Trend zu Zeitfenster-Reservierungen - Speisen mit der Uhr im Blick

Fr 26.05.23 | 07:56 Uhr | Von Kira Pieper
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Symbolbild: Gäste sitzen am 28.08.2015 in Berlin im Café. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Bild: dpa/Paul Zinken

Essen gehen und dann noch länger zusammensitzen? In Berlin ist das manchmal nicht ohne weiteres möglich. Denn Restaurants vergeben bei Reservierungen teils Zeitfenster von maximal zwei Stunden. Dafür haben sie auch gute Gründe, wie der Hotel- und Gaststättenverband erklärt. Von Kira Pieper

  • Restaurants vergeben in Berlin immer öfter zeitlich begrenzte Tisch-Reservierungen
  • Mithilfe der Praxis können sie mehr Gäste an einem Abend bewirten und mehr Umsatz machen
  • Dehoga erklärt die Zeitfenster-Methode mit dem steigenden Kostendruck auf die Betriebe
  • Verbraucherzentrale verzeichnet kein erhöhtes Beschwerdeaufkommen aufgrund der Reservierungspraxis

In einem Restaurant nett abends essen gehen? Wer sichergehen möchte, einen Platz in seiner anvisierten Lieblings-Location zu ergattern, reserviert besser vorab und das am liebsten online mit wenigen Klicks.

Doch während dieses Prozesses kommt die Vorfreude mitunter einen Dämpfer: Denn viele Restaurants vergeben ihre Tische nur noch für eine Zeitspanne von zwei Stunden. So können mehr Gäste an einem Abend speisen, das bedeutet mehr Umsatz für die Gastronomen. Für die Kunden bedeutet das aber auch Stress: Drei Gänge in zwei Stunden, hat mit gemütlichem Essen und Beisammensein für manche nicht mehr viel zu tun.

Kosten belasten Gastronomen

Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Berlin, erklärt auf Nachfrage von rbb24: "Leider machen die rasant steigenden Kosten in den Bereichen Mieten, Energie, Lebensmittel und Personal diese Vorgehensweise notwendig." Die Betriebe müssten Wege finden, um ihre Kalkulation in den Griff zu bekommen.

Mehrere Corona-Lockdowns und -Beschränkungen und zuletzt die steigende Inflation setzten der Gastronomie-Branche schwer zu. Laut Statistischem Bundesamt lagen die Umsätze in der Gastronomie 2022 immer noch 12,5 Prozent niedriger als im Vor-Corona-Jahr 2019.

International gang und gäbe

Laut einer Dehoga-Umfrage [dehoga-bundesverband.de] leidet die Branche außerdem deutschlandweit unter einem immensen Kostendruck. Demnach beschreiben Betriebe die steigenden Energiekosten aktuell als größte Herausforderung. Nach Angaben der Unternehmer sind die Energiekosten im Februar 2023 gegenüber Februar 2022 um durchschnittlich 71 Prozent gestiegen. Auch die Inflation schlägt zu Buche: Die Kosten für Lebensmittel lagen 31 Prozent und für Getränke 20,5 Prozent über den Vorjahreswerten.

Zudem sei die Zeitfenster-Vergabe mittlerweile in vielen internationalen Großstädten schon lange eine Selbstverständlichkeit, sagt Dehoga-Geschäftsführer Lengfelder. Und ergänzt: Wählt der Kunde spätere Timeslots, seien diese oftmals auch gar nicht notwendig. Meistens könne der Gast dann länger verweilen oder sogar bis zum Schluss bleiben.

Kein Thema bei Verbraucherzentrale

Beschwerden wegen der Zeitfenster-Praxis in Berliner Restaurants seien bei der Verbraucherzentrale Berlin bislang kein Thema, erklärt Simon Götze. Er ist Jurist bei der Verbraucherzentrale und ergänzt auf Nachfrage von rbb|24: Solange die Bedingungen für die Reservierung im Vorfeld deutlich gemacht würden, sei die Vergabe von Zeitfenstern in Ordnung. Schließlich stünde es den Gästen frei, ob sie das Angebot annehmen wollen oder nicht.

Aus verbraucherrechtlicher Sicht sollte es dennoch selbstverständlich möglich sein, dass ein gewöhnliches Menü mit Vor-, Haupt- und Nachspeise gemütlich verzehrt werden könne, so Götze. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin vom Dehoga-Bundesverband, sagt dazu: zeitlich begrenzte Reservierungen seien nicht das Ende der deutschen Gemütlichkeit. Für den Erfolg eines Restaurants seien gutes Essen, freundlicher Service und Wohlfühlatmosphäre die entscheidenden Faktoren.

Beim Internationaler „L'Art de Vivre Wettbewerb“ für Servicekräfte in Restaurants und Hotels trägt eine Servicekraft Teller zu den Tischen der Gäste. (Quelle: dpa/Annette Riedl)

Beitrag von Kira Pieper

50 Kommentare

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  1. 50.

    Das habe ich noch nie erlebt, außer der einzig freie Tisch war beispeelsweise ab 21 Uhr bereits reserviert, und dann haben wir vor Ort enschieden ob die Zeit ausreicht, oder nicht,.
    In Restaurants, die mir grundsätzlich vorschreiben, wie lange ich bleiben darf, die kommen für mich nicht in Frage.

    Der Kunde ist König, und in Berlin gibt es genug Lokale, die nach diesm Motto verfahren!

  2. 49.

    Ein Lokal, dem Stressfreiheit des Personals wichtiger sind als meine als zahlende Kundin darf gerne so agieren- wenn es sich das leisten kann! Die Rezession macht auch vor der Gastro nicht Halt, wie die Frau Hartges so schön feststellte.
    Btw. für genügend und gutes Geld bekommt man noch immer das, was man möchte.

  3. 48.

    Ihre Wortwahl lässt zweierlei Schlüsse zu. Entweder wissen Sie nicht, was "Essen gehen" ausmacht, weil es in Ihrem Leben nicht stattfindet oder Sie wollen einfach nur provozieren.

    Auch wir meiden Restaurants mit Zeitfenster. Wer mein Geld will, der drängt mich nicht. Wir gehören zu den Leuten, die erst gemütlich futtern und danach, während des "Rumlungerns" werden noch einige Getränke bestellt.
    Frau Hartges von der DEHOGA hat wohl nicht verstanden, was eine Wohlfühlatmosphäre ausmacht.

  4. 47.

    Ist doch richtig. Wer nichts mehr bestellt fliegt per Rechnung raus. Herumlungern oder stundenlang an einem Glas herumnuckeln ist nicht. Gastronomie ist ein Geschäft und keine Herberge.

  5. 46.

    ""Leider machen die rasant steigenden Kosten in den Bereichen Mieten, Energie, Lebensmittel und Personal diese Vorgehensweise notwendig." Die Betriebe müssten Wege finden, um ihre Kalkulation in den Griff zu bekommen."
    Gute Qualität, freundliches Personal und wenn die "Portionsgröße" nicht auch noch analog zum Preisanstieg abnimmt wäre das bestimmt ein Weg. Teurer wird ja nun nahezu alles, is' leider so, aber wenn mir beim gemütlichen Futtern mit Freunden eine Eieruhr mit serviert werden soll, ist Schluss mit Lustig. Zeitfenster von zwei Stunden - gehts noch? Nach dem Aperitif und der Vorspeise will ich auch noch was essen.

  6. 45.

    Bitte halten Sie sich an Ihre Worte. Etwas mehr Platz für die anderen Gäste und weniger Stress für das Personal. Danke!

  7. 44.

    Ich muss in einem solchen Restaurant nicht essen. So einfach ist das. Das Restaurant ist von mir als Kundin abhängig- nicht umgekehrt.

  8. 43.

    Klar müssen wir! Schließlich sind wir in unserer Gesellschaft auch immer mehr neoliberale Kapitalisten!

  9. 42.

    Aber im Ernst: man kann doch einfach 2 Slots buchen (ggf. auf zwei unterschiedliche user Namen als Gruppe, sollte es systemseitig sonst nicht gehen). 18-20 Uhr und 20-22 Uhr.

  10. 41.

    „Kunde gleich König ist auch in der Gastro vorbei!“
    Das mag für die City gelten, aber Berlin ist tatsächlich größer, auch wenn das HIER oft nicht so rüber kommt!

  11. 40.

    Seid froh, dass es überhaupt noch Leute gibt, die euch bekochen und bedienen. Heutzutage findet jede und jeder halbwegs pfiffige Mensch auch einen anderen Job mit besserer Bezahlung und ohne maulende Kunden.
    Kunde gleich König ist auch in der Gastro vorbei!

  12. 39.

    Müssen wir den Amis alles nach machen???

  13. 38.

    Was soll die Gastronomie machen?
    Werden Preise erhöht, lehnen die Gäste dies ab ...
    Werden Zeitfenster eingeführt, lehnen die Gäste dies ab ...

    Also alles so lassen, wie es ist?
    Kann sich kein Restaurant leisten.

    M.E. sollte jeder überlegen, ob er zwei Stunden bei einem kleinen Bier einen Platz für einen mehr zahlenden Gast "blockiert".
    Ein Gastronom ist Arbeitgeber, muss seine Leute/Miete/Strom ect. bezahlen, also wirtschaftlich arbeiten.

  14. 37.

    Auch nicht überall. Nur in den großen Ketten Diner Restaurants.

  15. 35.

    Was ist das Problem, jeder kann in seinem Gewerbe tun was er möchte. Und wir als Bürger müssen da ja nicht essen gehen. Also ist das doch alles keine Diskussion wert. Wenn ich feststelle das schmeckt mir nicht, die Zeit ist zu kurz oder was auch immer hinterlasse ich eine schlechte Bewertung und esse das nächste mal woanders oder zu Hause...

  16. 34.

    "Ja! Wir sind wir hier aber nicht in den USA. Die können das dort gerne so machen."

    Sagen sie das nicht mir, sagen sie das den US Family-Restaurants.

  17. 33.

    Bisher habe ich das mit den Zeitfenstern in Restaurants nur zu Weihnachten erlebt. Ich finde es allerdings ziemlich merkwürdig, zumal sicherlich viele Leute ohnehin nach zwei Stunden fertig sind und gehen.
    Bei der oben erwähnten Weihnachtsreservierung war für mich besonders unangenehm, dass dort als Startzeit 12 und dann wieder 14 Uhr zur Auswahl standen. Damit gab es unsere Wunschzeit 13 Uhr gar nicht.
    Museen o.ä. mit dieser Zeitfenster-Manie meide ich möglichst.
    Mit Zeitfenstern wird aus meiner Sicht die Freizeit entwertet: Das Hetzen von Termin zu Termin ist für viele Arbeitsalltag. Freizeit bedeutet für mich, möglichst ungeplant und nach Lust und Laune zu agieren.

  18. 32.

    Bin mir sicher, dass das auf Dauer mehr Einbruch als Umsatz bringt.
    Das "große Geld" macht die Gastro mit Getränken und die werden mehr nach als beim Essen bestellt... Also nicht unter Zeitdruck.
    Meine Restaurantliste würde sich verkleinern, dann treffen wir uns eben woanders.
    Mag sein, dass es "weltweit" Usus ist, aber wir sind nicht die Welt.
    Wird sonst auch immer als Argument gebracht :-)

  19. 31.

    Wenn ich nach zwei Stunden noch zusammen sitzen und was trinken möchte und dann quasi rausgeschmissen werde, war es mir Sicherheit der letzte Besuch in dem Lokal.
    Und Trinkgeld gibt es dann selbstverständlich auch nicht.

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