Berliner Firmen wandern verstärkt ins Umland ab - Neue Fabriken im märkischen Sand

Fr 28.10.22 | 19:44 Uhr | Von Karsten Zummack
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Symbolbild: Fünf Spaten stecken im Sand auf einer Baustelle (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Audio: Antenne Brandenburg | 28.10.2022 | Karsten Zummack | Bild: dpa/Soeren Stache

In Berlin werden nicht nur Wohnungen knapp und teuer, sondern auch Gewerbeflächen. Unternehmen, die expandieren wollen, finden kaum noch verfügbare geeignete Grundstücke. Deshalb ziehen einige Firmen inzwischen lieber nach Brandenburg um. Von Karsten Zummack

Metallspäne fliegen durch die Halle. Ein paar Meter weiter hantieren zwei Männer mit Schraubenschlüsseln, mit einem Kran werden tonnenschwere Kolosse aus Stahl und Kupfer von einer Stelle zur nächsten gehievt. Auf einem alten Gewerbehof in Moabit produziert das Unternehmen Menzel Elektromotoren. Seit 95 Jahren bereits sitzt die Firma in Berlin.

Menzel setzt inzwischen mehr als 22 Millionen Euro im Jahr um, die Auftragslage ist trotz aller Widrigkeiten dieser Zeiten gut. Doch die Fabrikhallen am Ufer des Charlottenburger Verbindungskanals sind in die Jahre gekommen. Da platzt mitunter Farbe von den Türen ab, sind Fenster grau geworden. Draußen auf dem Hof müssen Lkw geschickt rangiert werden. Das Schlimmste aber: Der Platz reicht längst nicht mehr aus.

"Ein suboptimaler Standort"

"Wir brauchen aufgrund des Wachstums des Unternehmens und der Produktentwicklung neue größere Flächen", betont Geschäftsführer Mathis Menzel. Der kräftige, vollbärtige Mann wollte mit seinem Traditionsunternehmen eigentlich auf das Areal des ehemaligen Flughafens Tegel ziehen. Doch das verzögerte sich aufgrund des BER-Desasters immer wieder.

Auch anderswo in Berlin fand Menzel kein passendes Grundstück. Da die Motoren immer größer und schwerer werden, sei die Innenstadt ohnehin "ein suboptimaler Standort", wie es Menzel formuliert. Deshalb zieht das Unternehmen mitsamt Maschinenpark und den 100 Beschäftigten nach Hennigsdorf (Landkreis Oberhavel), auf das alte Stahlwerksgelände. Im Juni wurde der Grundstein für den Neubau gelegt.

Mehr Anfragen umzugswilliger Unternehmen

Keineswegs nur Menzel Elektromotoren hat ein neues Zuhause jenseits der Landesgrenze gesucht. Wie viele Unternehmen der deutschen Hauptstadt den Rücken Richtung Mark gekehrt haben, ist statistisch nicht hinterlegt. Doch die Wirtschaftsförderung Brandenburg beobachtet seit Jahren eine verstärkte Nachfrage umzugswilliger Berliner Firmen. Wurden 2016 lediglich zwei Anfragen registriert, waren es im vergangenen Jahr bereits 14 - allein hier.

Viele Unternehmer klopfen auch bei den Kommunen oder Gewerbegebieten direkt an. Ein zunehmendes Interesse verspürt auch der Koordinator der Wirtschaftsregion Oranienburg-Hennigsdorf-Velten. "Die einen fühlen sich bedrängt von ihren bisherigen Vermietern oder Entwicklungen in ihrem Umfeld. Die Preisentwicklung spielt sicher ebenso eine Rolle", sagt Gerald Zahn. Denn oftmals sind die Grundstücke im Umland eben günstiger als in der Hauptstadt. Allerdings, so beobachtet der Experte, werden auch im Speckgürtel Gewerbeflächen allmählich rar.

Als kleineres Unternehmen ernst genommen

An lang gezogenen Maschinen werden Bleche aus Stahl oder Aluminium gebogen. Das Unternehmen "Die Blechprofis" stellt in Hennigsdorf seit acht Jahren vor allem Winkel, Metallgehäuse und Bleche für Sondermaschinenbauer her. Der Jahresumsatz liegt etwa bei einer Million Euro, sagt Geschäftsführer Karsten Kruschke. Seine Produktionshalle steht ebenfalls auf dem alten Hennigsdorfer Stahlwerksgelände.

Bis 2014 wurden die Bleche in Berlin-Neukölln verarbeitet. Doch dort stand die Fabrik einem Erweiterungsbau des Hotel Estrel im Wege. Deshalb machte sich Kruschke auf die Suche nach einem neuen Standort. Seine Idee, ins boomende Adlershof umzuziehen, scheiterte. Stattdessen landete die Firma eben in Hennigsdorf. "Man wird hier als kleinerer Unternehmer auch ernst genommen und gehört", lobt er die Rathausspitze. Zudem sei der Standort gut zu erreichen per S-Bahn oder Autobahn, vor allem für Transporte von großer Bedeutung.

Produktionsstart im kommenden Sommer angepeilt

Bald bekommen die "Blechprofis" um Karsten Kruschke neue Nachbarn. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite rollen Bagger, wächst bereits der Rohbau des Menzel-Motorenwerkes aus dem märkischen Sand. Im kommenden Sommer bereits will das Unternehmen seine Produktion von Berlin-Charlottenburg nach Hennigsdorf verlagern. Hier hat es dann dreimal so viel Platz wie am alten Standort. Dadurch sollen auch neue Jobs entstehen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.10.2022, 15:40 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

14 Kommentare

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  1. 14.

    "Berlin wird von unserem Senat gezielt zum Armenhaus Deutschlands gemacht. Gewerbetreibende & Co. werden gegängelt, drangsaliert, Expansion verhindert." Weil keine geeigneten Flächen zur Verfügung stehen?

  2. 13.

    Beispiel: EAW Treptow. War mal 'ne Firma mit ein paar Tausend Mitarbeitern. In den 90ern reduziert auf unter 100 in Rummelsburg. 2022: Der Grundstücks-Eigentümer verdreifacht die "Miete" des ehemals firmeneigenen Gebäudes. Konsequenz: Neuer Produktions-Standort in KW.

  3. 12.

    Vielen Dank für Ihren Hinweis! Sie haben Recht. Wir haben den Artikel angepasst und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

    Einen schönen Samstag noch!
    Die rbb24-Redaktion

  4. 11.

    @rbb24 2. Berichtigung
    Fa.Menzel ist noch immer in Moabit [2.Absatz) und liegt auch nicht an der Spree, sondern am Verbindungskanal. Wie wäre es, Sie würden ihren Reportern mal Heimatkundeunterricht erteilen?
    Uli Zelle würde so etwas nicht passieren.Er wäre aber ein guter Lehrer!

  5. 10.

    Berlin wird von unserem Senat gezielt zum Armenhaus Deutschlands gemacht. Gewerbetreibende & Co. werden gegängelt, drangsaliert, Expansion verhindert. Weiter so. Dann kann man aus Berlin ein riesiges Wohnheim für Empfänger von Sozialleistungen aller Art, subventioniert vom Bund, machen.

    Einnahmen werden dann nicht mehr generiert. Denn genau das Klientel, was Berlin (noch) am eigenständigen Leben erhält, wird auf allen Gebieten vergrault.

  6. 9.

    Berlin wird von unserem Senat gezielt zum Armenhaus Deutschlands gemacht. Gewerbetreibende & Co. werden gegängelt, drangsaliert, Expansion verhindert. Weiter so. Dann kann man aus Berlin ein riesiges Wohnheim für Empfänger von Sozialleistungen aller Art, subventioniert vom Bund, machen.

    Einnahmen werden dann nicht mehr generiert. Denn genau das Klientel, was Berlin (noch) am eigenständigen Leben erhält, wird auf allen Gebieten vergrault.

  7. 8.

    Ist in TF genau so und die Gewerbegebiete wurden stets erweitert.
    Grüsse zurück.

  8. 7.

    Brandenburg ist mehr als nur der Speckgürtel in OHV und PM … sicher kann man Rosinen picken wollen, nur ist es schon sehr selbstgerecht, die Schuld anderen zu geben, wenn die in der falschen Ecke liegen und man sich anstrengen muss, um sie zu erreichen.

  9. 6.

    Eine Vereinheitlichung der Gewerbesteuersätze zwischen Berlin und Brandenburg zur einheitlichen Metropolregion Berlin-Brandenburg ist längst überfällig. Wann handeln die Politiker hier endlich?

  10. 5.

    Das ist nun einmal das Problem der Stadtstaaten, keine geeigneten Flächen.
    Wir wohnen knapp 1km zur Landesgrenze nach Schleswig-Holstein, genau Norderstedt. Hier haben viele eingesessene Hamburger Firmen einen neuen Standort gefunden, z.B. TESA Klebstoffe. Norderstedt hat mittlerweile über 70.000 Einwohner, denn die Mitarbeiter , damit gute Steuerzahler, ziehen mit um.
    Gruß nach Berlin, genießt das lange spätherbstliche Wochenende.

  11. 4.

    Dann sollte das Land Brandenburg mal in grössere Gewerbe-und Industrie Areale investieren. Da kann Ich, um den Westteil Berlins, nicht viel erkennen. Gelder, Arbeitsplätze, Flughafen, Strukturhilfen, usw. verschwinden zunehmend in Richtung polnischer Grenze und darüber hinaus.

  12. 3.

    " Deshalb ziehen einige Firmen inzwischen lieber nach Brandenburg um "

    ist doch eine logische Konsequenz

  13. 2.

    rbb24: Es ist viel, wirklich viel interessanter wieviel Firmen sind tatsächlich nach Brb., mit welchem Bruttosozialprodukt, umgezogen? Die Anzahl der Anfragen bei der Wirtschaftsförderung soll nun was genau aussagen? Was die Mitarbeiter dort so pro Woche abarbeiten? Und die Überschrift erst.... ;-(

  14. 1.

    Die Fa.Menzel ist am Neuen Ufer in Moabit und nicht in Charlottenburg, wie im Artikel behauptet.

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