Eigentümerin auf EU-Sanktionsliste - Immobilienverkauf in Berlin wegen Russland-Sanktionen gestoppt

Fr 08.07.22 | 06:06 Uhr | Von René Althammer, Robert Schöffel (BR), Ahmet Senyurt (SWR)
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Häuser in Berlin-Mitte vom Berliner Fernsehturm aus gesehen. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.07.2022 | René Althammer | Bild: dpa/Christoph Soeder

Erstmals wurde in Berlin ein Immobiliengeschäft gestoppt, weil die Eigentümerin auf der Sanktionsliste für Russland steht. Recherchen zeigen, dass es in Berlin bundesweit die meisten Immobilienunternehmen mit unklaren Eigentümerstrukturen gibt. Von R. Althammer, R. Schöffel, A. Senyurt

Es soll sich um eine Immobilie in Stadtlage handeln, mehr wollen weder Berliner Polizei noch Finanzbehörden dazu sagen. Die Eigentümerin hatte den Verkauf 2021 gestartet, doch es zog sich wohl hin. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine stand sie dann auf der EU-Sanktionsliste und sowohl der beauftragte Notar als auch ihre Bank meldeten den Vorfall – so wie vorgeschrieben. Verkauf gestoppt, etwaige Mieteinnahmen eingefroren.

Finanzbehörden gleichen Sanktions- und Steuerdaten ab

1.158 Personen und 98 Unternehmen und Organisationen stehen inzwischen auf den Sanktionslisten, doch nur wenige scheinen in Deutschland Immobilienvermögen zu besitzen. In München stießen die Finanzbehörden vor einigen Wochen beim Abgleich der Steuerdaten mit den Listen auf zwei Eigentumswohnungen und ein Grundstück, die einem kommunistischen Duma-Abgeordneten und seiner Frau gehören. Bei der russischen Duma hatte er dies nicht angegeben [duma.gov.ru].

Eine bundesweite Abfrage von rbb, BR, MDR und SWR bei den Finanzbehörden ergab: Seit Verhängung der Sanktionen suchen die Finanzbehörden in allen Bundesländern nach sanktionierten Personen. Die Ausbeute scheint überschaubar. In Baden-Württemberg "konnten nur wenige Fälle identifiziert werden". In Sachsen-Anhalt und Bremen wurde nichts gefunden. Ob die Berliner Finanzbehörden fündig wurden, dazu äußerte sich die Senatsfinanzverwaltung nicht. In einer mit den anderen Bundesländern und dem Bundesfinanzministerium abgestimmten Antwort heißt es lediglich: "Einzelheiten können im Hinblick auf die beabsichtigten Wirkungen nicht mitgeteilt werden."

Berliner Immobilienmarkt ist Hotspot bei anonymen Firmenkonstrukten

Ist Deutschland und vor allem Berlin vielleicht gar nicht das Eldorado der russischen Eliten, in dem sie Vermögen in Höhe von Hunderten Millionen Euro über die Jahre gut getarnt anlegten? Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bezweifelt das. Nach seiner Einschätzung dürften die wenigen Treffer eher "ein Beleg für die weitgehende Anonymität am Immobilienmarkt sein. Kriminelle aus der ganzen Welt einschließlich Russland verstecken deswegen hier immer noch viele Milliarden Euro verdächtiger, aber nach wie vor ungeklärter Herkunft."

Eine exklusive Auswertung von Daten der Auskunftei Creditreform scheint ihn zu bestätigen. Bundesweit gibt es demnach 774 Immobilienunternehmen, zu deren unmittelbaren Eigentümern wiederum Firmen in Zypern, auf den Britischen Jungferninseln, den Cayman und den Marshall Inseln gehören, also Länder, wo es besonders einfach ist, sich "unsichtbar" zu machen. 618 dieser Firmen haben laut Auswertung ihren Sitz in Berlin.

Immobilienunternehmen mit Eigentümern in Zypern, auf den Cayman-, Marshall- oder Britischen Jungferninseln

Berlin 618
Bayern 36
Hessen 34
Brandenburg 20
Nordrhein-Westfalen 19
Baden-Württemberg 17
Hamburg 10
Sachsen 7
Niedersachsen 5
Bremen 3
Schleswig-Holstein 2
Rheinland-Pfalz 1
Sachsen-Anhalt 1
Mecklenburg-Vorpommern 1

(Daten: Creditreform)

Oligarch nutzte Gesetzeslücken

Zwischen 2004 und 2021 haben russische Bürger nach einer Auswertung des bei der Senatsbauverwaltung angesiedelten Gutachterausschusses auf dem Berliner Immobilienmarkt gut 456 Millionen Euro investiert. Vor allem zwischen 2011 und 2017, danach brachen die Käufe ein. Die Zahlen beziehen sich auf all jene, die auch in den Grundbüchern stehen. Systematisch suchen kann man sie bis heute nicht, eine einheitliche Datenbank fehlt – wie in Berlin so in den anderen Ländern. Einzig die Finanzbehörden können anhand der Steuerdaten herausfinden, ob es in der Stadt Vermögen sanktionierter Personen gibt.

Schwierig wird es indes, wenn die Immobilie keiner Person, sondern einer Firma gehört. Denn wem welche Firma gehört, das ist oft unklar. Der russische Oligarch Rotenberg konnte deshalb nach rbb-Informationen vor einigen Jahren mit Hilfe seiner Familie eine Luxusimmobilie in Schmargendorf für mehrere Millionen Euro verkaufen. Ein schwer durchschaubares Geflecht von Firmen auf Zypern und in Berlin machte das möglich – und war rechtlich völlig legal. Im Zentrum stand seine Tochter Lilia Rotenberg sowie die Firma O. auf Zypern, deren "wirtschaftlich Berechtigter", letztlich also Eigentümer, Rotenberg war. Doch die Firma wie auch Rotenbergs Tochter standen und stehen anders als er nicht auf der EU-Sanktionsliste. Der Verkauf wurde problemlos abgewickelt.

Information

Die Auskunftei Creditreform sammelt Informationen zu in Deutschland tätigen Unternehmen, unter anderem zu den Eigentümern. Für die Recherche haben rbb, BR, MDR und WDR Creditreform-Daten von Immobilienunternehmen ausgewertet, zu deren unmittelbaren Eigentümern Firmen in Zypern, auf den Britischen Jungferninseln, den Cayman Inseln und den Marshall Inseln gehören.

Schlupfloch im Transparenzregister soll geschlossen werden

Seit 2017 soll das Transparenzregister eigentlich dafür sorgen, dass sich die wirtschaftlich Berechtigten hinter ominösen Firmenstrukturen offenbaren – ursprünglich bis 2021. Doch dank neuer Gesetze wurden die Fristen verlängert. Auf Anfrage von rbb24 Recherche teilte das zuständige Bundesverwaltungsamt mit, dass sich bis spätestens 31. Dezember 2022 gut 1,7 Millionen Unternehmen registrieren lassen müssen. Bis 26. Juni haben dies jedoch erst 850.000 getan.

Doch selbst wenn alle Fristen abgelaufen sind, besteht bislang ein Schlupfloch, für all jene, die sich nicht "offenbaren" wollen: Wenn der wirkliche Berechtigte oder Eigentümer sich nicht ermitteln lässt, dann kann der gesetzliche Vertreter, in der Regel ein Manager, der auf keiner Sanktionsliste erscheint, gemeldet werden. Ermittler, die dem Verdacht auf Geldwäsche nachgehen, halten das schon für eine Art "Begünstigung von Straftaten".

Sebastian Fiedler, jahrelang Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter und seit Herbst 2021 für die SPD im Bundestag, hat das jahrelang kritisiert. Was bei der Geldwäsche versäumt worden sei, falle Deutschland jetzt bei der Durchsetzung der Sanktionen "auf die Füße". Seine Hoffnung ruhe auf dem für den Spätsommer geplanten Sanktionsdurchsetzungsgesetz II.

Mit dem neuen Gesetz sollen etliche Leerstellen endlich geschlossen werden. Eine zentrale Bundesorganisation, angesiedelt sehr wahrscheinlich beim Zoll, soll sich zukünftig um die Durchsetzung der Sanktionen kümmern. Gemeinsam mit dem BKA, so Fiedler, könnten dann Experten endlich mit dem nötigen Know-how an die Arbeit gehen – und sanktionierte Vermögen ebenso wie Geldwäscher aufspüren.

Beschlagnahme verdächtiger Vermögen geplant

Schwerer ins Gewicht fallen wird aber der Punkt, den auch die im Frühjahr gegründete Taskforce zur Sanktionsdurchsetzung favorisiert: Die Einziehung verdächtiger Vermögen bis hin zur Enteignung. Der Staat, so Fiedler, werde bei verdächtigen Vermögenswerten einen Auskunftsanspruch haben. "Und wenn derjenige, der da offiziell eingetragen ist, nicht sagt, woher das Vermögen kommt, ist es weg."

Rot-Grün scheint sich dabei einig. Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, macht jedoch klar, dass derart rigorose Maßnahmen auf sanktionierte Personen beschränkt bleiben sollen. "Eine Schnüffeldatenbank, die sämtliche Vermögenswerte und deren Besitzer unter Generalverdacht stellt und damit unter Erklärungsdruck setzt" wäre seiner Meinung nach der falsche Weg. Der nächste Streit um die Durchsetzung der Sanktionen scheint vorprogrammiert.

Eine gemeinsame Recherche von BR, MDR, rbb, SWR.

Sendung: rbb24 Inforadio, Nachrichten, 06.07.2022, 9 Uhr

Beitrag von René Althammer, Robert Schöffel (BR), Ahmet Senyurt (SWR)

19 Kommentare

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  1. 19.

    Berlin ist schon lange ein Schlaraffenland für die OK, siehe Rigaer.

    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/08/rigaer-strasse-teilbesetztes-haus-berlin-fragen-antworten.html

  2. 18.

    Allein in meinem Bekanntenkreis kenne ich jede Menge Leute die nebenbei "schwarzarbeiten". Das ist nicht nur Steuerhinterziehung sondern auch Sozialversicherungsbetrug. Für drei Stationen mit der Tram verschwenden die keinen Fahrschein. Ich werde da regelmäßig für blöd gehalten, wenn ich den Kurzstreckenschein entwerte. PKW Reperatur geht natürlich auch ohne Quittung damit man sich den Audi auch weiterhin leisten kann. Solche Verhaltensweisen sind nicht akzeptabel egal über wieviel Geld man verfügt. P.s. Die meisten von denen hier die Rede ist fliegen mindestens einmal pro Jahr in Urlaub.

  3. 17.

    Mir fällt da ein Finanzsenator ein, der freimütig das Berliner Tafelsilber verscherbelte.

  4. 16.

    Sehr oft hat dies steuerliche Gründe. Und da sind nicht die in Deutschland gemeint sondern die im Heimatland des Eigentümers. Es ist überall dasselbe. Es ist kein deutsches Phänomen. Auch Deutsche legen Geld im Ausland über Strohmänner etc, an. Außerdem natürlich noch ein Haftungsding. Es ist unter dem Strich meistens etwas völlig lapidares, warum jemand erst eine Firma gründet, die dann die Immobilie kauft. Beim Erbrecht auch ein Unterschied. Die Leute mit der Geldwäsche kommen dann on top hinzu. Aber Gründe gibt es viele. Gibt es auch mit beweglichen Sachen.

  5. 15.

    Die Notare sind schon länger in der Kontrollpflicht. Und es klappt ja offenbar

  6. 14.

    Erst verkauft und jetzt überprüft ... da stimmt doch etwas nicht in unserem System, oder?
    Ein Beispiel, auch abgesehen der russischen Käufer:
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/07/berlin-staatsanwaltschaft-bochum-bushido-kleinmachnow-ermittlungen.html

  7. 13.

    Warum machen sich dann viele Eigentümer "unsichtbar"?
    Wenn ich nichts zu verbergen habe, kann jeder wissen, dass ich der Eigentümer bin.

  8. 12.

    Es geht um die Sanktionen. Weshalb Sie nun gleich pauschal alles unter Kriminalität erfassen wissen wohl nur Sie.

  9. 10.

    Alles völlig unglaubwürdig, mit welch Überraschung und Erstaunen jedes Mal neue Kriminalitätsformen zur Kenntnis genommen werden, von denen die Bürger schon 20 Jahre vorher wissen - jedoch leider nie für voll genommen werden, wenn sie Missstände ansprechen.

  10. 9.

    Es muss auch möglich sein, schon im VERDACHTSFALL zu beschlagnahmen … Machen die Franzosen so … Dann meldet sich der „Wirtschaftlich Berechtigte“ schon, der dann aber auch erst einmal akribisch analysiert wird, bitte … Und, warum dauert das 2. Gesetz zur Durchsetzung der Sanktionen bis in den Spätsommer ?! … Sollen die jetzt alle schnell noch an neue Deckfirmen und Strohmänner verkaufen können, oder was ?! … Oder wird wenigstens dieses (hier befürchtete) Verhalten jetzt gerade sehr genau beobachtet und nachgehalten und dann „zugeschlagen“ ? … Hoffentlich !

  11. 8.

    Ganz einfach: Wer den eigentlichen Eigentümer für die Datenbank angibt, dem werden alle Mieteinnahmen eingefroren bis der tatsächliche Eigentümer bekannt ist. Mal sehen wie lange die dann ihre Namen geheim halten oder die Immobilien versuchen abzustoßen.

    Es muss endlich Pflicht werden ovr dem Kauf von Immobilien nachzuweisen, dass das Geld aus legalen Quellen stammt. Unbare Käufe müssten verboten werden.

  12. 7.

    ... so heißt Charlottenburg schon viele Jahre!!
    + Markus III Das ist doch mal ein guter Vorschlag, warum solche Möglichkeiten nicht durchgesetzt werden???

  13. 6.

    Böse Zungen behaupten, dass "Charlottenburg" demnächst in "Charlottengrad" umbenannt werden soll.....;-))

  14. 5.

    Sanktionsliste ist nun einmal Sanktionsliste - gut so.

  15. 4.

    Spätestens wenn der Mietzins ausbleibt werden die "unbekannten " Firmen sich von ganz alleine melden. Dann kann man sich alle greifen und akribisch unter die Lupe nehmen mit gaanz viel Zeit. Und solange der Eigentümer nicht 100% ausfindig gemacht wurde kassiert die Miete zum Beispiel der Senat wegen meiner auch der Bund. So könnte man den Miethaien, Briefkasten Firmen, Mafia was auch immer für Clans das Wasser abgraben, für mehr Nachhaltigkeit natürlich ordentlich Steuern draufpacken. Legal ist das jedenfalls nicht was da mit Immobilien gemacht wird, im TV gab es mal eine Doku "Deutschland Beuteland " oder so war sehr sehenswert.

  16. 3.

    Gibt kein zentrales Grundbuch-Register in Deutschland. Im Grundbuch muss der eigentliche wirtschaftliche Nutzniesser von Grund & Boden /Gebäude nicht stehen. Das sogenannte Steuergeheimnis gilt in Deutschland als Heiligtum.

    Sind Interessen, Strukturen, eine Eingerichtetheit, die nur einer absoluten Minderheit sowohl in Deutschland, als auch weltweit dient.
    Für die Mehrheit der Lohnempfänger gibt es kein "Steuergeheimnis", noch Möglichkeiten Steuern zu hinterziehen. In Täterkreisen gerne "Steueroptimierung" genannt.
    Kleine Hausbesitzer /Vermieter, Selbstnutzer von Wohneigentum sind in der Regel auch nicht auf diese Weise strukturell anonymisiert.
    Als Mieter weiss man im Zweifelsfall nicht, ob man Kriminelle alimentiert. Ist darauf angewiesen, wen der Staat in solchen Konstruktionen zum Kriminellen erklärt.
    Sehr Undemokratisch.

    Es handelt sich also um gesetzlich gesicherte Minderheiteninteressen von Eigentumsformen, die jeder demokratischen Kontrolle faktisch Hohn sprechen.

  17. 2.

    Netter Versuch, die Russland SANKTIONEN positiv zu bewerten. Wir, die tief in die Tasche greifen müssen, um halbwegs warm durch den, die kommenden Winter zu kommen, haben große Sorge. Was interessiert uns da, wie russ. Oligarchen*innen oder DUMA Abgeordnete ihre Millionen hin und her schaufeln. Vorschlag: ich hätte gern einen kompetenten und tiefgründigen Artikel über die kurz und mittelfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der deutschen Sanktionspolitik. Wie beurteilt das die Bevölkerung?

  18. 1.

    Dieses Gesetz, bzw seine Überarbeitung ist schon lange überfällig. Das es immer noch möglich ist, Immobilien praktisch bar aus der Papiertüte zu bezahlen, ist ein Witz. Und die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft, die da etwas von "Generalverdacht" faseln verständlich. Dürfte doch auch, unter unseren de facto Gesetzgebern, einigen diese Lücken zu satten Renditen am Fiskus vorbei verholfen haben.

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