Verpackungsmüll - Eberswalde versucht mit eigenen Mehrweg-System nachhaltiger zu werden

Fr 15.11.24 | 14:43 Uhr
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Ein Mehrwegbecher wird mit Kaffee gefüllt. Bild: rbb
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 14.11.2024 | Franz Talke | Bild: rbb

Seit zwei Jahren müssen europäische Geschäfte Mehrwegbehälter für Essen und Getränke anbieten. In Eberswalde gibt es schon länger ein lokales Mehrweg-Pfandsystem. Die Macher werben mit Nachhaltigkeit - bisher mit mäßigem Erfolg.

Einen schnellen Kaffee to go am Morgen zu holen, gehört für viele Menschen in Brandenburg zum guten Start in den Tag. Dabei wird meist ein Einwegbecher verwendet – nur wenige bringen einen eigenen Thermobecher oder ein anderes Mehrweggefäß mit. In der Mark werden laut Schätzungen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung jede Stunde etwa 10.300 Kaffeebecher und 12.300 Einwegessensboxen weggeschmissen. Die Becher und Schalen landen häufig im Müll oder werden achtlos auf der Straße entsorgt – manchmal sogar in Wäldern und Gewässern.

In Eberswalde gibt es deswegen seit 2017 ein Mehrwegprojekt mit dem Namen "Nachfüllbar", das wiederverwendbare Behälter attraktiver machen soll. Das Mehrwegbecher-Pfandsystem soll nach Angaben der Initiatoren das die "Einwegbecherflut" eindämmen und gleichzeitig für die entstehenden Probleme sensibilisieren. Die Mehrwegbecher kosten 2,50 Euro Pfand.

30 Cent Rabatt pro Kaffee

Das Projekt stand zwischendurch auf der Kippe, als das Land im Januar 2023 die Zusammenarbeit beendete – gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der EU-Verordnung. Doch das Projektteam machte ohne Hilfe des Landes weiter. Zwölf Partner nehmen daran teil, darunter das Studentenwerk, der evangelische Kirchenkreis und mehrere Cafés.

"Bei uns bekommt der Kunde, der einen eigenen Becher mitbringt, beziehungsweise ein Pfandsystem nutzt, 30 Cent Rabatt auf den Kaffee", sagt Bio-Bäcker Björn Wiese, der mehrere Geschäfte in Eberswalde betreibt und "Nachfüllbar"-Mehrwegbecher anbietet. "Ich finde, man muss sowas manchmal ein bisschen belohnen. Wenn wir es ins Positive drehen, dann kommt es gut bei den Kunden an." Das System sei für sein Geschäft praktikabel und werde auch genutzt. Trotzdem entscheide sich ein Großteil der Kunden immer noch für Einwegbecher, gibt der Bäcker zu. Nur etwa jeder zehnte Kunde verwende Mehrwegbecher.

Diese sind laut Experten nur dann nachhaltiger als Einwegbecher, wenn man sie mindestens zehn- bis fünfzehnmal benutzt. Auch das Material spielt eine wichtige Rolle, häufig wird auf Kunststoff zurückgegriffen. Dabei empfiehlt die Verbraucherzentrale Glas-, Porzellan- oder Edelstahlgefäße als nachhaltige Alternativen. Bei Kunststoffbehältern sollte man darauf achten, dass sich bei heißen Mahlzeiten keine Weichmacher lösen.

Mehrwegangebotspflicht seit 2023

Was in Eberswalde seit Jahren praktiziert wird, ist seit Anfang 2023 europaweit Pflicht. Um die Probleme des Verpackungsmülls zu verhindern, brachte die Europäische Union damals eine Verordnung auf den Weg, die Einwegplastik in der Gastronomie reduzieren sollte. Seitdem müssen Mehrwegbehältern für Essen und Getränke angeboten werden. Doch es gibt zahlreiche Ausnahmen, unter anderem müssen sich kleine Verkaufsstellen wie Imbisse oder Spätis mit weniger als 80 Quadratmeter Geschäftsfläche nicht daranhalten.

Jens Pape, Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) kritisiert die bisherigen Ergebnisse der Regelung: "Wir sind in Deutschland mit 225 Kilogramm Verpackungsmüll pro Bürger Spitzenreiter in Europa und insofern muss an der Stelle was getan werden", sagte Pape dem rbb. Das Gesetz sei ein zahnloser Tiger, komplex und mit zu vielen Ausnahmeregelungen. Sie gelte zum Beispiel nur für Plastik und nicht für Einweg-Verpackungen aus anderen Materialen.

Professor: Einheitliche, großflächige Systeme wären besser

Außerdem könnte man Einwegbehälter unattraktiver machen, so der HNEE-Professor "Wir haben das Problem, dass Einweg finanziell nicht schlechter gestellt wird und dass die entsprechenden Vollzugsbehörden nicht die Kapazitäten haben, um diese Mehrwegangebotspflicht tatsächlich auch zu kontrollieren."

Für Professor Pape sind "Insellösungen" für einzelne Städte mit eigenen Mehrwegbecher wie in Eberswalde ein erster Schritt aber keine optimale Lösung. Mehr Menschen von Mehrwegbehältern zu überzeugen, gelinge nur, "wenn man einheitliche Systeme hat, die man großflächig nutzen kann", so Pape. Für einheitliche Systeme brauche es zum Beispiel Rückgabeautomaten und mehr Lokale, die an einem solchen Projekt teilnehmen. Auch Steuervergünstigungen für wiederverwendbare Verpackungen seien aus Expertensicht eine gute Lösung.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 15.11.2024, 19:30 Uhr

Mit Material von Corinna Cerruti und Georg-Stefan Russew

3 Kommentare

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  1. 3.

    Lieber Andreas,
    der Mensch ist so faul, wie die Rhmembedingungen es zulassen. Und ja, richtig erkannt, für wirksamen Umweltschutz und eine nachhaltige Lebensweise geht es auch um Verhaltensänderungen.
    Schön wäre es doch, wenn alle bereit wären, ihre Komfortzone ein klein wenig zu verlassen - gerade bei Kaffeebecher ist das ja auch wirklich nicht so schwer.
    Also, gleich den Kaffeebecher einpacken. :-)

  2. 2.

    Der Mensch ist nunmal grundsätzlich faul.
    Ist etwas zu kompliziert, wird es nicht ge/benutzt.
    Und kompliziert können wir gut.
    Gäbe es an jeder 2. Straßenecke etwas zum zurückgeben würde es sicher häufiger genutzt werden aber keiner hat Lust die Verpackungen erst einmal den halben Tag durch die Gegend zu tragen.
    Aber vermutlich wird man eher daran arbeiten wie man die Bevölkerung umerziehen kann als es allen einfacher zu machen.

  3. 1.

    Porzellan und Glas sind schwer und zerbrechlich und ich vermute, dass auch die Herstellkosten höher sind als bei Plaste.
    Ebenso sieht es bei Edelstahl. Auch der Energieaufwand für die Herstellung dürfe höher sein.
    Und mal ganz ehrlich, man kauft sich einmal einen Mehrwegebecher, vergisst ihn zu Hause im Schrank und greift wieder auf die Einwegbecher zurück, wenn man vergessen hat sich selbst seinen Thermobecher zu Hause zu füllen.
    Eine Angebotsreduzierung wäre eine Lösung(oder ist diese ggf bereits erfolgt- da die Nachfrage ggf gesunken ist? ) und vielleicht sollte man erst einmal andere Produkte, welche leichter händelbar sind ins Visier nehmen. Joghurt z.Bsp., aber mit wirksameren Methoden, als die aktuellen Verpackungsvarianten und Pfandsysteme vermuten lassen.

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