Forderung nach schnellen Hilfen - Energiepreise treiben immer mehr Betriebe in die Pleite

Do 06.10.22 | 10:06 Uhr | Von Nico Hecht
  109
Brote liegen in einem Regal in einer Handwerksbäckerei (Quelle: imago images/Frank Hoermann).
Audio: rbb | 04.10.2022 | Nico Hecht | Bild: imago images/Frank Hoermann

95 Jahre gibt es die Bäckerei Plessow in Teschendorf bereits. Doch die steigenden Energiepreise setzen dem Betrieb zu. So ergeht es anderen Unternehmen auch. Eine Verschuldung ist für einige die einzige Option. Sie hoffen daher auf schnelle Hilfen. Von Nico Hecht

Bäckerfamilie Plessow hat schon viele Krisen überstehen müssen. Aber im Moment ist es besonders schwierig, sagt Meister Fred Plessow. Diese Woche feiert der Betrieb in Teschendorf bei Oranienburg (Oberhavel) sein 95-jähriges Bestehen. Aber die immer weiter steigenden Energiekosten würden ihm und den Mitarbeitern die Jubiläumsstimmung verhageln, sagt der Bäcker: "Es ist belastend gerade. Man würde gerne so schöne Sachen machen, hat aber nur noch mit Preisanpassung und Bürokratie zu tun. Das macht keinen Spaß."

Energierechnungen in drei- bis achtfacher Höhe

Zweimal habe Fred Plessow in den letzten Monaten schon die Preise erhöhen müssen, sagt er. Er sei selbst erstaunt, wie viel Verständnis seine Kunden bisher dafür haben. Seine Gasrechnung sei von 850 Euro im Monat auf 2.440 Euro gestiegen, berichtet der Bäcker. Deshalb müsse er jetzt sogar prüfen, ob die letzte Preiserhöhung für Brot und Brötchen überhaupt ausreiche.

Mit einer dreimal so großen Rechnung wie im Vorjahr liege die Teschendorfer Bäckerei im unteren Durchschnitt von dem, was die Betriebe in Brandenburg gerade verkraften müssen, sagt der Präsident der Handwerkskammer Potsdam, Robert Wüst. Es würden sich Betriebe melden, die beim Gas von Erhöhungen bis auf das Achtfache berichten. Das könnten die Betriebe allein nicht mehr stemmen, meint Wüst. Wenn Bund und Land jetzt nicht unterstützten, stünde Brandenburg vor einem Sterben vieler Handwerksbetriebe.

Alle Branchen betroffen

Besonders gefährdet seien die Firmen in energieintensiven Branchen. Aber es müssten alle Handwerker mit den Energiepreisen auf Rekordniveau kämpfen, egal ob Metall-, Bäcker- oder Kosmetikhandwerker, so Wüst. Sehr deutlich werde das bei den Bäckereien.

Es sei bereits so weit, dass jeden Tag Betriebe schließen, sagt der Innungsobermeister in Berlin und Brandenburg, Tobias Exner. Seine Kollegen könnten nur begrenzt gestiegene Kosten an Kunden weiterreichen. Um den Rest stemmen zu können, bliebe dann oft nur noch, neue Kredite aufzunehmen.

Das würden in Brandenburg aber viele Handwerker nicht können oder wollen. "Es gibt viele Unternehmer, die jetzt vor der Entscheidung stehen: Schließe ich mein Unternehmen oder hänge ich mir zehn Jahre vor der Rente noch einmal ein paar Hunderttausend Euro Schulden an die Nase", sagt der Brotsommelier aus Beelitz.

Schnelle Geldzuschüsse gefordert

Bei diesen großen Sorgen dauere es den Handwerkern in Brandenburg viel zu lange, bis die Hilfen aus dem dritten Entlastungspaket des Bundes wirklich auf den Weg kommen, sagt der Präsident der Handwerkskammer Potsdam Robert Wüst. Die Betriebe bräuchten dringend die Strom- und Gaspreisbremsen. Das sei das Wichtigste.

Er fordere jetzt schnelle und unbürokratische Hilfen. Und er denke dabei nicht an Kredite. Denn diese entwickelten sich schnell zu zusätzlichen Belastungen. Das hätten die Hilfskredite in der Coronapandemie gezeigt. Er denke an Zuschüsse von Land und Bund für betroffene Betriebe.

Hilfen wohl ab Dezember

Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach hofft auf schnelle Entlastungen. Er erinnert aber daran, dass eine Gaspreiskommission bis Mitte Oktober Zeit hätte, Vorschläge zu machen. Steinbach geht davon aus, dass die Erleichterungen durch die Strom- und Gaspreisbremse ab Dezember die Verbraucher und Handwerker erreichen werden.

Für zusätzliche Brandenburger Hilfen wäre es aber notwendig, dass der Bund eine Notlage erklärt. Das brauche es, um trotz geltender Schuldenbremse neue Kredite aufnehmen zu können, mit denen die Hilfen finanziert werden könnten, so Steinbach.

Aufforderungen von verschiedenen Oppositionspolitikern im Brandenburger Landtag, die Notlage allein für das Bundesland zu erklären, lehnt der Wirtschaftsminister ab. Man müsse davon ausgehen, dass diese Erklärungen juristisch angefochten würden, erklärt Steinbach. Wenn dann der Bund keine Notlage erkenne, sei es bei Gericht schwierig, eine Notlage als einzelnes Bundesland zu rechtfertigen.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 04.10.2022, 19:30 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 07.10.2022 um 18:16 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Nico Hecht

109 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 109.

    Mit dem Wasserstoff gebe ich Ihnen Recht langfristig sollen die Gaskraftwerke mit Wasserstoff betrieben werden, wenn es technologisch ausgereift ist. Aber solange wird es noch Gas sein und wiel lange es dauert bis die Wasserstofftechnologie greift kann aber aktuell noch niemand genau sagen. Dem Bäckerhandwerk fliegen aber gerade jetzt die Gaspreise um die Ohren und wieviele sich dann eine alternative Umrüstung leisten können steht auch noch in den Sternen, viele kleine Läden werden auf der Strecke bleiben.

  2. 108.

    Dann versuchen Sie mal, mit einem US-Mobilfunkvertrag der Telekom hier zu telefonieren. Ich hoffe, Sie haben ein entsprechendes finanzielles Polster. Auch dürfte Ihnen ein rumänischer Mobilfunkvertrag auf Dauer wenig Freude bereiten, wenn Sie den hauptsächlich in Deutschland nutzen.

  3. 107.

    Und weil das Ihrer Meinung nach unterm Strich ach so teuer ist, importiert u.a. Frankreich seit Jahren immer mehr Flüssiggas. Man muss schon ein ziemlich schlechter Kaufmann sein, wenn man die Lieferkosten etc. nicht berücksichtigt.

  4. 106.

    Der eine Kommentar war wohl nicht an mich gerichtet.
    Und die Telekom AG ist auf dem Weltmarkt tätig und gehandelt.
    So viel dazu.

  5. 105.

    Ihre aktuelle Angst vor einer Dunkelflaute ist unbegründet. Bis die letzten Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, werden noch einige Jahre vergehen. Dabei haben Sie zudem ausgeblendet, was neulich breit Thema in den überregionalen Medien gewesen ist: Die Taxonomie der EU sieht vor, dass neue Gaskraftwerke grundsätzlich für Wasserstoff tauglich sein müssen. Im Übrigen auch an Sie der Hinweis, dass das US-Gas ebenfalls zum Weltmarktpreis gehandelt wird. Zudem können Tanker flexibler eingesetzt werden als Öl- und Gaspipelines.

  6. 104.

    Ein Großteil der Kommentare werden dem Bäcker nicht helfen und das Grundproblem der Gaspreise nicht lösen! Die aktuelle Gaspreisentwicklung hat sich bereits vor dem Ukrainekrieg abgezeichnet. Kein Politiker in Europa hat den A… in der Hose, einzugestehen, daß Fehler in der Bewertung der wirtschaftlichen Maßnahmen der EU gemacht wurden. Einen Fehler kann man verzeihen – auf einen Fehler beharren, ruft nur Enttäuschung und Ablehnung hervor.

  7. 103.

    Hr Neumann und das amerikanische Fracking Gas ist billig? Laut Handelsblatt beträgt die Gewinnung, die Beladung und der Transport nach Europa ca 60Millionen Dollar, verkauft wird es hier für ca 271Millionen Dollar. Das wäre ungefähr das dreifache also auch nicht gerade billig. Ein amerikanischer Politiker hat mal gesagt "Wir haben in Europa keine Freunde, sondern nur Intressen unsere Intressen. " Und wenn Sie hier von den EE schreiben, eine Studie aus dem Jahre 21 hat ergeben das wenn wir die Kohle und Atomkraftwerke abschalten uns ca 16 Gigawatt Strom im Netz fehlen und deshalb um die Stromversorgung stabil zu halten neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von ca 20Gigawatt gebaut werden müssten um bei Dunkelzeiten wo EE nicht ins Netz einspeisen die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt. Wo bitte soll dieses Gas herkommen und dann sind wir wieder von anderen Ländern abhängig und die lassen sich das natürlich auch gut bezahlen, der Leidtragende werden wir sein.

  8. 102.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 07.10.2022 um 16:40

    Ich denke nach, nicht vor.

  9. 101.

    Gas ist kein virtuelles Gut und muss daher nicht nur gehandelt werden, sondern auch transportiert. Deswegen gibt es weltweit unterschiedliche Lieferkonditionen und nicht nur den Börsenpreis.

  10. 100.

    Wie realistisch sind Gaslieferungen der Ukraine noch diesen Winter? Die Ukraine hat zwar angeboten, Strom in die EU zu exportieren. Würden Sie für die fernere Zukunft einen Cent investieren, wenn Sie damit rechnen müssen, dass eine iranische Angriffsdrohne von Putin Ihre Investitionen zu nichte machen könnte?

  11. 99.

    Dass Sie die USA nicht mögen, ist nichts neues. Nur wird auch deren Gas auf dem Weltmarkt gehandelt.

  12. 98.

    Telekommunikationsdienstleistungen werden allerdings nur selten auf dem Weltmarkt gehandelt.

  13. 97.

    Der typische Handwerker ist mit als LKW zugelassenen Fahrzeugen unterwegs wie Sie gerne den Anteil der Taxis (in Berlin es inkl. Uber und Co. rd. 9.500 von 1.241.793. PKW) herausrechnen können. Und was spricht dagegen, auch geschäftlich motivierten Fahrten mit alternativ angetriebenen Fahrzeuge vorzunehmen? Wo habe ich hier den Individualverkehr erwähnt?

  14. 96.

    Russland hat traditionsgemäß viele Potjemkinschen Dörfer gebaut, die durch Putins dummes Vorgehen fallen. Aber über eines sollte man sich bei einem Land, welches den 1. Menschen in den Weltraum geschossen hat, schon im Klaren sein. Sie sitzen auf riesigen Mengen von Massenvernichtungswaffen die auch real funktionieren.
    Je nach dem wie man rechnet, ob nun größte oder zweitgrößte Atommacht; würden sie tatenlos zusehen, wenn der Gegenspieler ihre Anlagen zerstört? Garantiert nicht. Zumindest müsste die USA mit einer kräftigen Antwort Russlands rechnen. Wenn sie sich die Geschichte im kalten Krieg vergegenwärtigen, haben beide Player alles erdenkliche getan, den anderen nicht zum äußersten Schritt zu drängen.
    Dass das nicht alles Worthülsen sind, können sie an der Kuba-Krise studieren. Kennedy hätte ohne Einlenken Chruschtschow's Kernwaffen eingesetzt, soviel ist sicher.

  15. 95.

    Putins überteuertes Gas, das nur einen Bruchteil des Amigases gekostet hat, haben wir immer gern genommen und werden es auch weiterhin tun, sobald das nicht mehr Putins Gas heißt. So dicke Freunde sind wir mit Amerika auch nicht, dass wir uns von denen länger als unbedingt notwendig beliefern lassen. Das können wir uns gar nicht leisten.

  16. 94.

    Aber @Gerhard hat mit seinen Andeutungen schon einen Punkt. Die Ukraine verfügt nicht nur über die größten Gasspeicher Europas, sondern sitzt selbst auch auf großen, noch teils unerschlossenen, Erdgas und Erdölvorkommen. Und die Ukraine hat auch Felder im sichereren Westen. Es waren teilweise alte Dekrete der Ukraine die einen verstärkten Brennstoffexport unterbanden.
    Insofern ist die Erwartungshaltung @Gerhards den Westen im Gegenzug zukünftig mit eigenen Gasexporten zu unterstützen, nicht ganz unbegründet. Polnisches Erdgas (von Polen geordertes Erdgas) wird bereits in der Ukraine in riesigen Mengen eingelagert.
    Also kurz um, die Ukraine kann hier für seine westlichen Partner im Ausgleich auch einen wichtigen Beitrag leisten, dass negative Energie-Feedback Russlands auf die EU-Sanktionen nachhaltig zu dämpfen.

  17. 93.

    Im Vergleich wozu???
    Auch in DE zahlt man für die Telekom mehr als z.B. in Osteuropa - und nu?
    Meinen Sie dass das Gas von Anderen früher etwa billiger in DE gewesen wäre?
    Sehr dünnes Eis..

  18. 92.

    Moskau wird freuen, werden die größten bekannten Erdgasvorkommen der Ukraine doch in der Region Donezk vermutet. Die Kremlins sind damit auch einer der Gründe, warum die Bestrebungen zur Erschließung der Gasvorkommen bisher nur zaghaft erfolgen. Das überteuerte Gas Putins dürfte anders als bisher so schnell hier keine Marktchancen haben.

  19. 91.

    Und wieviel davon ist jetzt der von Ihnen als beispiel gebrachte Individualverkehr? Das kann man doch unmöglich alles unter PKW einsortieren, da niemals alle PKW-Fahrten in die Rubrik Individualverkehr fallen, sondern auch geschäftlich motiviert sind (schon allein der Taxiverkehr und Handwerker).

  20. 90.

    Die Ukraine exportiert noch überschüssiges selbst gefördertes Erdgas? Haben die überhaupt noch genug eigene Produktionskapazitäten, um den Energiehunger einer Armee im Krieg selbst zu stillen oder sind die Momentan nicht eher auf die Hilfe der Freunde aus der EU bei Energierohstoffen angewiesen?

Nächster Artikel