Stopp in der Prignitz gestrichen - Flixtrain-Züge halten nicht mehr in Wittenberge

Fr 28.10.22 | 11:45 Uhr
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Archivbild: Ein Flixtrain fährt in einen Hauptbahnhof ein. (Quelle: dpa/D. Reinhardt)
Audio: Antenne Brandenburg | 28.10.2022 | Andreas Pötzl | Bild: dpa/D. Reinhardt

Flixtrain expandiert, in Wittenberge aber sieht man den grünen Zügen ab dem Winter nur noch beim Vorbeifahren zu: Das Unternehmen streicht den Halt in der Prignitz. Das betrifft vor allem Pendler nach Berlin und Hamburg.

Der private Bahnbetreiber Flixtrain hat den Halt in Wittenberge (Prignitz) aus dem Fahrplan gestrichen. Das geht das aus dem nun veröffentlichten Winterfahrplan hervor. Zuerst hatte die Zeitung "Der Prignitzer" am Freitag darüber berichtet [svz.de]. Davon betroffen seien vor allem Pendler, die in Hamburg oder Berlin arbeiten.

Wie der neue Winterfahrplan zeigt, fährt von Dezember bis Ende März zwischen Berlin und Hamburg täglich nur ein Zug des Unternehmens. Zwischen den beiden Metropolen wird dieser Zug keinen Halt machen. Für die Zeit danach hat Flixtrain noch keine Pläne veröffentlicht. Ein Sprecher des Unternehmens kündigte eine Stellungnahme für Freitag an.

Bürgermeister: "Für den Bahnkunden schwer erträglich"

Der Wittenberger Bürgermeister Oliver Herrmann (parteilos) zeigte sich empört. "Es sieht ja keiner mehr durch und das ist für den Bahnkunden schwer erträglich", sagte er dem rbb. "Jedes Jahr neu zu gucken, wie ist es denn nur mit verlässlicher Bahnanbindung? Da sind wir dann weit entfernt. Hält der, hält der nicht?"

Flixtrain hatte den Zuschlag für Zeitfenster auf einigen IC-Strecken erhalten, die bisher die Bahn bedient hatte. Hermann forderte eine Gesamtkalkulation mit den Haltevorgaben in den Orten in den ländlichen Regionen. Denn bisher könnten Anbieter im Fernverkehr selbst nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden, an welchen Bahnhöfen gestoppt wird. "Natürlich sagen die Unternehmen, wer bezahlt mir das. Das muss geregelt werden", so Hermann. Geschiehe dies nicht, werde der Umstieg auf die Bahn und die Verkehrswende nicht gelingen. Aus Sicht des Wittenberger Bürgermeisters seien die Kunden im ländlichen Raum die Leidtragenden.

Der Bund müsse als Regulierungsbehörde dafür sorgen, dass die Halte funktionieren und dass die Fahrkartenverkäufe kundenfreundlich gestaltet werden. Denn der Anbieterwechsel hat für die Bahnpendler weitere Folgen: ihre bisherigen Jahres- und Monatskarten der Deutschen Bahn werden in den Flixtrain-Zügen nicht akzeptiert. Der Kunde müsse seine Fahrkarten in allen Zügen – unabhängig des Anbieters – nutzen können, fordert Hermann. "Ansonsten macht das alles gar keinen Sinn mehr."

Offener Brief an Bahn und Bund

Bereits vor zwei Wochen hatte Herrmann einen offenen Brief an unter anderem die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium gerichtet [wittenberge.de]. Darin kritisierte der Bürgermeister die damals bekanntgewordene Entscheidung, Flixtrain ab dem Fahrplanwechsel 2022/23 den Zuschlag für die Nutzung von drei bis vier Trassen zwischen Hamburg und Berlin zu erteilen.

Er befürchte für seine Stadt eine Verschlechterung des Angebots im Fernverkehr, schrieb Herrmann. Das Unternehmen habe bereits 2020/21 den Fahrplan aus wirtschaftlichen Gründen zuerst nur eingeschränkt bedienen können - und wegen der Corona-Situation dann ganz eingestellt. Angesichts von Investitionen in Höhe von rund 50 Millionen Euro am Bahnhof Wittenberge sei diese Entscheidung falsch.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion im Brandenburger Landtag, Thomas Domres, sagte, durch den Wegfall des Halts Wittenberge werde der ländliche Raum als Arbeits- und Wohnort unattraktiver. "Diese Fehlentwicklung muss gestoppt und die diesbezüglichen Entscheidungen müssen schnellstmöglich zurückgenommen werden. Mindestens das jetzige Angebot muss über den Fahrplanwechsel hinaus erhalten bleiben", forderte der Abgeordnete aus der Prignitz. Von der DB AG erwarte er, dass sie die jetzt freien Trassenkorridore nutze und die Prignitz entsprechend bediene.

Busverkehr ist fast ausgereizt, deshalb Schiene

Das Streichen des Halts in Wittenberge steht entgegen der Wachstumspläne des Privatunternehmens. Seit vergangenem Sommer gibt es drei neue Verbindungen von und nach Berlinm außerdem zwischen Stuttgart und Hamburg. Außerdem verdichtete Flixtrain seinen Takt auf den Verbindungen von München über Köln nach Hamburg sowie zwischen Hamburg, Berlin und Leipzig. "Tatsächlich sind wir dabei, unser Angebot zu verdoppeln", sagte Matthias Müller, Geschäftsführer von Flixtrain, im Juni rbb|24.

Flixtrain ist Teil von Flix. Dieses hatte mit Fernbussen erst vor wenigen Jahren sein Geschäft aufgenommen. Seit 2013 ist Flix in über 30 Länder expandiert, auch nach Nord- und Südamerika. In den USA hat das Unternehmen erst im vergangenen Jahr die Traditionsmarke Greyhound übernommen.

Weil es den Fernbusverkehr in Deutschland und Europa bereits dominiert und hier kaum noch Wachstum möglich ist, setzt Flix auf die Schiene. Seit 2018 fahren grüne Züge für das Unternehmen im Fernverkehr. Damals ging der private Anbieter Locomore pleite, das neue Bahnunternehmen Flixtrain hat die Strecke Stuttgart-Berlin übernommen und das Streckennetz dann Zug um Zug ausgebaut. Auch im europäischen Ausland gibt es Verbindungen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.10.2022, 5 Uhr

21 Kommentare

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  1. 21.

    Das große Problem bei Flixtrain ist nur, dass es häufig nur eine Verbindung am Tag gibt. Wird diese gestrichen, gibt es keine Alternativen, das Ticket darf ja in Zügen der DB nicht genutzt werden. Insofern bleibt dann nichts anderes übrig, als die Fahrt nicht anzutreten, oder bietet Flix in so einem Fall Alternativen an?

  2. 20.

    Der Beitrag strotzt vor Sachkenntnis! Die Bundesbahn gibt es seit 1994 nicht mehr!

  3. 19.

    Ein einziger kurzfristig gecancellter Zug und Flixtrain ist bei Ihnen unten durch? Da haben Sie es denen ja so richtig gegeben. Und wie gut, dass die DB niemals nie Züge cancellt sonst müssten Sie aus reiner Konsequenz auf das Auto, den Bus oder das Flugzeug ausweichen. Ein Hoch auf die immer 100% zuverlässige DB!!!

  4. 18.

    Dann wird die Zugverbindung hoffentlich ein wenig schneller, wenn ein Zwischenhalt ausbleibt.

  5. 17.

    Ausnahmsweise will ich mal eine Unke spielen.
    Bahnfahren im Jahr 2030:

    Ein Smartphone wird bei allen vorausgesetzt. Die Anbieter haben es geschafft, sämtliche neue Regeln in die Tat umsetzen bzw. auszureizen. Eine davon besagt, dass die Bahnhalte während einer Zugfahrt auch spontan entfallen können, eine Ankündigungszeit von 30 Minuten bis zum geplanten Halt-Ausfall ist dazu mittlerweile geregelt worden. Die Vorgabe dazu ist, dass ein Ersatzangebot aufgespielt werden muss, welches 90 Minuten verlängerte Fahrzeit nicht überschreiten darf. Die Länge eines Fußballspieles ist eine leicht merkbare Zeiteinheit. ;-



  6. 16.

    Flixtrain legt offen geschäftliche Motive dar.
    Nichts da mit Umweltaspekten und so, obwohl wir nun einen Beschluss des BVG zum Anspruch auf Schutz der Umwelt haben.
    Es ist wirklich ein Unding, dass auch die Flix-Etagen einfach nicht lernfähig sind. Der Beschluss ist längst dem Baby-Alter entwachsen. Wie lange brauchen die Gehirnwindungen, um den rationalen Kern zu erkennen. Der Halt dort wird ja kaum 5 Minuten ausmachen, wenn ich das mal mit dem Halt in großen Städten eines überregionalen "Gefährts" in Takt(zeiten) eingebunden vergleiche. Wittenberge war leider einmal ein Eisenbahnverkehrsknotenpunkt, und dahin will 1 Unternehmen nicht zurück u. streikt sozusagen? Merkwürdige Unternehmensauf-fassungen. Sie haben keine Sonderstellung, sondern verdienen Geld mit Daseins-Vorsorge. Wenn das Unternehmen dazu nicht in der Lage ist, sitzt dann wirklich nicht die Creme auf der Torte!

  7. 14.

    Weiß man eigentlich warum Flix die Trassen bekommen hat ? Normalerweise gilt doch Taktverkehr vor Einzelfahrten (Economytrassen) und längere Trasse vor kürzere Trasse ?

  8. 13.

    flix gewonnen <> flix verloren

  9. 12.

    Flixtrain legt offen geschäftliche Motive dar.
    Nichts da mit Umweltaspekten und so, obwohl wir nun einen Beschluss des BVG zum Anspruch auf Schutz der Umwelt haben.
    Es ist wirklich ein Unding, dass auch die Flix-Etagen einfach nicht lernfähig sind. Der Beschluss ist längst dem Baby-Alter entwachsen. Wie lange brauchen die Gehirnwindungen, um den rationalen Kern zu erkennen. Der Halt dort wird ja kaum 5 Minuten ausmachen, wenn ich das mal mit dem Halt in großen Städten eines überregionalen "Gefährts" in Takt(zeiten) eingebunden vergleiche. Wittenberge war leider einmal ein Eisenbahnverkehrsknotenpunkt, und dahin will 1 Unternehmen nicht zurücku. streikt sozusagen? Merkwürdige Unternehmensauf-fassungen. Sie haben keine Sonderstellung, sondern verdienen Geld mit Daseins-Vorsorge. Wenn das Unternehmen dazu nicht in der Lage ist, sitzt dann wirklich nicht die Creme auf der Torte!

  10. 11.

    Einmal Flixtrain gebucht, der Zug wurde dann wenige Stunden vor der Abfahrt gecancelt. Nie wieder...

  11. 10.

    Da hier Flix wohl einige DB-Trassen zugeteilt bekommen hat, würde auch bestellten NV nichts ändern. Unter Flix litten schon andere SPNV-Verbindungen z.B. im Rheintal. Besonders perfide: Flix hat Trassen angemeldet, ist dann aber nicht gefahren.

  12. 9.

    Auf der Bremse stehen hier die Rosinenpicker von Flix. "... Flixtrain ab dem Fahrplanwechsel 2022/23 den Zuschlag für die Nutzung von drei bis vier Trassen zwischen Hamburg und Berlin zu erteilen." steht dauzu im Artikel.

    Sie haben bestimmt einen Beleg, dass die Preise für Wettbewerber künstlich hoch gerechnet werden, oder?

  13. 8.

    Das Ganze ist ein Konstruktionsfehler der einstigen Bahnreform. Den "Pendler" im Fernverkehr gibt es im Konzept der Bahnreform nämlich nicht. Die beste Lösung wäre gewesen, wenn das Land M.V. auf der Relation Hamburg - Lulu - Witt - Berlin die bisherigen IC/EC zusätzlich als Nahverkehr bestellt hätte ... wollte anscheinend keiner bezahlen.
    Solche Probleme wie jetzt auf der Strecke wird es künftig immer häufiger geben. Im Grunde macht das ganze Konzept des "Deutschlandtaktes" keinen Sinn, wenn sich da am Ende zig Bahnunternehmen die Trassen wegnehmen.

  14. 7.

    Nun, flixtrain hatte öfter Pünktlichkeitsprobleme auf dieser Strecke. Woran auch die Bundesbahn mit Schuld hat.
    Aber vielleicht sind es auch wirtschaftliche Aspekte für den Wegfall des planhalts in Wittenberg. Jeder Bahnhof und halt kostet ja Gebühren. Und wenn da vielleicht zu wenige Gäste aus oder einsteigen, kann man es auch sein lassen.

    Wie auch immer. Die bremse ist die bundes(Volks) eigene Bahn selbst. Konkurrenz wird beschränkt und zurück gehalten. Preise für Wettbewerber künstlich hochgerechnet.

  15. 6.

    Wenn Flixtrain eine Verbindung zum Beispiel nur an 4 Tagen in der Woche bedient, ist das KEIN Taktverkehr, sondern nur "Rosinenpickerei"! Daraus wird auf lange Sicht keine wirkliche Konkurrenz zum DB- Fernverkehr.

  16. 5.

    Ein Hoch auf die Verkehrswende. Selten so gelacht.....vor Wut.

  17. 4.

    Irgendwie macht hier jeder nur noch was er will. Ist eben Mist, den Nah- und Fernverkehr in private Hände zu legen.

  18. 3.

    Wer verlässliche Verbindungen wünscht, sollte Flix nicht weiter beachten. Die streichen schneller als manche die Unterhose wechseln. Da bei deren Trassenanmeldung oft andere Zuge wegfallen, drängt sich fast schon der Verdacht aus, dass die ggf. die Konkurrenz mit den Anmeldungen behindern wollen.

  19. 2.

    Was hat das damit zu tun? Was nützt sowas, wenn der Zug nicht hält?

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