Zwischen Zukunftsprojekten und Auftragsflaute - Bahntechnikhersteller Alstom plant Personalabbau auch in Hennigsdorf

Fr 16.12.22 | 15:11 Uhr | Von Karsten Zummack
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Straßenbahnen für Berlin werden im Bombardier Werk in Hennigsdorf (Brandenburg) montiert. (Quelle: dpa/Bernd Settnik)
Audio: Antenne Brandenburg | 16.12.2022 | Betriebsrat Heiko Engelmann | Bild: dpa/Bernd Settnik

Bahntechnik aus Hennigsdorf hat eine lange Tradition. Seit mehr als 100 Jahren werden dort Züge und Waggons gebaut. Doch jetzt drohen erneut Einschnitte. Der Alstom-Konzern will dem Vernehmen nach bis zu 450 Jobs streichen. Von Karsten Zummack

 

In der Testhalle ist schon die Zukunft angekommen. Auf drei Gleisen stehen nebeneinander ein ICE, ein Hochgeschwindigkeitszug für den schwedischen Markt sowie eine Regionalbahn für den Stuttgarter Raum. Dieses Fahrzeug war bereits im Einsatz, wurde aber zurückgeholt für eine Modernisierung. Mitarbeiter haben es in Hennigsdorf (Oberhavel) in den vergangenen Wochen aufgerüstet.

Zug-Digitalisierung als Zukunftsinvestition

Der Zug hat einen zusätzlichen Bordcomputer für den Führerstand sowie im Unterboden sogenannte Eurobalisen erhalten. Diese digitale Technik ermöglicht eine ständige Kommunikation zwischen Fahrzeug und Schiene. "Dadurch können 30 Prozent mehr Fahrzeuge auf demselben Gleis unterwegs sein", erklärt die Leiterin des Alstom-Testzentrums, Kerstin Wende.

Im Umkehrschluss werde durch die ETCS-Signaltechnik am Ende 30 Prozent weniger Energie benötigt. Das soll die Zug- und Passagierzahlen steigern. Ein Beitrag zur Verkehrswende und natürlich auch für die Zukunft des traditionsreichen Hennigsdorfer Bahntechnikwerkes - schließlich rüstet Alstom insgesamt 215 S-Bahnen und 118 Regionalzüge für den Einsatz im Südwesten Deutschlands um.

Nicht mehr genug Arbeit

Ohnehin wird im Hennigsdorfer Bahntechnikwerk aktuell an allen Ecken und Enden gewerkelt. Beschäftigte bauen unter anderem Türen in nagelneue U-Bahn-Züge für die schwedische Hauptstadt Stockholm ein. Der Auftrag umfasst insgesamt 96 Fahrzeuge, die Hälfte ist bereits abgearbeitet. Darüber hinaus arbeiten sie hier zum Beispiel an Hochgeschwindigkeitszügen, ebenfalls für den skandinavischen Markt.

"Der Standort Hennigsdorf läuft grundsätzlich gut", betont Werksleiterin Isabelle Caron. Allerdings habe der Konzern insgesamt nicht genug Arbeit. "Wir streben aber an, in Zukunft ein paar richtig gute Aufträge zu bekommen." Das klingt wie eine Verheißung für die gut 2.000 Beschäftigten, von denen viele im Moment um ihre Jobs bangen müssen. Isabelle Caron ist da ein kleiner Lichtblick, wenn sie wie ein Energiebündel durch die Hallen läuft und das Gespräch mit den Monteuren sucht.

Milliardenschwere S-Bahn-Ausschreibung als Hoffnungsschimmer

Die Werksleiterin, seit Oktober 2021 im Amt, spricht von einem "Hunger auf Ausschreibungen". Als Beispiel führt sie den neuen milliardenschweren Auftrag für die Berliner S-Bahn ins Feld. Es würde garantiert Beschäftigung sichern, wenn Alstom gewinnen sollte. Doch es wird wohl harte Konkurrenz geben. Schließlich soll auch ein Konsortium aus Siemens, Stadler und der Deutschen Bahn Interesse angemeldet haben. Außerdem ist das Zukunftsmusik, der kurz- und mittelfristige Ausblick fällt etwas trüber aus.

Nach der Übernahme der Bombardier-Zugsparte vor knapp zwei Jahren hat Alstom bereits Teile der Produktion von Hennigsdorf ins sächsische Bautzen verlegt. "Ab Anfang Januar gehen wir in eine Unterauslastung", räumt Betriebsrat Heiko Engelmann ein. Trotzdem kämpft er gemeinsam mit seinen Amtskollegen an den anderen Standorten und Gewerkschaftern für sozialverträgliche und möglichst mildere Lösungen. Dass der Konzern bundesweit insgesamt 1.300 Jobs streichen könnte, will er nicht hinnehmen. In seinen Augen geht es auch darum, "diese Phase der nächsten ein, zwei Jahre zu überbrücken und dann brauchen wir diese Fachkräfte wieder", so Engelmann auf neue Aufträge hoffend.

Verhandlungen stocken

Seit etwa einem Jahr wird verhandelt über die Strategie des Unternehmens. Für den Dezember war eigentlich ein Durchbruch erwartet worden. "Wir liegen aber noch meilenweit auseinander mit den Vorstellungen", urteilt der Betriebsratsvorsitzende. Klar scheint für ihn: Sollte Alstom von seinen Plänen nicht abrücken, sei auch das Überleben des Hennigsdorfer Werkes in Frage gestellt.

Isabelle Caron will das so nicht stehen lassen. "Für Alstom ist das ein wirklich strategischer Standort", versichert die Werksleiterin. "Wir sind hier, um zu bleiben. Wir sind hier, um zu wachsen." Immerhin ein kleiner Lichtblick für die besorgten Alstom-Beschäftigten in Hennigsdorf.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.12.2022, 16:30 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

21 Kommentare

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  1. 21.

    Wenn immer der günstigste Preis ausschlaggebend wäre, dann könnten so Einige abschließen. Der Preis ist wichtig, war aber noch nie dass alleinige Kriterium. Über die „Laufzeit“ zu rechnen ist schlauer. Und es gibt noch mehr.... Verfügbarkeit, Nachhaltigkeit, Zuverlässigkeit, Life Cycle Kosten, Bedienung, Einfachheit usw. usf.

  2. 20.

    Das Geld wäre schon längst da, wenn die Corona-Verstöße einschneidend und konsequent geahndet worden wären. Davon hätte man locker ganze Kontroliierbrigaden plus 3 neue BERs finanzieren können.

  3. 19.

    Viele Löhne und Gehälter in Berlin/Brandenburg sind viel viel zu hoch.
    Die Forderungen der Mitarbeiter sind unersättlich und finden überhaupt keine Ende.
    Das hat schon und setzt weiterhin in Gang : eine Preisspirale ohne Gleichen, die unser Klima, unsere Umwelt und unsere Gesellschaft, nachhaltig zerstören wird.
    Viel zu hohe Löhne und Gehälter, treiben die Preise, endlos in die Höhe und der endlose Konsum, zerstört Umwelt, Natur, Klima, usw..

  4. 18.

    Das 49 Euro Ticket wird zu massivem Stellenabbau führen. Auch sind Investitionen kaum noch möglich.

    Da der Bürger alles billig will, werden halt Stellen abgebaut und Unternehmen wandern ab

    Made in Germany lockt schon lange keinen hinter dem Ofen hervor. Die Chinesen können es genauso gut, aber schneller und billiger.

  5. 17.

    Genau. Aufträge müssen her. Und wenn der Produktionsstandort immer teurer wird, bekommen andere die Aufträge

    Den Zuschlag bekommt halt derjenige, der den günstigsten Preis bietet

  6. 16.

    Die (bornierte) Einstellung ist es, die dazu führt, warum alle Großprojekte scheitern.

  7. 15.

    Und wer bezahlt die vielen neuen Schaffner, Bahnsteigaufsichten, Kontrolleure?

    Am Ende würde das durch massive Fahrpreiserhöhungen durch die Fahrgäste bezahlt.
    Da kann die Regierung ein 49 Euro Ticket anbieten wie sie will.
    Bei mehreren 10.000 neuen Mitarbeitern sind unweigerlich Fahrpreise zwischen 100 bis 200 pro Monat nicht unrealistisch
    Aber nebenbei gefragt
    Was genau würde das Alstom nützen?

  8. 14.

    Das wäre sicherlich für den Konzern leichter wenn nicht jeder Mitarbeiter unmengen Kohle in den A.... geschoben bekommt und dann auch noch ständig streiken geht. In der normalen Wirtschaft kommt nicht einer dieser Mitarbeiter mehr klar. Denn das was diese Leute verdienen ist das doppelte und dreifache eines Normalverdieners. Sorry Leute aber für dieses Mimimi der Mitarbeiter hab ich kein Verständnis. Die sollen froh sein Arbeit zu haben. Wenn man den Hals aber nicht voll kriegt muss man eben mit den Konsequenzen leben. Schmeißt sie alle raus, dann kommen sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Und noch besser die Stadt vielleicht auch und kümmert sich um Betriebe die die Umsätze auch hier lassen und nicht zur Zentrale schicken. Frohe Weihnachten

  9. 13.

    Nein, Es wäre einfach mal besser, dem Unternehmertum und damit Arbeitsplätzen in der Hauptstadtregion, positiv gegenüber zu stehen.
    Wenn man die negativen Kommentare gegenüber Firmen und Unternehmen in Berlin/Brandenburg (zum Beispiel Tesla) liest, wundert mich persönlich, das es überhaupt noch Große Unternehmen gibt, die hier produzieren wollen und Arbeitsplätze schaffen möchten.

  10. 12.

    Es hilft nichts, die Aufträge müssen her. Alles andere ist Geplapper.

  11. 11.

    Jeder/Jede macht doch selbst mit.
    Bloß keine Arbeitsplätze im Berliner Umland/ nur keine Industrie usw. an der A10 im Berliner Umland - doch lieber Alles verlagern an die polnische Grenze nach Cottbus/Lausitz und irgendwann sogar ganz ins Ausland.
    Durch solche Denke der Verlagerung nach Jwd oder ins Ausland, werden dauerhaft noch viel mehr Arbeitsplätze verschwinden.

  12. 10.

    Wer will überhaupt mehr Verkehr auf der Schiene? Auch die Berliner Verkehrssenatorin ruft einen hohen dreistelligen Millonen-Betrag zur Planung des Ausbaus des SPNV nicht ab. Wie vielen anderen Autofahrern ist uhr der ÖPNV eh zu langsam.

  13. 9.

    Im Prinzip läuft Henningsdorf gut. Im gesamten Konzern aber nicht. Alstom ist ein französisches Unternehmen. Einfach mal weiterdenken wo dann die Aufträge abgearbeitet werden.

  14. 8.

    Ich meinte mit meiner Wortmeldung, dass ein Betrieb/ggfs. Konzern auch eine Verpflichtung zum Schutz eines gewissen Betriebs-Know-hows hat. In dieser Fa. arbeiten Fachleute!!! Und wie ich inzw. vernahm, ist man auch international aufgestellt. Man schaffte es, auch Aufträge aus dem Ausand zu generieren. Also, kann man den Kampf der Beschäftigten nur unterstützen, dass so ein Betrieb einfach nicht "wirtschaftlich nicht mehr tragfähig" gehen kann. Wie so oft, sind es nicht etwa die Beschäftigten. Über Versagen der Vorgesetzten & Unfähigkeiten, ein großes Team zu führen, gibt es zwischenzeitl. auch diverse Berichte & sonstige Publikationen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir bei unserem Ziel bleibend, den ÖPV auf der Schiene zu stärken, keine Instandsetzung mehr brauchen. Mehr Nachhaltigkeit - geht doch nicht!

  15. 7.

    Das ist anscheinend in der linken Ecke Mode geworden. Sich selbst über Diskriminierung beschweren und Leute die eine andere Meinung oder Ansicht haben zu diskriminieren. Übrigens ist die CDU eine Volkspartei von wo die Linke Lichtjahre entfernt ist.

  16. 6.

    Wenn in Deutschland wieder mehr Schienen statt Straßen gebaut würden, wäre auch mehr Arbeit für Alstom da. Aber das will unser Verkehrsminister ja scheinbar nicht.

  17. 5.

    Diskriminierung ist, wenn man bestimmte Gruppierungen entwürdigt und das taten Sie mit Ihrem Kommentar. Das tun sogar Politiker der CDU, denn nichts funktioniert in der Politik besser als das Ausspielen von Randgruppen gegeneinander, klappte bei Donald hervorragend und dumme Menschen machen da mit, die sind mit einfachen Feindbildern schnell befriedigt.
    Wie alt sind Sie denn, dass Sie sich als Arbeitender der Fünfziger des letzten Jahrhunderts identifizieren wollen? Lächerlich.

  18. 4.

    Was könnte man mit den vielen Arbeitslosen tun, statt die nur mit Bürgergeld zu füttern? In den 50ern 60ern gabs mal Shaffner, Bahnsteigaufsichten, Bahnsteig-Sperren, viel mehr Kontrolleure >ist alles heute nicht gewollt, stattdessen weitermurksen und Probleme gegen Lösungen suchen (DAS scheint wichtig zu sein).

  19. 3.

    Was könnte man mit den vielen Arbeitslosen tun, statt die nur mit Bürgergeld zu füttern? In den 50ern 60ern gabs mal Shaffner, Bahnsteigaufsichten, Bahnsteig-Sperren, viel mehr Kontrolleure >ist alles heute nicht gewollt, stattdessen weitermurksen und Probleme gegen Lösungen suchen (DAS scheint wichtig zu sein).

  20. 2.

    Genau solche money-money-Gedanken werden uns umbringen. Im Grunde ggenommen, die schnödeste Missachtung für den ÖPNV und ÖPV. Es rechnet sich nicht, heißt, man kann keine Gewinne regenrieren.... Wer will in einer kaputten/geschädigten Umwelt Geld ausgeben?....

  21. 1.

    Ein Schelm, wer angesichts der laufenden S-Bahn-Ausschreibung das Thema wieder hervor geholt hat.

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