Berliner Handwerksbäcker in der Krise - "Das Brot müsste eigentlich doppelt so teuer sein"

Mi 14.09.22 | 15:04 Uhr | Von Freya Reiß
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Berliner Bäckerin. (Quelle: rbb/F. Reiß)
Video: rbb24 Abendschau | Mi 14.09.22 | Bild: rbb/F. Reiß

Die Berliner Bäcker-Innung feiert am Mittwoch ihr 750-jähriges Bestehen, doch die Stimmung in den Betrieben ist alles andere als feierlich. Die stark gestiegenen Gaspreise bedrohen eine ganze Zunft. Von Freya Reiß

Die Preise für ihre Dinkelbrote, Brezeln und Croissaints hat Christa Lutum bereits einmal um zehn Prozent angehoben. Das müsse sie bald schon wieder tun, sagt die Obermeisterin der Berliner Bäcker-Innung. Die stark gestiegenen Gaspreise belasten ihren mittelständischen Betrieb in Charlottenburg massiv.

Das Problem sei, dass sie den bis zu fünffach höheren Gaspreis nicht einfach auf Brot und Brötchen umlegen könne. "Das Brot müsste eigentlich doppelt so teuer sein", sagt Lutum. Kundinnen und Kunden würden sich dann aber überlegen, ob sie die Preise noch zahlen wollen und können. So eine satte Preissteigerung wagt sie deshalb nicht.

"Wir können nicht mal eben neue Öfen kaufen"

Ernsthaft Energiesparen können Bäckereien nicht. Das Brot braucht die Hitze. Auch in Lutums Backstube bäckt ein großer Gasofen die Waren. Vor der Energiekrise habe es noch geheißen, dass Gasöfen die ökologischsten, weil effizientesten Öfen seien.

Nicht nur bei Christa Lutum, sondern bei allen 145 Mitgliedbetrieben der Innung ist die Stimmung betrübt. Manche Unternehmen würden die aktuelle Krise eine Weile überleben können, sagt die Obermeisterin. Aber die Frage sei, wie lange. Ein Signal aus der Politik, dass die Handwerksbäckereien unterstützt werden, sei jetzt wichtig. Bäckereien seien schließlich auch ein Kulturgut in Deutschland. Wer seine Bäckerei schließe, werde auch nicht wieder aufmachen, sagt sie.

Energiekrise trifft Backhandwerk zur Unzeit

Die Energiekrise trifft die Bäckereien ausgerechnet zu einer Zeit, als sie sich erholten und im Aufwind waren. Der Fachkräftemangel vor allem bei Bäckereifachverkäufern sei zwar noch da, aber es sei langsam aufwärts gegangen, sagt Lutum. Es habe auch wieder mehr Innungsbetriebe gegeben: 145 Handwerksbäckereien zählte Obermeisterin Lutum Anfang des Jahres. Das war wieder so viel wie 2014. Zu verdanken sei das vor allem Neugründungen von sogenannten "Hipster-Bäckern" in Berlin, sagt die Obermeisterin.

Auch sie hat ihren Betrieb in Charlottenburg vor wenigen Jahren neueröffnet. Sie produziert in Bio-Qualität und verwendet nur Dinkelmehl. Von den 20 Beschäftigten sind vier in Ausbildung. Probleme, die Stellen in der Backstube zu besetzen, habe sie nicht. Abiturienten und Studienabbrecher bewerben sich mittlerweile immer häufiger. Der Frauenanteil bei den Auszubildenden sei auch auf 35 Prozent angewachsen.

Von der Tierarztpraxis in die Backstube

Eine von ihnen ist die 43-jährige Nicole Winkler. Anfang September hat sie ihre Ausbildung zur Bäckerin angefangen. Lange habe sie überlegt, ob sie ihren Job als Tierärztin wirklich dafür aufgeben soll - nun hat sie es gewagt.

Bewusst habe sie sich für eine kleine Bäckerei entschieden, die handwerklich und ohne Backmittel arbeitet. Mit dem Backen habe sie schon bei ihrer Oma angefangen und seitdem gerne mit Teig gearbeitet, um sich zu entspannen. Für ihre Ausbildung hat sie vorher Geld angespart: Bäcker-Auszubildende bekommen im ersten Lehrjahr 645 Euro im Monat.

Ein weiterer Bonus: Für sie ist die Arbeit in der Backstube familienfreundlicher. Ihr Mann kümmert sich morgens um die beiden kleinen Kinder und sie kann nachmittags die Betreuung übernehmen. Als Tierärztin musste sie oft bis in den Abend arbeiten. Die Energiekrise bereitet Nicole Winkler derweil keine Sorgen, wie sie sagt. "Gute Qualität wird sich immer durchsetzen."

Sendung: rbb24 Abendschau, 14. September 2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Freya Reiß

45 Kommentare

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  1. 45.

    Dementsprechend schmecken auch diese aufgeblasenen Backwaren aus den Supermärkten. Ich bezahle lieber gerne mehr für ein vollwertiges Brot vom Bäcker meines Vertrauens.

  2. 44.

    Na ja so ganz unrecht hat #31 Sebastian nun auch nicht. Wir werden noch ganz andere Probleme als die jetzigen bekommen. Ohne Energie keine Produktion, ohne Arbeit kein Einkommen, keine Steuereinnahmen usw. usw.!
    Dann wird aus dem ehemaligen Exportweltmeister und Zahlmeister der EU ein arme Leute Land. Mal sehen wer uns dann noch hilft.

  3. 43.

    Kriege sind furchtbar und sinnlos, keine Frage. Ich würde die Antwort von Sebastian nicht als gefühllos bezeichnen, schlicht und ergreifend als Frust. Sind wir mal ehrlich: sehr viele sind gefrustet, ich übrigens auch.... Alle sind wir mehr oder weniger mit der Situation irgendwie überfordert. Erst das Gedöns um Corona, dann Krieg usw. Wie viele Unternehmen werden sich davon nie erholen und wir Bürger ebenfalls.. Es gibt genug "Baustellen" im eigenen Land... Alters- und Kinderarmut und und und

  4. 42.

    Den Grünen sind ja laut eigener Aussage die eigenen Wähler egal , solange sie aktiv am Krieg mitwirken können durch Waffenlieferungen . Also sind die Bäcker den Grünen völlig wurscht , Hauptsache Fr. Baerbock kann kann Krieg spielen .

  5. 41.

    Wie gefühllos! Sie wollen die Situation in der Ukraine, wo Menschen getötet und Städte zerstört werden, mit den Problemen in Deutschland vergleichen? Schrecklich.

  6. 40.

    Dafür bräuchte man aber auch fähige Politiker , diese haben wir zur Zeit nicht in der Regierung . Unser völlig überforderter Wirtschaftsminister ist das beste Beispiel wie man es nicht macht .

  7. 39.

    Brot ist ein Grundnahrungsmittel, was es wertzuschätzen gilt. Ich bin 1963 geboren und nur mit Bäckerbrot aufgewachsen; über die damaligen Preise reden wir nicht, da war es eh zu billig. Ich gehöre vom zur Verfügung stehenden Geld eher zur Unterschicht, aber ich habe noch nie Discounterbrot gekauft und werde es auch nie tun. Es gibt Dinge auf welche ich eher verzichten bzw. mich einschränken würde und werde. Für Familien ist ein Brotkauf natürlich teurer. Schätzen wir das Handwerk...

  8. 38.

    Das ist leider erst der Anfang, in Deutschland geht alles den Bach runter und unsere Politiker sprechen vom Wiederaufbau der Ukraine! Wenn das so weiter geht sollten unsere Politiker und ganz besonders die Grünen sich mit dem Wiederaufbau von Deutschland beschäftigen!

  9. 37.

    Wenn das Brot doppelt so teuer sein müsste, dann macht es teurer!
    Es gibt ja jetzt mehr Transferleistungen gerade wegen der gestiegenen Preise. Und die Rentner sammeln halt ein paar mehr Flaschen. Geht alles!

  10. 36.

    Ich kann nicht anders..die regierenden Politiker werden das Problem jedenfalls nicht gebacken bekommen..sorry..

  11. 35.

    Jeder der einen Brotbackautomat und die Zutaten hat. Lidl, Rewe, Kaufland, Baumärkte. Sind halt keine Bäcker.

  12. 34.

    "Und generell: In jeder Krise zeigt sich eben, was eher entbehrlich ist und was eher nicht. "
    Was ist das denn für eine egoistische Einstellung? Woher wollen Sie wissen was entbehrlich und was eher nicht ist?
    Wer bestimmt das?
    Für den Bäcker und Handwerker ist seine Firma unentbehrlich solange er seine Kunden erreicht, was ihm derzeit mehr als schwer gemacht wird, ohne dass er etwas daran ändern kann.
    Wollen Sie demnächst auch noch das Brot aus China hergeflogen bekommen?

  13. 33.

    Auch wenn Brot ein Grundnahrungsmittel ist, wurde es in den letzten Jahren einfach zu billig angeboten. Man kann es noch nach 2 Tagen gut essen. Also wertig .

  14. 32.

    Jede:r hat die Möglichkeit, dich politisch zu engagieren, auch ein:e Bäcker:in. Meckern ist immer leichter als besser MACHEN.
    Viele Menschen unterschätzen einfach die Komplexität der aktuellen Krisen und glauben, Politiker:innenbashing sei eine konstruktive Lösung. Ist es nicht.

  15. 31.

    „Schön für Sie. Ich hab's leider nicht so dicke. Ein Brot für fünf, sechs, sieben Euro oder ein Stück Kuchen für drei Euro kann ich mir nicht leisten.

    Und mal nebenher: Bei meinem hochgelobten Edelbäcker an der Ecke sind viele Brötchen schon morgens um acht labbrig.“

    Interessant - Sie kaufen diese hochpreisige Ware nicht, wissen aber natürlich, welche Qualität diese besitzt.

    Sicherlich finden Sie jetzt wieder eine Ausrede. ;-)

  16. 30.

    Richtig, der Kuchen muss in der Not nicht sein.

    Da kann man meckern wie man will.

  17. 28.

    Viele Handwerksbetriebe, die ansonsten gut finanziell aufgestellt sind, werden Insolvenz beantragen müssen.

    Die hohen Kostensteigerungen lassen sich nur teilweise auf den Kunden umlegen.

    Viele Bäcker, Wäschereien, Metzger und Speditionen wird es in wenigen Monaten nicht mehr geben.

    An diesen Insolvenzen sind keine unternehmerischen Fehlentscheidungen schuld.

  18. 27.

    " Die reden schon mit Habeck und Co. … Aber der bleibt stur. "

    was soll der machen ? er kann gar nichts machen, außer auf Betteltour gehen, ob Katar, Kanada oder auch Aserbeidschan, kein Erfolg, aber der Winter soll ja hier kein Problem sein , wer´s glaubt ? die Steuereinnahmen werden einbrechen mit allen Folgen, von außen betrachtet mag das spannend sein, aber hier ?

  19. 26.

    Schön für Sie. Ich hab's leider nicht so dicke. Ein Brot für fünf, sechs, sieben Euro oder ein Stück Kuchen für drei Euro kann ich mir nicht leisten.

    Und mal nebenher: Bei meinem hochgelobten Edelbäcker an der Ecke sind viele Brötchen schon morgens um acht labbrig. Aber vermutlich ist das wahre Handwerkskunst, die ich einfach nicht zu würdigen weiß.

    Und generell: In jeder Krise zeigt sich eben, was eher entbehrlich ist und was eher nicht.

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