Interview | Funklöcher in Brandenburg - "Wer beim falschen Netzanbieter ist, hat Pech"
Lasche Auflagen für die Mobilfunk-Betreiber, wenig Konkurrenz und hohe Ausgaben für Frequenzen statt fürs Netz: Dass man in Brandenburg immer noch häufig im Funkloch steckt, hat viele Gründe. Netzexperte Tomas Rudl erklärt sie und nennt mögliche Lösungen.
rbb|24: Herr Rudl, wieso gibt es in Brandenburg immer noch so viele Funklöcher?
Tomas Rudl: Es ist eine Kombination aus mehreren Gründen. Zum einen liegt es daran, dass die Nutzung der Frequenzen für die Mobilfunkbetreiber an Bedingungen geknüpft ist. In der Vergangenheit war es immer so, dass nicht 100 Prozent der Bevölkerung und erst recht nicht 100 Prozent der Fläche versorgt werden mussten, um eine Frequenz zu bekommen. Dazu kommt, dass ein einziger Betreiber ein bestimmtes Gebiet ausbauen und vernetzen musste - und damit galt das Gebiet als versorgt. Das heißt, wenn man beim falschen Mobilfunkbetreiber Kunde oder Kundin war, dann hatte man möglicherweise Pech.
Außerdem ist Brandenburg eben dünn besiedelt. Wenn die Bedingungen wie bisher an Haushalte und nicht an die Fläche gebunden sind, dann ergeben sich kaum marktwirtschaftliche Anreize für die Mobilfunkbetreiber, diese Flächen überhaupt auszubauen. Und schließlich gab es in Deutschland lange Zeit nur drei Netzbetreiber, die eigene Infrastruktur aufgebaut und sich teils vor allem auf Ballungsgebiete konzentriert haben. Das hat den Marktdruck erheblich gesenkt. Wenn es vier oder fünf Netzbetreiber gegeben hätte, mit entsprechenden Versorgungsauflagen, die an die Fläche gekoppelt worden wären, dann wäre der Netzausbau sicher weiter.
Netzanbieter beklagen, dass die Frequenz-Nutzungsrechte in der Vergangenheit zu teuer gewesen seien und entsprechend Geld für den Netzausbau gefehlt habe. Hätten die Rechte günstiger sein müssen?
Grundsätzlich ist das eine Entscheidung der Mobilfunkbetreiber selbst, wieviel sie bereit sind zu investieren. In den Nullerjahren, als Goldgräberstimmung herrschte, wurden tatsächlich bei einigen Auktionen horrende Summen ausgegeben. Das hat sicher dazu geführt, dass für den Netzausbau weniger Geld zur Verfügung stand. Allerdings hat das auch dazu geführt, dass Netzbetreiber das lange als Ausrede genutzt haben. Auf den letzten Auktionen wurde schon viel weniger Geld ausgegeben.
In Deutschland sind Mobilfunkpreise im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hoch, insbesondere auch, was das Datenvolumen betrifft. Die Abdeckung hingegen ist eher schlecht.
Die Netzanbieter behaupten, schon jetzt Brandenburg nahezu flächendeckend mit mindestens 4G zu versorgen. Wieso hat man an vielen Orten dennoch kein Netz?
Was die Mobilfunkbetreiber angeben, ist die Zahl der versorgten Haushalte. Wenn da gar keine oder nur sehr wenige Haushalte auf einer Fläche vorhanden sind, dann fällt dieses Gebiet aus der Statistik raus. Auf diese Zahlen sollte man nicht hereinfallen.
Bei der letzten Frequenz-Auktion hat die Bundesnetzagentur neue Bedingungen für die Mobilfunkbetreiber erlassen - die sogenannten Versorgungsauflagen. Reichen die neuen Regelungen aus, um genügend Anreize zu schaffen, den Netzausbau in Brandenburg voranzutreiben?
Die neuen Versorgungsauflagen sind deutlich besser als in der Vergangenheit. 98 Prozent der Haushalte müssen künftig mit Netz versorgt werden. Außerdem müssen wichtige Bundesstraßen, Wasserwege und Zugstrecken vollständig, unterbrechungsfrei versorgt werden. Zu beachten ist aber weiterhin, dass es sich bei ersterem nur um Haushalte handelt und nicht um die gesamte Fläche. Weiße Flecken werden also auch mit diesen Auflagen bestehen bleiben.
Welche Auflagen würden die weißen Flecken abschaffen?
Der Bundesnetzagentur steht es frei, die Auflagen selbst zu bestimmen. Die Frage ist, ab welchem Punkt ist das volkswirtschaftlich sinnvoll und wann nicht. In den Auflagen könnte es heißen, dass 100 Prozent der Fläche versorgt werden müssen. Die Frage stellt sich dann, ob das von allen Betreibern erfüllt werden müsste oder ob es da Kooperationsmöglichkeiten geben könnte. Die Bundesnetzagentur könnte die Betreiber zu einer besseren Zusammenarbeit zwingen, was die Infrastruktur angeht. Das hieße, die Betreiber teilen sich einen Teil der Infrastruktur wie Funkmasten und Stromversorgung. Es besteht auch die Möglichkeit, lokales Roaming anzuordnen. Wenn man ins Ausland fährt, dann wählt sich das Handy ja auch automatisch in das Netz eines ausländischen Mobilfunkbetreibers ein.
Bislang muss jeder Netzbetreiber seine eigene Infrastruktur aufbauen?
Im Moment ist es überwiegend so, dass jeder Netzbetreiber die Infrastruktur selbst aufbaut. Das ist natürlich angesichts der Größe Deutschlands ein ziemlich teures Unterfangen: Es müssen Masten und Funktechnik aufgestellt werden, die Stromversorgung muss hergestellt werden. Das dauert, das kostet. Dadurch dass es bislang nur drei Anbieter mit wenig Marktdruck gab, nämlich Telekom, Vodafone und Telefónica, hat sich das ganze verzögert. Demnächst kommt ein vierter Anbieter hinzu - 1&1 - der selbst auch angekündigt hat, mittel- und langfristig eigene Infrastruktur zu bauen. Dadurch steigt natürlich der Wettbewerbsdruck.
Schätzen Sie es als realistisch ein, dass der Empfang in absehbarer Zeit besser wird?
Soweit ich weiß, wurden in Brandenburg in letzter Zeit immerhin Zugstrecken viel besser ausgebaut. Außerdem soll es künftig einfacher werden, neue Mobilfunkmasten aufzustellen. Also tut sich durchaus etwas. Bis die Bundesnetzagentur die ihr zur Verfügung stehenden Hebel umlegt und diese dann auch ihre Wirkung entfalten, wird es noch etwas dauern. Eine signifikante Besserung würde ich daher kurzfristig nicht erwarten. Aber mittelfristig ist zumindest durch die verbesserten Versorgungsauflagen zu erwarten, dass es in den nächsten Jahren besser wird.