Erster Ausstand seit mehr als 15 Jahren - Hunderte Charité-Ärzte in Warnstreik getreten

Mi 05.10.22 | 14:32 Uhr
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Ärzte stehen bei einem eintägigen Warnstreik des Marburger Bunds am 05.10.2022 an der Charité. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Video: rbb24 | 05.10.2022 | Bild: dpa/Fabian Sommer

Ärzte, die die Arbeit niederlegen? Das gab es an der renommierten Berliner Charité seit 15 Jahren nicht mehr. Am Mittwoch ist es nach über zweieinhalb Jahren Pandemie-Belastungen jedoch wieder soweit. Sie fordern unter anderem mehr Lohn.

Für eine bessere Bezahlung und verträglichere Arbeitsbedingungen sind Ärztinnen und Ärzte der Berliner Charité am Mittwoch in einen Warnstreik getreten. Sie versammelten sich nach einem Aufruf der Gewerkschaft Marburger Bund am Vormittag nahe dem Bettenhochhaus in Mitte zu einer Kundgebung.

Viele der Streikenden trugen weiße Arztkittel und Trillerpfeifen. Auf Plakaten waren Sätze zu lesen wie: "Täglich Leben retten, ohne selbst eins zu haben", "Keine Frau, keine Kinder, nicht mal Zeit für Tinder" und "Come in and burn out". Laut Gewerkschaft nahmen rund 1.000 Menschen an der Kundgebung teil.

"Ich liebe meinen Beruf, so wie wahrscheinlich alle, die auf diesem Platz stehen heute", sagte Intensivmediziner Tim Arnold. Doch mit den aktuellen Bedingungen könne es nicht weiter gehen. "Ich habe die Schnauze voll, ich will kein Held mehr sein", ergänzte er.

Erster Ärzte-Streik seit mehr als 15 Jahren

Der Warnstreik-Aufruf erstreckt sich laut Gewerkschaft auf die rund 2.700 Ärztinnen und Ärzte an den Standorten in Mitte, Wedding und Steglitz. Ein Notdienst wird nach Gewerkschaftsangaben sichergestellt. Laut Marburger Bund ist es seit mehr als 15 Jahren das erste Mal, dass Ärzte an Europas größter Universitätsklinik in den Ausstand gehen.

"Der Umfang der Streikteilnahme wurde uns im Vorfeld nicht konkret kommuniziert", teilte die Charité am Mittwoch mit. Aufgrund des Warnstreiks hätten Eingriffe verschoben werden müssen. Man bemühe sich, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten.

Jana Reichardt, Mitglied im Marburger Bund und der Tarifkommission, kritisierte am Mittwoch, dass es im Vorfeld des Warnstreiks zu "Einschüchterungsversuchen" gekommen sei. Dabei seien Mitarbeitende unter Druck gesetzt worden. Die Charité teilte auf Anfrage mit, dass der Vorstand "selbstverständlich die verfassungsrechtliche Garantie des Streikrechts" respektiere. "Eine Einflussnahme von unserer Seite hat es keinesfalls gegeben und wird klar und deutlich abgelehnt."

Klinik-Angebot für Gewerkschaft nicht ausreichend

Hintergrund des Warnstreiks sind Verhandlungen über eine Weiterentwicklung des Haustarifvertrags. Zu den Kernforderungen der Gewerkschaft zählen eine lineare Erhöhung beim Gehalt um 6,9 Prozent, zusätzliche Vergütungsstufen für Fach- und Oberärzte und verlässlichere Dienstpläne. Außerdem sollen maximal vier Bereitschaftsdienste pro Monat geleistet werden müssen und gestaffelte Zuschläge für kurzfristiges Einspringen gezahlt werden. Verwiesen wird auch auf die hohen Belastungen im Zuge der Pandemie.

Ein Charité-Sprecher hatte zu der Warnstreikankündigung auf Anfrage mitgeteilt, dass sich die Verhandlungen durch eine Vielzahl an Themen "sehr komplex, aber konstruktiv" gestalteten. Angestrebt werde eine gute Lösung für alle Seiten. Die Charité habe ein "differenziertes Paket mit Angeboten zu Arbeitszeit und Entlastung, Fort- und Weiterbildung, Entbürokratisierung und Gleichstellung" vorgelegt.

Die Charité zählt mit konzernweit rund 21.000 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern Berlins.

Protestwoche der Brandenburger Hausärzte

In Brandenburg geht derweil der Protest der Hausärzte weiter. Viele von ihnen bieten in dieser Woche nur eingeschränkte Sprechzeiten an. Damit protestieren die Medizinerinnen und Mediziner gegen Pläne der Bundesregierung. Demnach sollen bestimmte Leistungen für Neupatienten künftig nicht mehr bezahlt werden.

Kritisiert wird auch, dass nur Krankenhäuser finanzielle Unterstützung vom Land wegen der hohen Inflation und Energiekosten erhalten sollen. Gerade nach den Mehrbelastungen durch die Corona-Pandemie, fühlten sich die Kolleginnen und Kollegen durch die geplanten Einsparungen ungerecht behandelt, sagte die Vorsitzende des Hausärzteverbands Brandenburg, Karin Harre, am Dienstag dem rbb.

Die Politik müsse die Rahmenbedingungen stattdessen finanziell weiter verbessern. So müssten Ärztinnen und Ärzte, die sich in Brandenburg niederlassen wollen, Planungssicherheit bekommen, so Harre. Sie müssten sicher sein, dass das Kassenärzte-System die gestiegenen Kosten, zum Beispiel für das Personal, erstatten kann.

Sendung: rbb24, 05.10.2022, 13:00 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Wie ein Sendersuchlauf an einem Fernseher geht, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Da nutze ich die Mediathek. Abgesehen von Dermatologen - da muss ich immer wechseln und Doctolib nutzen, weil da innerhalb des Rings eine Überlastung herrscht, finde ich die Versorgung mit FÄ gut, selbst telefonische Erreichbarkeit klappt.

  2. 12.

    Falls Sie das möchten, dürfen Sie gern all Ihre persönlichen Daten in irgendwelche Webinterfaces werfen, gern auch über so unsichere Endgeräte wie Smartphones.
    Aber auch Sie sollten ein wenig Empathie für Leute erübrigen können, die nicht auf diese Weise kommunizieren können oder wollen.
    Es gibt auch Leute, die schon mit einem Sendersuchlauf am Fernseher überfordert sind - ich weiß von "Fernsehtechnikern", die quasi davon leben, alten Leuten ordentlich Geld für einen Sendersuchlauf abzunehmen.

  3. 11.

    Was ist das denn für eine unqualifizierter Kommentar ? Damit ist niemandem geholfen und das Problem wird so auch nicht gelöst !!!

  4. 10.

    Echt jetzt? Vielleicht kommt es auf den Bezirk an. Nach meinem Umzug nach Friedenau habe ich im Internet Arztpraxen recherchiert und die kontaktiert, die mir am meisten zugesagt haben. Habe sowohl beim Hausarzt, als auch beim Frauenarzt und Zahnarzt sofort zeitnahe Termine bekommen.

  5. 9.

    Immerhin - wenn Sie schon KEINEN Zugang zum Internet (PC, Smartphone, Internet-Cafe, ...)haben - immerhin scheinen Sie mit dem - wahrscheinlich analogen - Telefon umgehen zu können!
    In puncto Kommunikationsmedien sind sie also nur ca. 15 Jahre zurück. Glückwunsch!

  6. 8.

    Wenn Sie suchen wie Sie schreiben, wundert es mich nicht, dass Sie selbst in Berlin keinen Arzt finden...

  7. 7.

    Mein Hausarzt in Brandenburg streikt nicht und ich hatte auch keine Schwierigkeiten nach meinen Umzug aus Berlin Fachärzte zu finden und auch Termine zu bekommen .
    Den Bericht kann ich nicht nachvollziehen.
    Allerdings sollte sich Herr Lauterbach mal wirklich daran machen das gesamte Gesundheitswesen zu modernisieren und auch an die Zahlungsmoral der gesetzlichen KK was ändern.

  8. 6.

    Mein Hausarzt nimmt auch keine neuen Patienten mehr auf. Bei all meinen Fachärzten bekomme ich zeitnah keine Termine.
    Doctolib. hat nicht jeder zur Verfügung! Meist gehe ich persönlich zum Arzt, um mir einen Termin zu besorgen, ans Telefon geht ohnehin niemand mehr.

  9. 5.

    Ich ziehe den Hut vor den Mitarbeitern/innen im Gesundheitswesen für ihre Arbeit. Dieses Problem ist doch vom Staat so gewollt um Geld zu sparen im Gesundheitswesen und Leitragende sind die Patienten/innen. Hauptsache die Herrschaften haben freie Heilbehandlund.

  10. 4.

    Der gute Berliner hat in seinen Kommentaren schon mehrfach geäußert, dass er keinen Hausarzt findet und das sogar seit 7 Jahren nicht, wenn ich mich recht entsinne. Ich kann das auch nicht nachvollziehen. Ich musste in den letzten beiden Jahren durch meinen Umzug und Praxisaufgabe den Hausarzt, den Zahnarzt und den Frauenarzt wechseln und habe dabei als gesetzlich Versicherte überhaupt keine Probleme gehabt. Im Gegenteil, ich konnte hinsichtlich der Entfernung und des Services auswählen. Auch Termine beim Hautarzt und beim Orthopäden habe ich zeitnah erhalten. In Brandenburg ist das wesentlich schwerer, wie ich durch Familienmitglieder weiß.

  11. 3.

    Lieber Berliner, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo in Berlin Sie suchen, aber ich habe durch Eigeninitiative nach meinem Umzug innerhalb Berlins zwei neue Hausärzte, eine Kinderärztin, eine Zahnärztin und einen Neurologen gefunden und auch Termine erhalten (bin Kassenpatientin). Innerhalb (!) Berlins kann ich mir einen Mangel an Ärzt*innen beim besten Willen nicht vorstellen, alleine durch Dinge wie Doctolib.de wird einem doch schon sehr viel abgenommen… trotz alledem viel Erfolg bei der Suche!

  12. 2.

    So lange die Politik keine Anstalten macht, das Gesundheitssystem grundlegend zu reformieren, werden die Streiks nicht enden. Das ist doch alles nur noch Flickschusterei.

  13. 1.

    Zum Glück finde ich eh kein Arzt bzw bekommen keinen Termin, von daher sind mir solche Streiks völlig egal.

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