Gewerbeflächen-Konzept in Brandenburg - Bis an die Grenzen des Wachstums

Di 24.01.23 | 09:03 Uhr | Von Hanno Christ
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Symbolbild: Eine Baustelle der künftigen Fabrik in Brandenburg (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Bild: dpa/Soeren Stache

Für Brandenburg läuft es wirtschaftlich derzeit blendend: Laut Wirtschaftsförderern rennen Unternehmen den Kommunen derzeit die Türen ein. Doch wo sollen all die Firmen hin? Erstmals legt die Landesregierung eine Analyse vor. Von Hanno Christ

  • Brandenburg gibt erstmals einen Gesamt-Überblick über Gewerbeflächen
  • In Kommunen werden die Gewerbeflächen knapp
  • Städte- und Gemeindebund fordert Vorkaufsrechte und weniger Regeln
  • Umweltbedenken wie Wasserverbrauch spielen eine immer größere Rolle bei Erschließung

Wenn es etwas gab, das Brandenburg seit Landesgründung lange Zeit en masse im Angebot hatte, dann waren es verfallene Gebäude, leergezogene Fabrikgebäude oder Gewerbeflächen, die die Kommunen einfach nicht loswurden. Der miefige 90er-Jahre-Geruch einer Abstiegs-Region hing Brandenburg lange in den Kleidern.

Seit einigen Jahren aber zeigt es sich selbstbewusst in neuem Gewand. Den Spruch vom JWD ("Janz weit draußen") trimmte die Landesregierung vergangenes Jahr poppig auf: "Jeder will dahin". Es mag nur eine Imagekampagne sein, aber die Zahlen der Wirtschaftsförderer bestätigen das. Spätestens mit der Ankündigung des Automobilherstellers Tesla, sich im brandenburgischen Grünheide anzusiedeln, seien die Anfragen weiterer Firmen nach Gewerbeflächen in die Höhe geschossen, heißt es von der Wirtschaftsförderung. Und die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg prognostizierten unlängst, Brandenburg könnte die Hauptstadt beim Wachstum in diesem Jahr überflügeln. Der Tesla-Effekt sorge für einen "steilen Anstieg der Wertschöpfung". Das Unternehmen bringe eine "bislang nicht gekannte Dynamik in die Mark", so Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck.

Offenbar hat es sich rumgesprochen, dass Genehmigungsbehörden auch einen Gang zulegen können, wenn es wirtschaftspolitisch gewollt ist. Dazu hat Brandenburg gute Karten, wenn es um den Bedarf an Erneuerbarer Energie geht: Sowohl bei Bestand als auch beim Zubau etwa von Windkraftanlagen hat sich das Land einen Vorsprung gegenüber den wirtschaftsstarken Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg erarbeitet.

IHK: Konzept überfällig

Bleibt die Frage: Wo sollen all die Investoren hin? Auf der Website der Wirtschaftsförderung Brandenburg [wfbb.de] werden noch immer eine Anzahl von großen Flächen mit mehreren Hunderttausend Quadratmetern ausgewiesen – viele davon im Süden des Landes etwa im Industriepark Schwarze Pumpe, aber auch im Osten und Nordwesten des Landes. Eng und teuer wird es für jene, die in der Nähe Berlins investieren wollen. Einen Gesamt-Überblick gab es bislang noch nicht – vor allem keinen, der einen Blick in die Zukunft warf.

Das Gewerbe- und Industrieflächenkonzept, das die Landesregierung nun ankündigt, kommt spät, kritisiert etwa ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer Potsdam. Der Bedarf war schon länger da. Die IHK hatte schon seit Jahren auf Anfrage der Landkreise in ihrem Bezirk Gewerbeflächen-Potenziale bis 2025 analysiert – auf eigene Faust.

Städte- und Gemeindebund meldet Flächen-Mangel

In einem Positionspapier des Städte- und Gemeindebundes vom September vergangenen Jahres registriert der Verband bei einer Vielzahl von Städten und Gemeinden eine zunehmende Verknappung an Gewerbeflächen. Viele Gemeinden sind offenbar auf einen Boom und verstärkte Nachfragen gar nicht oder nur unzureichend vorbereitet.

Wollen die Kommunen wachsen und von Gewerbesteuereinnahmen profitieren, drängt die Zeit: Bis ein Gewerbegebiet erkundet, genehmigt und erschlossen ist, vergehen Jahre. Die Tesla-Geschwindigkeit bleibt in den von Personalsorgen geplagten Raumordnungsbehörden vieler Kommunen ein frommer Wunsch. Auch deshalb fordert der Städte- und Gemeindebund weniger Regeln beim Flächenerwerb der kommunalen Ebene. Vorkaufsrechte sollen stattdessen gestärkt werden, die Flächenbegrenzung gehöre abgeschafft.

Gibt es genug Grundwasser?

Ein zunehmend gewichtiges Kriterium dürfte der Faktor Umweltbelastung und Ressourcen-Verbrauch sein – auch so ein Tesla-Effekt. Obwohl es mit der Kohle- und der Papierindustrie seit langem weitaus wasserintensivere Betriebe in Brandenburg gibt, hat erst die Investition der sogenannten Giga-Factory in Grünheide eine Grundsatz-Debatte über den Verbrauch von Grundwasser in Gang gesetzt.

Diese Debatte hält bis heute nicht nur an, sondern gewinnt an Fahrt. Und nicht nur in Grünheide: So protestieren Anwohner eines geplanten Gewerbegebietes bei Beelitz-Heilstätten gegen die Ansiedlung neuer Firmen. Sie sorgen sich um die Wasserversorgung und gehen gegen die Rodung von Waldflächen auf die Barrikaden.

Problem Fachkräftemangel und Digitalisierung

Trotz guter Entwicklung und positiver Wirtschaftsaussichten fallen Brandenburg einige langfristige Standort-Nachteile auch weiterhin auf die Füße. Fachkräftemangel, schlechte Digitalisierung der Verwaltung und lückenhafte Breitband-Abdeckung lassen sich nicht von heute auf morgen beheben. Da helfen auch erschlossene Gewerbegebiete nicht. Der schwache Trost: Mit diesen Mängeln können auch andere Bundesländer dienen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 24.01.2023, 19:30 Uhr

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Beitrag von Hanno Christ

43 Kommentare

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  1. 43.

    >"..damit Deutschland bald wieder im internationalen Wettbewerb unter den TOP5 mitspielt."
    Sie haben die Abschaffung der Sozialbeiträge für die Gesellschaft und die Abschaffung der Steuern und die Abschaffung aller Sozialpläne vergessen. Wohin solche absoluten Kapitalgedanken führen, sieht man in den USA und ja... auch in Russland. Die haben keine eigenfinanzierten parlamentarisch kontrollierten Medien. Anarchie oder Alleinherrschaft ist das Ergebnis.

  2. 42.

    Sie brauchen den Kollegen nicht extra eine Kopie schicken. Wir bekommen automatisch alles von Ihnen in Kopie und teilen bei Bedarf.

  3. 41.

    Um hier Deutschland wieder wettbewerbsfähiger zu machen gehören neben einer zeitgemäßeren Verwaltung und Entbürokratisierung auch die IHK- und GEZ-Zwangsabgaben abgeschafft. Weniger Regeln und mehr Freiheiten für Unternehmen und Unternehmer - damit Deutschland bald wieder im internationalen Wettbewerb unter den TOP5 mitspielt.

  4. 40.

    Ist doch toll, dass in Brandenburg das neue Ruhrgebiet oder wie man neudeutsch sagt ein Silicon Valley entsteht. Als Bewohner der Metropolregion Berlin-Brandenburg freuen wir uns über diese Entwicklung. Nun müssen nur noch drei Themen bei uns in der Metropolregion von der Politik mit oberster Priorität angegangen werden:
    Fachkräftemangel, schlechte Digitalisierung der Verwaltung und lückenhafte Breitband-Abdeckung.

  5. 39.

    Dann führen Sie bitte die Beiträge auf, wo zum Vorteil von Tesla berichtet wurde. Gerade im Öffentlich Rechtlichen Rundfunk wird massiv Stimmung gegen Elon Musk und Tesla gemacht, mit dem Ergebnis das RBB-Reporter eben nicht zur Eröffnung und zum Tag der offenen Tür eingeladen waren.
    Gewiss, Elon Musks Art der Kommunikation ist auch Marketing - Viel Feind - viel Ehr. Wenn Journalisten aller Medien darauf einsteigen....

  6. 38.

    Das Gegenteil ist der Fall. Die Emotionen kochen hoch. Auch der Artikel hier suggeriert eine positive Entwicklung durch Tesla, ohne belastbare Zahlen zu bringen. Darauf hätte der Bundestagsmitarbeiter als Zweiter ein Recht. Zuerst sind wir Steuerzahler dran.

    P.S. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sind bei Geldverschwendung aber auch möglich...wenn politisch gewollt. Denn zuerst folgt die Staatsanwaltschaft der Politik. Richter und Rechtsanwälte nicht. Das ist i.O. in einer Demokratie.

  7. 37.

    Ostbrandenburg ist keine "Wüste", ich kenne die Wasserverhältnisse in Kapstadt und auf Zypern. Davon sind wir noch weit entfernt.
    Ich finde unser Umgang mit den Ressourcen ist nicht mehr zeitgemäß! Brauchen wir einen sterilen Zierrasen, den man täglich wässern muss, oder reicht eine Naturwiese, die man nur 2 mal im Jahr mäht? Müssen es exotische Pflanzen sein, die man mit speziellen Torf pflegen muss oder reichen Pflanzen aus der Region, die mit den Böden und dem Klima alleine zurecht kommen, zur Freude der heimischen Insekten.
    Brauchen wir in der Mitte von Berlin noch weitere Eigenheimsiedlungen, oder sollte nicht lieber kompakt und in die Höhe gebaut werden, um Grünflächen zu schonen?
    Braucht jeder einen SUV vor der Haustür oder sind der Ausbau des ÖPNV, sichere Fahrradwege und Car Sharing nicht sinnvoller? u.s.w.

  8. 36.

    In Gemeinderat von Grünheide hat nur eine Dame gegen den neuen B-Plan wg. Tesla-Erweiterung gestimmt. Sogar die BI will mit der aber nichts zu tun haben und hatte deshalb die Demos gegen Tesla ausgesetzt.

  9. 35.

    Hilft es Ihnen zum Verständnis meiner Antwort, wenn ich Ihnen schriebe, dass Tesla auch eine Fabrik Nevada hat?

  10. 34.

    Und genau das macht man nicht, wenn man einseitig zum Vorteil von Tesla berichtet.

  11. 33.

    Danke für das Signal. Wir (der progressive Teil meiner Gemeinderatsmitglieder) melden uns.
    Man dreht uns das Wasser ab, beraubt uns der Lebensgrundlage und die Öffentlichkeit schaut drüber weg, weil regionale Medien ein falsches Bild zeichnen und unsere Probleme zensieren.

  12. 32.

    Was hat die Auswahl der Themen mit Staatsanwaltlichen Ermittlungen zu tun? Rundfunkgebühren und Steuern werden doch wohl zuallererst von den Konsumenten dieser Öffentlich Rechtlichen Medien gezahlt. Deshalb ist gerade der RBB in der Pflicht, Themen aufzugreifen, welche die Menschen in der Region auch bewegen.
    Es geht in dem Artikel eben nicht nur um Tesla, sondern um grundsätzliche Fragen der Weiterentwicklung der Region in Zeichen des Klimawandels und der Ressourcenknappheit.
    Die Zeiten, in der die Politik den Medien vorgeschrieben hat, über was berichtet werden darf, sind seit über 30 Jahren vorbei.

  13. 31.

    Eigentlich gibt es genug Gewerbeflächen, leerstehende Industriegebäude von früher.
    Aber abreißen und teilweise Boden entseuchen ist teurer als neue Gewerbegebiete auszuweisen und dafür Landwirtschafts- oder Naturflächen plattzumachen.

  14. 30.

    Also nix neues , wobei Sie die in der Tat immer gleichen Hinweise auf geltendes Recht gerichtet an die Scheinheiligen putzigerweise für Whataboutism halten ...

  15. 29.

    Sie zeigen ja mit dem Finger auf Andere. Der Wasserverbrauch von Tesla ist aber am Thema vorbei. Wollen Sie nochmal meine Frage lesen? (Was nicht egal ist, ist die Zuteilung von Wasser und die Grundwasserpreise für eine geplante Fernwasserleitungsfinanzierung auf Kosten der Bürger?)

  16. 28.

    Da irren Sie sich, ganz gewaltig. Hier stehen Rundfunkgebühren und Steuern hinter und solche Themen können bekanntlich zu Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft führen.

  17. 27.

    Herr Leuer, sind die Mitarbeiter des Bundestages im Umgang und im Tonfall überhaupt richtig geschult? Oder sehen Sie hier ein „Unterstellungsverhältniss“ wo andere „springen“ müssen, wenn Sie etwas wollen?
    Andere würden sagen: Was fällt Ihnen ein? Und drehen sich um...

  18. 26.

    Scheinheilig ist das treffendere Eigenschaftswort für diejenigen die sich nur über Tesla aufregen, aber bei den anderen, fossilen Verbrauchern verdächtig still sind, obwohl man sich hochtrabend Wassertafel Berlin-Brandenburg bzw. Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg nennt.

    So mancher von denen hat wohnt direkt am See oder hat einen Brunnen hinterm Haus.
    Unwahr ist, dass der WSE nicht mehr in alle grundwasserrelevanten Fragestellungen einbezogen wird wie Sie auch in Ihrem anderem Kommentar einiges durcheinander gebracht haben.

    BTW: Es darf auch kein Tankeröl aus Russland mehr angelandet werden. In Rotterdam kann man das deshalb auch nicht mehr, anders als von Ihnen spekuliert, mit anderen Rohölen vermischen.

  19. 25.

    "Was steht dort neues drin, was hier nicht in den letzten drei Jahren diskutiert worden ist?"

    Das ist ihr Argument?! Ihr Whataboutism bei Tesla ist seit gefühlten drei Jahren auch immer derselbe.

  20. 24.

    Es gibt Anlass für die Berichte. Die Leser wollen wissen, wo unser aller Geld für die erheblichen Vorleistungen (Umspannwerk, Klärwerk, A10-Erweiterung, Bahnhofsneubau) bleibt, warum Wasser zugeteilt wird und wann zurückverdient wird. Denn es "droht" eine teure Fernwasserleitung. Der Artikel hier suggeriert "Aussichten".
    Wie sich die Teslaansiedlung in den Zahlen auswirkt?
    Einfluss auf die Arbeitslosenzahlen; Steuereinnahmen; Einfluss auf den BIP durch Neuansiedlungen usw.
    Also Messbares statt "Anzahl der Anfragen" wäre schön oder? Wenn Sie schreiben "obwohl eigentlich selten ein konkreter Anlass erkennbar ist" dann wollen Sie das "demokratisch" unterbinden? Der Anlass ist einfach: Wem wählt man als Wähler?

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