Stichtag 31. Oktober - Wie die Neuberechnung der Grundsteuer die Digitalisierung beschleunigen soll - und Nerven kostet

Do 04.08.22 | 11:40 Uhr | Von Iris Völlnagel
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Symbolbild: Eine Frau füllt am Laptop ein Steuerformular aus. (Quelle: dpa/B. Nolte)
Video: rbb24 Abendschau | 05.08.2022 | I. Völlnagel | Bild: dpa/B. Nolte

Grundstücksbesitzer werden derzeit zum Formular gebeten. Im Steuerportal Elster müssen sie eine Erklärung abgeben, mit der die Grundsteuer neu berechnet wird. Hunderttausende trifft das in Berlin - nicht jeder kommt mit dem System zurecht. Von Iris Völlnagel

Jürgen Fischer ist verärgert. Als der Rentner vor Jahren sein Haus in Berlin baute, begann er, alle Unterlagen immer fein säuberlich in einem Ordner abzuheften. In früheren Jahren hat ihm die Ordnung immer geholfen, seine Steuererklärungen zu machen, wie er sagt: Ein Handgriff und er hatte alles parat. Nun soll er die Grundsteuererklärung über das Onlineportal Elster abgeben. Mehrfach habe er es schon versucht, ohne Erfolg. Er sei einfach nicht durch gekommen. "Es rödelt und rödelt. Da habe ich mich ganz schnell wieder abgemeldet", sagt Fischer. Das Portal scheint überlastet zu sein.

Verfassungsgericht erklärte bisherige Regelungen für verfassungswidrig

Seit dem 1. Juli 2022 ist das Steuerportal Elster für die Grundsteuermeldung freigeschaltet. Wer am Stichtag 1. Januar 2022 Eigentümerin oder Eigentümer von Grundbesitz war, muss die Erklärung abgeben. Aufgrund der Angaben soll die Grundsteuer bis Ende 2024 neu berechnet werden. Die bisherigen Regelungen und Berechnungen waren 2018 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt worden.

In Berlin betrifft die Entscheidung rund 840.000 Steuerpflichtige, die nun Details zu ihrem Grund und Boden an das Finanzamt übermitteln müssen. Die Probleme bei der Erfassung sind schnell bekannt geworden. Ja, es habe Anfang Juli Server-Probleme gegeben, gibt der zuständige Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) zu: "Die bayerischen Kollegen, die das System für alle Bundesländer betreuen, hatten offenbar die Vielzahl der Zugriffe unterschätzt. Da mussten zusätzliche Server-Kapazitäten bereitgestellt werden."

Seitdem sei es nicht mehr zu größeren Ausfällen gekommen, so der Finanzsenator. Nun könne es auch an den häuslichen WLAN-Kapazitäten liegen. Derzeit kämen jeden Tag rund 1.500 Meldungen an, so der Grünen-Politiker. "Noch nicht die Geschwindigkeit, die wir brauchen." Doch dass mehr als 95 Prozent der Erklärungen elektronisch eingereicht würden, sei ein Erfolg, so Wesener.

Neuerfassung bringt Digitalisierung mit sich

Seit 27 Jahren zahlt Jürgen Fischer Grundsteuer, jedes Quartal rund 60 Euro. Er verstehe nicht, warum er jetzt Angaben wie Grundstücksgröße, Art der Bebauung oder Flurstücknummer, die den Finanzbehörden schon lange vorliegen, online eingeben muss. "Am meisten ärgert mich, dass man das dem Bürger einfach überstülpt. Die Daten liegen doch den Finanzämtern bereits vor", sagt der Rentner.

Das sieht Finanzsenator Wesener anders: Es seien nur acht Merkmale, die die Steuerpflichtigen angeben müssten. Die habe man schnell zusammen, wenn man als Eigentümer einen Kaufvertrag oder ein Grundbuch habe. "Wir wollen die Grundsteuerreform nutzen, um in puncto Digitalisierung von Steuerverwaltung voranzukommen." Deshalb sollen die Erklärungen auch über das Onlineportal Elster gemacht werden. "Die Grundbücher sind nicht digitalisiert. Deshalb müssen wir hier die Bürger um Mithilfe bitten."

Keine Briefe mehr vom Amt

Dass er die Grundsteuererklärung nun abgeben müsse, habe er über die Medien und von seinen Nachbarn erfahren, sagt Jürgen Fischer. "Ich war entsetzt als ich mitgekriegt habe, dass die Berliner Behörden es nicht für nötig halten, ihre Bürger zu informieren. Die Grundsteuererklärung ist nichts, was man mal in drei Minuten ausfüllt".

"Wir haben lange diskutiert, ob man alle Steuerpflichtigen anschreiben muss", sagt Finanzsenator Wesener. In Flächenländern wie Brandenburg hätten die Finanzbehörden das machen müssen, um den Betroffenen die Grundsteuernummer mitzuteilen. In Berlin seien die Nummern den Finanzbehörden wie Steuerpflichtigen bereits bekannt. Ein klassisches analoges Anschreiben sei also nicht nötig gewesen, zumal die Versendung rund eine Million Euro gekostet hätte. "Die Finanzverwaltung sollte auch mal auf die Kosten gucken", betont Wesener. Stattdessen habe man sich dann entschieden, 1.000 Hausverwaltungen anzuschreiben. Die seien für rund eine halbe Million Wohnungseigentümer die Ansprechpartner.

Höhe der Grundsteuer noch unklar

Jürgen Fischer will nun die Sommerzeit nutzen, seine Erklärung abzugeben. Dafür hat er bis zum 31. Oktober 2022 Zeit. Wer merken sollte, dass er oder sie es nicht rechtzeitig schafft, könne eine Fristverlängerungen beantragen, betont der Finanzsenator. Versäumniszuschläge sollen danach keine erhoben werden. "Spätestens da wird es aber einen Brief geben", sagt Daniel Wesener mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Wieviel Grundsteuer Jürgen Fischer künftig zahlen muss, wird er erst Ende 2024 erfahren. Zuvor muss das Berliner Abgeordnetenhaus noch den für Berlin gültigen Hebesatz festlegen. Die neuen Grundsteuersätze sollen ab 2025 gelten. Für Berlin werde sich durch die Reform an der Einnahmesumme von rund 840 Millionen Euro pro Jahr nichts ändern, zeigt sich der Finanzsenator überzeugt. Nur die Verteilung, wer künftig wieviel Grundsteuer zahlen muss, soll gerechter werden. Entscheidend sei dabei in Berlin auch die Lage, so der Finanzsenator.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.08.2022, 7:10 Uhr

Beitrag von Iris Völlnagel

28 Kommentare

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  1. 28.

    Digitalisierung hin oder her, ich wäre schon froh, wenn dieses "tolle" Elster Programm funktionieren würde. Sämtliche korrekten Daten aus dem Grundbucheintrag sind laut Elster falsch. Und egal ob ich beim Finanzamt oder bei Elster anrufe, keiner fühlt sich verantwortlich und kann mir helfen.

  2. 27.

    Also es GIBT ein komplettes Offline-Formular, das kann man mit nem Stift ausfüllen und die Damen im Amt können dann eintippen :-) bei uns müssen sie das tun :-) sehe ich gar nicht ein. Die haben alle Daten. Wenn sie die nicht nutzen wollen, müssen sie leider bei mir abtippen....

  3. 26.

    Die Grundsteuer wird von allen erhoben. Egal ob Sie im Eigentum oder zur Miete wohnen. Mietern wird es über die Nebenkosten Rechnung weiterberechnet.

  4. 25.

    Haha, ist mir auch aufgefallen, was für ein peinliches und vor allem arrogantes Gewächs von einem sogenannten Politiker.
    Wenn es so einfach ist dann soll es das Finanzamt doch selber machen.
    Eine Frechheit sondersgleichen und die verharmloser hier wissen echt nicht was es hier teilweise für abstruse Besonderheiten gibt.
    Da müssen wiederum Ämter angefragt werden um das am Ende wieder an ein Amt abzugeben.

  5. 24.

    Mannomann - was schon wieder für eine panische Aufregung hier - der Kram klingelt doch erst 2025 im Beutel der Stadt.
    Bis dahin ist doch wieder alles ganz "Arm aber Sexy"...

  6. 23.

    Alles wird teurer, da sollte man auf die Grundsteuer und die Reform derselben vorerst verzichten, um alle Bürger ein wenig zu entlasten.

  7. 22.

    Wie wäre es denn mit einem Portal zur Beantragung von Terminen zur Nutzung des Online-Portals? Das entspricht doch dem was in diesem Land von einigen als Digitalisierung verstanden wird….
    Aber Ernst gemeint: warum muss es eigentlich komplett „online“ sein? Ein Formular das man in aller Ruhe „offline“ ausfüllt und dann online übermittelt ist viel einfacher zu handhaben!
    (Siehe wie bei der Einkommensteuer- war mal einfach und praktisch, das Online-Formular bringt einem zum Wahnsinn)

  8. 21.

    Die Kommentare geben ein gutes Spiegelbild der Berliner Bevölkerung ab.

    Da schreiben welche, das Finanzamt will Geld, andere schmeissen mit dem Bodenrichtwert nur so um sich und das auch noch falsch...

    Die Nächsten schieben ihre Oma vor, weil sie wohl mit dem Elsterportal nicht klar kommt. Ganz ehrlich, für ein EFH mit rund 600qm Grund - ca 6 Minuten Zeitaufwand - dann ist das Ding im Kasten. Mein Opa, 76 Jahre alt mit einem Dreiseitenhof und mehreren Miteigentümern (Kinder, Enkel) hat das Ding in 35 Minuten fertig gehabt. Er hatte zuvor auch Post bekommen, dass er das bitte machen soll.... Uiijuii gucke an...

    Da regt man sich doch lieber über den "Vertipper" auf, 840.00 Euro anstatt Steuerpflichtige. Ziemlich bescheiden hier.

  9. 20.

    Das Finanzamt will keine Grundsteuer von Ihnen, diese Steuer will Ihr städtischer Kassenwart. Das Finanzamt "sammelt" lediglich die relevanten Daten zur Ermittlung der Grundsteuer.

  10. 19.

    Das Verfahren ist eine Unverschämtheit, fast alle Informationen liegen den Steuerbehörden schon vor. Ich muß innerhalb von 4 Monaten meine Grundsteuererklärung abgeben und die Finanzämter haben dann 4 Jahre Zeit, einen Bescheid zu erlassen.
    Ich wette, dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren auch wieder einkassieren wird, da gegenwärtig drei verschieden Modelle zur Berechnung möglich sind.

  11. 18.

    "Nun könne es auch an den häuslichen WLAN-Kapazitäten liegen. "

    Ein Finanzsenator der zumindest von LAN und WLAN keinerlei Ahnung hat.

  12. 17.

    Nachtrag:
    Bei 840.000 Steuerpflichtigen ist die Einnahmesumme sicher höher. Da hat sich der Finanzsenator wohl vertan.

  13. 16.

    Es geht´s um um 840.000 STEUERPFLICHTIGE; nicht um 840.000 €

  14. 15.

    .. Elster ist Zumutung und Frechheit zugleich .. umständlich, hinter den Hilfefeldern riesige Erklärungen, mit Begriffen, die dem Bürger zusätzlich Recherchen auferlegen .. das Mieseste ist, daß die nicht digitalisierte Verwaltung ihre eigene Arbeit zum Nulltarif auf den Bürger abwälzt .. das können Sie auch nicht verharmlosen oder schön reden, Herr Wesener ..

  15. 14.

    "Die Gesamtsumme der Grundsteuer beträgt sicher nicht 840000 Euro,"
    Lesen hilft.
    https://www.berlin.de/sen/finanzen/steuern/steuereinnahmen/2021/artikel.1176857.php#headline_1_3

  16. 13.

    "Was machen die Bürger, die keinen Computer haben"
    Es gibt Papiervordrucke, die genau den Seiten bei Elster (1:1!) entsprechen.
    Und wer es gar nicht kann, ist verpflichtet sich eines Steuerberaters zu bedienen.
    Aber das kann auch ein guter Nachbar machen. Was im übrigen ganz interessant ist, das jeder, der einen ELSTER-Zugang hat das auch für jeden anderen machen kann.
    Die Erklärung ist NICHT an den Elster-Zugang gebunden. Anders bei den sonstigen Steuererklärungen.

  17. 12.

    Die Bodenrichtwerte sind nicht "überzogen", es sei denn, sie finden die Immobilienpreise in Berlin überzogen. Die Bodenrichtwerte bilden ab, was bei Verkäufen in den letzten Jahren tatsächlich gezahlt wurde. Mithin also den Wert des Grundstücks.

  18. 11.

    Spannend wird, was Berlin mit dem Hebesatz macht. Ich wohne seit 11 Jahren in derselben Wohnung und habe absolut nichts von irgendwelchen fiktiven Immobilienblasen. Gleichzeitig wurde der Bodenrichtwert mal eben verzehnfacht(!). Und natürlich gibt es für Selbstbewohner keinerlei Sonderregelung. Wenn dann noch der Hebesatz "angepasst" wird (im Zweifel kennt sowas immer nur eine Richtung), dann können wir uns auf quasi zweite Mieten an das Land Berlin freuen.

  19. 10.

    Ich finde es eine Frechheit, dass die Eigentümer gezwungen werden, die Steuererklärung zu machen. Wenn die Finanzämter von uns Geld haben wollen, dann sollen sie auch tätig werden.
    Wenn ich beim Lohnsteuerjahresausgleich Geld zurück haben möchte, arbeitet mir das Finanzamt auch nicht zu und ich muss mich bewegen.

  20. 9.

    "wenn man als Eigentümer einen Kaufvertrag oder ein Grundbuch habe."
    Also wenn der Eigentümer eines Grundstückes ein Grundbuch zu Hause hat, dann ist was ganz verkehrt.

    "Zuvor muss das Berliner Abgeordnetenhaus noch den für Berlin gültigen Hebesatz festlegen."
    Und ehe das passiert, muss die Finanzverwaltung erstmal rechnen und die Meßzahlen ausgeben.
    Eigenartigerweise hört man bei jeder Finanzverwaltung, das es bis 2024 mehr als ambitioniert sei, die ganzen Daten, die nicht in Schema F passen aufzuarbeiten.
    Ob die Annahme das 30% der Abgaben davon betroffen seien, ist mal dahingestellt.
    Aber nehmen wir mal 10% der 840.000 an, das die manuell nachbearbeitet müssen. Jeder 20Minuten.
    280000 Stunden(!) Oder 11K Std. je Monat! Zeige mir die Verwaltung, die das stemmt.

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