dieses Jahr beginnen werden", erzählt sie.
Gegen Mittag endet die Aktion in Neuruppin, der Ausbildungs-Bulli rollt nach Oranienburg, die zweite Station an diesem Tag. Auf dem Schlossplatz geht die Berufsberatung von 14:30 bis 17:00 Uhr weiter.
Die 20-jährige Henna ist extra gekommen, sie hat von der Aktion aus der Zeitung erfahren. Im vergangenen Jahr hat sie bereits eine Ausbildung begonnen, die hat ihr aber nicht gefallen. Jetzt sucht sie wieder und ist froh, hier beraten zu werden. "Ich muss sagen, wenn man niemanden hat, an den man sich wenden kann, dann ist es teilweise sehr schwierig zu finden, wofür man sich überhaupt interessiert."
Arbeitsminister Steinbach wirbt in Oranienburg
Auch der Arbeitsminister Jörg Steinbach (SPD) ist nach Oranienburg gekommen. Für den Einstieg ins Ausbildungsjahr 2022/23 sei es noch nicht zu spät. Junge Menschen müssten überhaupt erst mal wieder begreifen, dass das Berufe seien, die man dort erlernen könne, die tatsächlich eine gute Lebensperspektive bieten würden. "Wir leben dort immer noch in einer Zeit, wo mal vor vielen Jahren gesagt worden ist, erst ab dem Abitur fängt das Leben an. Das war ein großer Fehler und so etwas wieder zurückzudrehen und die Wertschätzung wieder für die Berufe unter die Menschen zu bringen, das kostet Zeit und Geduld", so Steinbach.
Seit Jahren klagen Betriebe über fehlende Bewerberinnen und Bewerber
Seit Jahren klagen Betriebe darüber, dass sie keine Auszubildenden finden. Dirk Krawczyk, Geschäftsführer und Ausbilder der Tischlerei Max Leppinius in Birkenwerder, hat inzwischen wenig Hoffnung. Die Tischlerei hat zehn Mitarbeiter, früher waren es mal doppelt so viele. Sein Betrieb benötigt Auszubildende, weil die älteren Kollegen langsam alle in Rente gehen, und von den Jüngeren komme kaum noch jemand hinterher, klagt Krawczyk.
"Wir versuchen über das Arbeitsamt, über die neuen Medien sozusagen Leute zu gewinnen. Wir versuchen auch, ein Praktikum zu ermöglichen." Krawczyk ist ratlos, bisher sei keine einzige Bewerbung eingegangen. "Wir legen jetzt keinen Wert auf Rechtschreibung oder auf politische Bildung." Aber ein bisschen rechnen müssten die Kandidaten schon können, findet er.
Auf dem Schlossplatz in Oranienburg wirbt derweil Katrin Rothländer aus dem Wirtschaftsministerium kräftig weiter. Ihr Resümee für den ersten Tag: "Es waren nicht so viele heute da, ist ein bisschen hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben, aber wir werden alles geben die nächsten Tage", verspricht sie. Wie viele offene Ausbildungsplätze tatsächlich bis September besetzt sein werden, so genau kann das wohl derzeit noch niemand sagen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.07.2022, 19:30 Uhr