Gasag-Finanzchef zum Heizungsgesetz - "Am Ende des Tages muss die Rechnung jemand zahlen"
Seit Jahresbeginn müssen Heizungen in Neubauarealen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Der Finanzvorstand der Berliner Gasag über den Run auf Abwärme, die Rolle von Wasserstoff und die Kosten der Energiewende.
rbb|24: Herr Hadré, Sie sind Finanzvorstand bei der Gasag. Welche Auswirkungen hat das Gebäudeenergiegesetz bisher für Ihr Unternehmen?
Stefan Hadré: Es hat eine große Verunsicherung mit sich gebracht. Das konnte man schon bei der Anbahnung des Gesetzes sehen - das ist ja seit Mitte letzten Jahres diskutiert worden. Viele Hauseigentümer standen vor der Frage: Was mache ich denn jetzt?
Ende des letzten Jahres gab es noch eine große Rallye. Viele Gebäudeeigentümer haben noch mal eine Gas- oder Ölheizung eingebaut. Das ist natürlich nicht das, was man sich politisch gewünscht hatte.
Es gibt sehr viel Beratungsaufwand, auch bei unseren eigenen Klienten. Da stecken wir gerade mittendrin. Denn natürlich ist die Investition nicht ganz günstig – auch der Energiepreis, der da dranhängt.
Zwei Drittel aller Gebäude in Berlin werden mit Erdgas beheizt, weitere 19 Prozent mit Öl und Kohle, nur acht Prozent der Gebäudewärme stammen im Moment aus erneuerbaren Energien. Jetzt sagt die Gasag, sie will bis 2040 klimaneutral sein. Wie wollen Sie das schaffen?
Das ist tatsächlich eine Mammutausgabe, denn der Absatz von Erdgas ist sehr groß.
Es gilt jetzt, sukzessive dieses System umzustellen, das heißt, alle Möglichkeiten zu nutzen, wo wir aus Produktionsprozessen ohnehin Abwärme haben. Berlin ist keine Stadt, die sehr stark von Industrie geprägt ist, nichtsdestotrotz gibt es da Potenziale. Geothermie wird sicherlich ein Teil der Lösung sein oder die Nutzung von Rechenzentren voranzutreiben - etwas, das die Gasag auch versucht. Dort, wo bei Produktionsprozessen ohnehin Abwärme anfällt, sich die zunutze machen: letztlich auch über kleinere dezentrale Wärmenetze, um die dann zu den einzelnen Haushalten leiten zu können.
Auf Ihrer Website heißt es, wir glauben an die Potenziale von grünem Wasserstoff. Den herzustellen ist aber ziemlich teuer, das verbraucht viel mehr Strom als zum Beispiel direkt mit Strom zu heizen. Die Netze für Wasserstoff sind auch noch nicht bereit, sagen Experten. Wie kann der Energieträger für Sie so entscheidend sein?
Alles, was heute auf carbonhaltigen Brennstoffen basiert, sprich Erdgas und Erdöl, auf strombasierte Lösungen umzustellen, wird das Berliner Stromnetz nicht leisten können. Die Leistung, die das Berliner Stromnetz in der Spitze zu leisten hat, sind zwei oder 2,5 Gigawatt. Um mal eine Größenordnung zu geben: Das ist ungefähr die Kapazität, die zwei Kernkraftwerke produzieren.
Der Wärmemarkt insgesamt ist ungefähr um den Faktor fünf bis sechs mal größer als das Stromnetz. Das heißt: Selbst wenn ich eine Verdopplung der Kapazitäten im Stromnetz realisieren könnte, was innerhalb einer Stadt im laufenden System sicherlich auch schon eine sehr, sehr große Herausforderung wäre, reicht es bei weitem nicht aus, um den Wärmemarkt abzudecken.
Deswegen glauben wir, dass gasbasierte Brennstoffe weiterhin eine Rolle spielen werden. Da ist man relativ schnell bei Biomethan - das wird es in Berlin wahrscheinlich auch nur in beschränktem Umfang geben. Und am Ende tatsächlich auch Wasserstoff.
Jetzt sagen Experten, Wasserstoff ist ein anderer Stoff als Erdgas mit anderen Eigenschaften. Der kann zum Beispiel Korrosion verursachen und ist leichter entflammbar. Außerdem müssten alle vorhandenen Zähler und Heizungen ausgetauscht werden. Das hört sich nach immensen Kosten bei bestehendem Restrisiko an. Das wollen Sie tragen?
In der Tat hat Wasserstoff andere physikalische Eigenschaften. Wir gehen aber nicht davon aus, dass es möglich sein wird, Erdgas eins zu eins durch Wasserstoff zu ersetzen. Das ist mittlerweile auch Branchenmeinung. Das heißt, es wird eine zentrale Lösung geben. In der Areal- oder Objektversorgung, wo man Wasserstoff zum Teil zusätzlich nutzt, hat man auch Hybridlösungen. Aber sicherlich nicht beim Gasherd in der Flamme unterm Topf.
Das Ganze wird sehr, sehr kapitalintensiv. Da glaubt aber die Gasag, gut darauf vorbereitet zu sein. Wir haben Geschäftsbereiche mit kompetenten Mitarbeitern, die solche Planungen durchführen und dann sukzessive das, was heute noch über Erdgasnetze versorgt wird, auf andere technische Lösungen umstellen.
Wenn Sie sagen, das kostet immens viel Geld für die Gasag - was bedeutet das für die Kundinnen und Kunden? Die zahlen das am Ende mit, oder?
Am Ende des Tages muss die Rechnung jemand zahlen. Die Gasag ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen und das sind genau die Kosten, die aus dieser Wärmewende resultieren. Der Vorteil ist, dass es langlebige Investitionen sind, das heißt die werden gestreckt auf eine Vielzahl von Jahren. Aber es ist vollkommen richtig: Die Investitionen, die wir in Deutschland in das Energiesystem und ganz konkret in das Wärmesystem haben, werden auf der Rechnung der Kunden auftauchen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christoph Kober, rbb24-Inforadio
Es handelt sich um eine leicht gekürzte und redigierte Fassung des Interviews.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.08.2024, 08:45 Uhr
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