Grüne fordern strengere Kontrollen in Brandenburgs Ställen - Brandenburger Gutachten: Auch in der Massentierhaltung gilt das Tierschutzgesetz

Di 25.04.23 | 18:28 Uhr | Von Katrin Neumann
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13 Tage alte Hähnchen laufen durch einen Stall des Geflügelbetriebs Storkower Geflügelmast GmbH in Storkow (Kreis Oder-Spree), aufgenommen am 04.12.17 (Quelle: rbb|24 / Schneider).
Video: rbb|24 Brandenburg aktuell | 25.04.2023 | Bild: rbb|24 / Schneider

Nur zwölf Prozent aller Intensivtierhaltungsbetriebe in Brandenburg wurden zuletzt von den Aufsichtsbehörden kontrolliert. Die Grünen fordern, dass es pro Jahr 50 Prozent sein sollten - und das mit strengeren Standards. Für diese plädiert auch ein Rechtsgutachten. Von Katrin Neumann

  • 2021 wurden nur zwölf Prozent aller Intensivtierhaltungsbetriebe in Brandenburg von Veterinärämtern kontrolliert
  • Kontrollkriterien bislang unklar: EU-weite Mindeststandards (Nutztierhaltungsverordnung) oder strengere Bundesvorgaben (Tierschutzgesetz)?
  • Landesbauernverband lehnt strengere Kontrollen ab

Mehr als 8.000 Viehhaltungsbetriebe gibt es in Brandenburg, sie alle sollen laut Gesetz "regelmäßig" auf die Einhaltung von Tierschutz hin überprüft werden - das ist die Aufgabe der Veterinärämter. Für die Kontrollen aber stehen im gesamten Bundesland gerade einmal 37 Amtstierärzte (Stand 2021) zur Verfügung. Das führt dazu, dass Ställe statistisch alle acht bis neun Jahre kontrolliert werden [parlamentsdokumentation.brandenburg.de]. Ein aktuelles Rechtsgutachten im Auftrag der Grünen-Fraktion zeigt: Wenn ein Tierhaltungsbetrieb dann einmal überprüft wird, ist oft nicht klar, welche Tierschutz-Kriterien überhaupt gelten. Die Grünen im Brandenburger Landtag stellten das Gutachten am Dienstag vor.

Schwammige Vorgaben

Zwölf Millionen Nutztiere werden in Brandenburg in der Landwirtschaft gehalten. Nach Paragraf 2 des Tierschutzgesetzes müssen Halter sicherstellen, jedes einzelne Tier artgerecht zu pflegen, ernähren und unterzubringen [gesetze-im-internet.de]. Außerdem darf keinem Tier Schmerz, vermeidbares Leid oder Schaden zugefügt werden. Die deutlich laschere Nutztierhaltungsverordnung, auf die sich prüfende Tierärzte und Tierhalter bislang berufen, gewährleistet keinen ausreichenden Tierschutz, urteilt das neue Gutachten der Anwälte Ulrich Werner und Peter Kremer. Diese Verordnung regelt lediglich Mindeststandards, auf die man sich EU-weit geeinigt hat, beispielsweise zu baulichen Vorgaben von Ställen.

Maßstab einer jeden Tierbetriebskontrolle müsse das deutlich strengere Tierschutzgesetz sein. Bislang seien Kreistierärzte mit einer Art Handbuch ausgestattet, in dem formuliert sei, auf was bei einer Tierbetriebskontrolle zu achten sei. Diese informellen Handbuch-Vorgaben bewegten sich "irgendwo zwischen Nutztierhaltungsverordnung und Tierschutzgesetz", so einer der Gutachter.

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Große Unterschiede von Landkreis zu Landkreis

Obwohl Brandenburgs Ställe nur selten und mit niedrigeren Kriterien kontrolliert werden, stellen Amtstierärzte bei 35 Prozent der Kontrollen Verstöße fest. Deshalb geht der Grünen-Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus, wie er bei der Pressekonferenz am Dienstag sagte. Oft würden Verstöße gegen Tierschutz durch Tierschutzinitiativen öffentlich gemacht, nicht durch offizielle Kontrollen, so Raschke. Außerdem prüften die Landkreise sehr unterschiedlich häufig, wie eine Anfrage der Fraktion ergab. Danach wurden 2021 in der Prignitz 1,4 Prozent der Tierbetriebe kontrolliert, im Barnim 20,2 Prozent und in Frankfurt (Oder) 53 Prozent.

Zustimmung bekommen die Grünen von Naturschützern. Christiane Schröder vom Nabu sieht ihren Worten zufolge eklatante Tierschutzverstöße an der Tagesordnung. Diese könnten nur durch häufigere und strengere Kontrollen beendet werden. "Gerade Maßnahmen wie das Kupieren von Schnäbeln und Schwänzen in der Massentierhaltung müssen schnellstmöglich beendet werden. Das ist schon jetzt tierschutzrechtlich nicht vertretbar, aber immer wieder gelebte Praxis. Hierfür sind entsprechende Rahmengebungen, auch auf Landesebene notwendig und natürlich auch stärkere Kontrollen und Beratungen", sagte Schröder.

Landesbauernverband gegen strengere Kontrollstandards

Vertreter der Brandenburger Landwirte reagierten mindestens verärgert auf die Absichten der Grünen, Betriebe häufiger und strenger zu kontrollieren. Aus ihrer Sicht sei eine "Intensivierung der Kontrollen nicht angebracht", hieß es vom Landesbauernverband. Der Verband teilte dem rbb auf Anfrage mit, die bislang gültigen Prüfstandards reichten nach seiner Auffassung aus, um Tierschutz zu gewährleisten: "Die Tierschutzstandards in der Nutztierhaltungsverordnung sind für alle Tierhalter und Tierhalterinnen verbindlich und sorgen für Haltungsbedingungen, die kontrollierbar sind und sich auf den gesamten Bestand beziehen. Sind die Standards erfüllt, kann davon ausgegangen werden, dass auch den Bedürfnissen des Einzeltieres Rechnung getragen wird", hieß es vom Verband.

Ob, wie und ab wann strenger und häufiger kontrolliert werden kann? Noch offen.

Genau das bezweifeln die Grünen mit Verweis auf das nun vorgelegte Gutachten, wie sie sagen. "Tierschutz in Brandenburg lässt zu wünschen übrig", fasste der Fraktionsvorsitzende Raschke seinen Eindruck zusammen. Auch sei im Koalitionsvertrag mit CDU und SPD festgelegt, dass ein "landesweit einheitlicher, hoher Kontrollstandard gewährleistet sein soll". Raschke sagte aber auch, in den vergangenen Jahren sei bereits einiges erreicht worden. Er nannte als Beispiel einen Erlass, mit dem lange Tiertransporte und damit Tierleid eingedämmt würden. Die Kreise und kreisfreien Städte hätten in den vergangenen Jahren die Zahl der Beschäftigten in den Veterinärämtern spürbar erhöht, damit sei die Zahl der Kontrollen gestiegen. Diese reichten aber immer noch nicht.

Wie es zu dem für alle verbindlichen Tierschutzgesetz-Standard kommen soll, ließ Raschke am Dienstag offen. Zunächst würden Gespräche mit den Landkreisen darüber stattfinden, ob und wie häufigere Kontrollen vor Ort machbar sind und wieviel Personal es dafür überhaupt gibt. Ziel sei es, 50 Prozent aller tierhaltenden Produktionsstätten im Jahr einer Kontrolle unter Maßgabe des Tierschutzgesetzes zu unterziehen. 2021 wurden im Land nur zwölf Prozent aller Intensivtierhaltungsbetriebe kontrolliert.

Bis wann das umgesetzt werden kann, dazu gab es am Dienstag keine Aussagen. Auch nicht dazu, mit welchen Konsequenzen Tierhalter und Tierhalterinnen zu rechnen haben, wenn sie gegen die strengeren Standards verstoßen sollten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.05.2023, 18:30 Uhr

Beitrag von Katrin Neumann

11 Kommentare

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  1. 11.

    Wer ist denn politisch für das entsprechende Ressort zuständig? Die Grünen sollten sich mal an die eigene Nase fassen.

  2. 10.

    Ich finde es beachtlich, dass keine staatliche Struktur zu diesem Ergebnis kam sondern private Initiativen darauf hinweisen müssen, dass Tierschutz überall gültig ist.
    Was macht denn der Grüne Özdemir eigentlich?

  3. 9.

    Die Grünen fordern mehr Kontrollen! Es gibt doch einen grünen Landwirtschaftsminister in Brandenburg, da könnte man einiges machen. Die Forderung den Verzehr von Fleisch zu verbieten oder zu begrenzen, ist albern. Soll jeder essen was er mag und das muss der Stadt nicht vorschreiben, typisch deutsch.

  4. 8.

    man kann vieles jedoch werden sie die dadurch entstehende Schulden/ Insolvenz bzw höhere Kosten der Produktion steigende Preise der Produzenten bezahlen. Wer etwas ändern will muss auch mit den Konsequenzen leben.

  5. 7.

    Eine weitere Möglichkeit wäre auch, das wir alle einfach viel weniger Fleisch essen. Und das die EU aufhört mit Subventionen den Fleischexport zu pushen.

  6. 6.

    Wenn man sich auf die gesundheitlich empfohlenen 300g Fleisch pro Woche beschränkt kann man sich mit Leichtigkeit sogar Bio Qualität leisten, incl. Milch und Eiern.
    Man lebt gesünder und die Tiere haben es besser.
    Wer das nicht glaubt kann sich beim statistischen Bundesamt gern einmal anschauen wie viel in den 60ern ein Ei gekostet hat (in der BRD) da kann man auch Durchschnittsgehälter einsehen. Unter Fleischmangel hat die Küche meiner Mutter jedenfalls nicht gelitten.
    Schieben sie für Ihren Geiz auf Kosten anderer Lebewesen nicht die Niedriglöhner vor.

  7. 5.

    Na ja, man könnte die Ställe zwangsweise schließen, oder den Verzehr von Fleisch verbieten, oder... mehr Kontrolleure einstellen!

  8. 4.

    Stimmen die Grünen im Bundestag dann auch Steuer- und Sozialabgabensenkungen für Geringverdienern zu, damit Geringverdiener auch mehr Tierwohl einkaufen können?

  9. 3.

    Wer soll das zusätzlich kontrollieren? Ich bin auch stark für mehr Kontrolle, aber es geht schlicht weg nicht. Es fehlt das Personal.

  10. 2.

    Wichtig ist, dass die Kontrolleure vorbeikommen, in der Stube kaffee trinken und sich ein paar Bilder von den Ställen und Tieren zeigen lassen. Der Kaffee muss aber schmecken sonst werden Verstöße angezeigt.

  11. 1.

    "Zwölf Millionen Nutztiere werden in Brandenburg in der Landwirtschaft gehalten." 2,5 Millionen leben in Brandenburg. Bei der "Wohnfläche" habe ich keinen Vergleich, weiss da jemand mehr?

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