Interview | Funklöcher in Brandenburg - "Wer beim falschen Netzanbieter ist, hat Pech"

Fr 30.09.22 | 06:01 Uhr
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Symbolbild: Eine junge Frau sitzt am 14.08.2019 an einem See in Hamburg und schaut auf ihr Smartphone (gestellte Szene). (Quelle: dpa/Christin Klose)
Bild: dpa/Christin Klose

Lasche Auflagen für die Mobilfunk-Betreiber, wenig Konkurrenz und hohe Ausgaben für Frequenzen statt fürs Netz: Dass man in Brandenburg immer noch häufig im Funkloch steckt, hat viele Gründe. Netzexperte Tomas Rudl erklärt sie und nennt mögliche Lösungen.

rbb|24: Herr Rudl, wieso gibt es in Brandenburg immer noch so viele Funklöcher?

Tomas Rudl: Es ist eine Kombination aus mehreren Gründen. Zum einen liegt es daran, dass die Nutzung der Frequenzen für die Mobilfunkbetreiber an Bedingungen geknüpft ist. In der Vergangenheit war es immer so, dass nicht 100 Prozent der Bevölkerung und erst recht nicht 100 Prozent der Fläche versorgt werden mussten, um eine Frequenz zu bekommen. Dazu kommt, dass ein einziger Betreiber ein bestimmtes Gebiet ausbauen und vernetzen musste - und damit galt das Gebiet als versorgt. Das heißt, wenn man beim falschen Mobilfunkbetreiber Kunde oder Kundin war, dann hatte man möglicherweise Pech.

Zur Person

Tomas Rudl, Netzpolitik.org (Quelle: Darja Preuss)
Darja Preuss

Tomas Rudl ist Redakteur bei netzpolitik.org und außerdem Experte für digitale Infrastruktur.

Außerdem ist Brandenburg eben dünn besiedelt. Wenn die Bedingungen wie bisher an Haushalte und nicht an die Fläche gebunden sind, dann ergeben sich kaum marktwirtschaftliche Anreize für die Mobilfunkbetreiber, diese Flächen überhaupt auszubauen. Und schließlich gab es in Deutschland lange Zeit nur drei Netzbetreiber, die eigene Infrastruktur aufgebaut und sich teils vor allem auf Ballungsgebiete konzentriert haben. Das hat den Marktdruck erheblich gesenkt. Wenn es vier oder fünf Netzbetreiber gegeben hätte, mit entsprechenden Versorgungsauflagen, die an die Fläche gekoppelt worden wären, dann wäre der Netzausbau sicher weiter.

Netzanbieter beklagen, dass die Frequenz-Nutzungsrechte in der Vergangenheit zu teuer gewesen seien und entsprechend Geld für den Netzausbau gefehlt habe. Hätten die Rechte günstiger sein müssen?

Grundsätzlich ist das eine Entscheidung der Mobilfunkbetreiber selbst, wieviel sie bereit sind zu investieren. In den Nullerjahren, als Goldgräberstimmung herrschte, wurden tatsächlich bei einigen Auktionen horrende Summen ausgegeben. Das hat sicher dazu geführt, dass für den Netzausbau weniger Geld zur Verfügung stand. Allerdings hat das auch dazu geführt, dass Netzbetreiber das lange als Ausrede genutzt haben. Auf den letzten Auktionen wurde schon viel weniger Geld ausgegeben.

In Deutschland sind Mobilfunkpreise im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hoch, insbesondere auch, was das Datenvolumen betrifft. Die Abdeckung hingegen ist eher schlecht.

Die Netzanbieter behaupten, schon jetzt Brandenburg nahezu flächendeckend mit mindestens 4G zu versorgen. Wieso hat man an vielen Orten dennoch kein Netz?

Was die Mobilfunkbetreiber angeben, ist die Zahl der versorgten Haushalte. Wenn da gar keine oder nur sehr wenige Haushalte auf einer Fläche vorhanden sind, dann fällt dieses Gebiet aus der Statistik raus. Auf diese Zahlen sollte man nicht hereinfallen.

Bei der letzten Frequenz-Auktion hat die Bundesnetzagentur neue Bedingungen für die Mobilfunkbetreiber erlassen - die sogenannten Versorgungsauflagen. Reichen die neuen Regelungen aus, um genügend Anreize zu schaffen, den Netzausbau in Brandenburg voranzutreiben?

Die neuen Versorgungsauflagen sind deutlich besser als in der Vergangenheit. 98 Prozent der Haushalte müssen künftig mit Netz versorgt werden. Außerdem müssen wichtige Bundesstraßen, Wasserwege und Zugstrecken vollständig, unterbrechungsfrei versorgt werden. Zu beachten ist aber weiterhin, dass es sich bei ersterem nur um Haushalte handelt und nicht um die gesamte Fläche. Weiße Flecken werden also auch mit diesen Auflagen bestehen bleiben.

Welche Auflagen würden die weißen Flecken abschaffen?

Der Bundesnetzagentur steht es frei, die Auflagen selbst zu bestimmen. Die Frage ist, ab welchem Punkt ist das volkswirtschaftlich sinnvoll und wann nicht. In den Auflagen könnte es heißen, dass 100 Prozent der Fläche versorgt werden müssen. Die Frage stellt sich dann, ob das von allen Betreibern erfüllt werden müsste oder ob es da Kooperationsmöglichkeiten geben könnte. Die Bundesnetzagentur könnte die Betreiber zu einer besseren Zusammenarbeit zwingen, was die Infrastruktur angeht. Das hieße, die Betreiber teilen sich einen Teil der Infrastruktur wie Funkmasten und Stromversorgung. Es besteht auch die Möglichkeit, lokales Roaming anzuordnen. Wenn man ins Ausland fährt, dann wählt sich das Handy ja auch automatisch in das Netz eines ausländischen Mobilfunkbetreibers ein.

Bislang muss jeder Netzbetreiber seine eigene Infrastruktur aufbauen?

Im Moment ist es überwiegend so, dass jeder Netzbetreiber die Infrastruktur selbst aufbaut. Das ist natürlich angesichts der Größe Deutschlands ein ziemlich teures Unterfangen: Es müssen Masten und Funktechnik aufgestellt werden, die Stromversorgung muss hergestellt werden. Das dauert, das kostet. Dadurch dass es bislang nur drei Anbieter mit wenig Marktdruck gab, nämlich Telekom, Vodafone und Telefónica, hat sich das ganze verzögert. Demnächst kommt ein vierter Anbieter hinzu - 1&1 - der selbst auch angekündigt hat, mittel- und langfristig eigene Infrastruktur zu bauen. Dadurch steigt natürlich der Wettbewerbsdruck.

Schätzen Sie es als realistisch ein, dass der Empfang in absehbarer Zeit besser wird?

Soweit ich weiß, wurden in Brandenburg in letzter Zeit immerhin Zugstrecken viel besser ausgebaut. Außerdem soll es künftig einfacher werden, neue Mobilfunkmasten aufzustellen. Also tut sich durchaus etwas. Bis die Bundesnetzagentur die ihr zur Verfügung stehenden Hebel umlegt und diese dann auch ihre Wirkung entfalten, wird es noch etwas dauern. Eine signifikante Besserung würde ich daher kurzfristig nicht erwarten. Aber mittelfristig ist zumindest durch die verbesserten Versorgungsauflagen zu erwarten, dass es in den nächsten Jahren besser wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24.

11 Kommentare

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  1. 11.

    Vor allem vom Auto aus.selten so gelacht.Bloss kein Unfall im Umland,wer weiß ob da ein Netz zu erreichen ist.

  2. 10.

    Dann ist das immer noch so. Wir haben vor Jahren regelmäßig am Wirchensee Urlaub gemacht. Da war ich der Einzige in der Familie, der an einigen Stellen mit dem T-Netz Verbindung hatte. Alle anderen, mit verschiedenen Anbietern, blieben ohne Netz. In den Wäldern der Umgebung war es genauso.

  3. 9.

    Dafür gibt es ja ein Festnetztelefon. Und das hat ja nun langsam wirklich jeder. Früher ging das ja auch ohne Handy, als es diese noch nicht gab!!!!!!

  4. 8.

    Ja, besonders schön wird es dann, wenn Hilfe benötigt wird, beispielsweise Notarzt, Feuerwehr oder Polizei. Da wird Ihnen hier, am Rande der Schrfheide, ganz schnell die romantische Ader vergehen.

  5. 7.

    Ich bekomme mindestens 2x tgl. Nachricht, das ich im polnischen Tarifbereich (EU) bin. (Ich in Eisenhüttenstadt). Bin bis voriges Jahr ärztliche Hausbesuche gefahren Bereich Eisenhüttenstadt bis fast Guben, und war sehr oft auf den ländlichen Straßen telefonisch nicht erreichbar

  6. 6.

    Die Netzbetreiber sind in einer starken Position: Weil sie die Lizensgelder von uns zirückhaben wollen... und noch viel mehr. Der Staat verkauft etwas, was ihm gar nicht gehört: die „Luft“. Ohne eine wirkliche Leistung. Auflagen, so wie Herr Rudi das hier beschreibt, sind deshalb naiv, weil man „Verkaufsfehler“ so nicht heilen kann. Das Geld ist erstmal weg. Anders, wenn man das Geld selber für eine staatliche Infrastruktur an Funknetzen eingesetzt hätte. Die Einnahmen kann man noch heute für dünn besiedelte Gebiete zurückgeben. Wer zahlt der bestimmt. Anreize sind der Motor, Auflagen von Leuten, die kassiert haben und Gängeleien bewirken das Gegenteil. Bei Kindern weiß man das.
    Es ist offensichtlich, was gut ist für die Menschen und was nicht.

  7. 5.

    Das sind doch alles nur Ausreden der Netzbetreiber. In anderen, wesentlich dünner besiedelten Ländern klappt es doch auch (Norwegen, Dänemark, Schweden). Teilweise sind die selben Konzerne am Start. Aber mit uns kann man es ja machen, bzw. die Regierung lässt sie machen.

  8. 4.

    Das wäre zu schön. Fahren Sie mal die B112 Richtung Süden. Nach Eisenhüttenstadt hört der Empfang auf, in allen deutschen Netzen. Nächste Chance auf eine Telefonverbindung ist dann in der Nähe von Guben.
    Komisch... die polnischen Netze dringen bis dort durch. Man bekommt jede Menge Willkommens- SMS.

  9. 3.

    Wenn man im europäischen Ausland ist, hat man meist eine deutlich besser Abdeckung. Auf den Bahnstrecken Fürstenberg-Berlin und Eberswalde-Berlin gibt es nichts, tw. nicht einmal entlang der B96 als Bundesstraße.
    Aber das Problem liegt eben darin, dass jeder Anbieter sein Netz hat. Warum eine Nutzung durch Kunden eines anderen Anbieters nicht möglich zu machen ist, das ist die Frage. Die Standorte für Funkmasten sind schließlich auch begrenzt und die Technik kostet, da würde es mehr Sinn machen, diese auch allen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Bei Strom / Gas / Festnetz / Eisenbahn wird auch eine Nutzung der Infrastruktur ermöglicht.

  10. 2.

    Man sollte sich im ersten Schritt darauf konzentrieren, dass Bundesstraßen, Autobahnen, Wasserwege und Zugstrecken vollständig und unterbrechungsfrei versorgt sind. Dann kann man sich davon ausgehen um die angrenzende Umgebung schrittweise kümmern.

  11. 1.

    Gibt's etwas schöneres als ein Funkloch? Keine nervigen Handys. Kein lautes telefonieren von Leuten, deren Gespräch man zwangsläufig ausgeliefert ist. Kein ständiges aufs Handy glotzen. Leute sehen dort noch, wo sie überhaupt hinlaufen. Realisieren ihre Umgebung. Ach, solche Orte ohne Funk sind doch die schönsten.

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