Test zur Vier-Tage-Woche - "Für die Menschen hat sich deren Lebenszufriedenheit signifikant verbessert"

Mi 20.11.24 | 14:03 Uhr
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Carsten Meier, von der Unternehmensberatung Intraprenör und Initiator des Pilotprojekts zur Vier-Tage-Woche in Deutschland (Quelle: dpa/Fabian Strauch)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.11.2024 | Interview mit Carsten Meier | Bild: dpa/Fabian Strauch

In vielen Ländern wird die Vier-Tage-Woche immer populärer; in Deutschland besteht noch Skepsis. Eine Studie zeigt nun: Arbeitnehmer fühlen sich deutlich besser. Carsten Meier, einer der Studienautoren aus Berlin, über Chancen für Arbeitnehmer und -geber.

 

  • Sechs Monate lang testeten 45 Unternehmen in Deutschland die Vier-Tage-Woche mit verkürzter Arbeitszeit
  • 90 Prozent der Mitarbeitenden gaben an, dass sich ihr Wohlbefinden verbessert hat. Auch Krankentage gingen leicht zurück. Stabil blieb hingegen die Produktivität mit Tendenz nach oben
  • Die Einführung führte zu einer deutlichen Reduzierung sowohl der wöchentlichen Arbeitstage (-0,45 Tage) als auch der Arbeitsstunden (-3,95 Stunden). Zudem sanken die monatlichen Überstunden (-1,58 Stunden)
  • Die große Mehrheit der Betriebe will mit der Vier-Tage-Woche weiterarbeiten

Zur Person

Carsten Meier ist einer der Studienleiter und Unternehmensberater bei Intraprenör in Berlin. Die Studie wurde gemeinsam mit der Universität Münster durchgeführt.

rbb: Herr Meier, was sagen die Beschäftigten, die die Vier-Tage-Woche sechs Monate lang ausprobiert haben? Sind sie zufrieden damit?

Carsten Meier: Ein großer, großer Teil ist zufrieden. Über 90 Prozent der Arbeitnehmenden sagen, sie würden gern weiter in der Vier-Tage-Woche arbeiten. Sie sagen aber auch, man müsste ihnen ungefähr 20 Prozent mehr Gehalt zahlen, um wieder in eine Fünf-Tage-Woche zu wechseln.

Für die Menschen hat sich deren Lebenszufriedenheit signifikant verbessert. Sie haben nicht so sehr ein besseres Bild von Arbeit, sondern ein besseres Bild von Arbeit und Leben zusammen. Sie haben vor allem Zeit für Familie, für Hobbys, was Teil des Alltags geworden ist. Das ist am Ende das, warum viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dem Kontext gesagt haben, so würden sie gerne weiter arbeiten und leben.

Die Arbeit muss ja gemacht werden. Organisieren sich die Leute in vier Tagen besser oder wie funktioniert das? Oder machen Sie heimlich am fünften Tag doch noch was fertig?

Das wäre so die typische These. In Wirklichkeit ist es so, dass sich die Überstunden signifikant reduziert haben. Wir müssen davon ausgehen, dass in weniger Zeit die gleichen Ergebnisse erzielt wurden - zumindest wenn man den Umsatz- und den Gewinndaten glaubt, die uns die Unternehmen berichtet haben. Das heißt, wir haben es schon mit einer Produktivitätssteigerung auf dem Papier zu tun.

Was die Führungskräfte und die Mitarbeitenden uns mitgeteilt haben, ist, dass sie sehr stark daran gearbeitet haben, wie können wir Prozesse verändern, wie können wir Dinge optimieren, wie können wir Dinge digitalisieren, wie können wir aber auch Zeiten im Alltag schaffen, wo wir bewusst nicht E-Mails schreiben, sondern wo wir uns fokussieren, unsere Aufgaben zu erledigen.

Das ist in diesem Kontext von Digitalisierung ein Thema, dass wir einfach sehr schnell sehr abgelenkt sind im Alltag. Dadurch können wie unsere Gedanken oder unsere Aufgaben nicht zu Ende bringen.

Darüber haben diese Unternehmen viel nachgedacht. Das ist auch das Wichtigste für mich, dass sie ihre Mitarbeitenden von Anfang an mit eingebunden und gefragt haben, wie würdet ihr den Alltag verändern, damit wir in weniger Zeit mehr schaffen. Diese Einbindung der Menschen macht am Ende einen großen Unterschied.

Zeigt die Studie, dass wir zu viel andere Dinge machen, die gar nichts mit der Arbeit zu tun haben?

Ja, Arbeit ist immer die Frage, wie man es definiert. Also zum Beispiel Meetings definieren wir ja auch als Arbeiten. Das ist ein ganz wichtiger Teil von Besprechungen oder E-Mails schreiben, Telefonate führen. Man könnte natürlich aber auch sagen, den wirklichen Mehrwert für Kunden beispielsweise liefere ich nicht in einem Meeting, sondern bestenfalls, wenn ich ein Produkt entwickle, das verschicke und so weiter.

Es müsste darüber nachgedacht werden, wie viel von diesen Austauschformaten braucht man? Wie kann ich die besser organisieren, um eben am Ende auch mehr zu erreichen? Das ist glaube ich eine wichtige Frage und die hat aber dann auch viel mit Führung, mit Kultur, mit Organisation zu tun. Deswegen geht es am Ende nicht nur um den freien Freitag beispielsweise, sondern eben um viel mehr, nämlich wie organisieren wir Arbeit zukünftig besser.

Während in Großbritannien fast alle Unternehmen die Vier-Tage-Woche beibehalten wollen, gibt es bei Ihren Testunternehmen trotz positiver Stimmung eine gewisse Zögerlichkeit. Woran liegt das?

73 Prozent der Unternehmen haben sich entschieden, weiterzumachen. Ich würde das erstmal als eine große positive Zustimmung wahrnehmen. Aus meiner Sicht ist der Grund, warum das keine 90 Prozent sind, wie zum Beispiel in England, dass wir hier in Deutschland sind und das einfach der typische Deutschlandfaktor ist. Wir sind eben nicht so enthusiastisch, einer neuen Idee immer direkt den vollen Glauben zu schenken. Ich denke, das ist auch gut.

Das heißt, wir haben Unternehmen dabei, die die Vier-Tage-Woche noch nicht umsetzen, sondern erstmal durch ihre Gremien gehen wollen, die weiter diskutieren und sich nochmal neu entscheiden, setzen sie das jetzt um oder nicht.

Zum Nachlesen

Wir haben Unternehmen dabei, die gesagt haben, für uns hat diese Vier-Tage-Woche gefühlt weniger Flexibilität. Es war herausfordernder, Sachen zu organisieren, insbesondere beim produzierenden Gewerbe, die sich deswegen für andere Formen entschieden haben, wie sie attraktiver werden können für Arbeitnehmende. Und das ist total richtig.

Am Ende geht es nicht darum, etwas zu finden, was für alle Branchen, für ganz Deutschland das Richtige ist, sondern eben Menschen oder Unternehmen zu helfen, sich auf den Weg zu machen, was passt eigentlich zu mir und was ist da die beste Lösung.

Kann man das so pauschal sagen, dass das produzierende Gewerbe tendenziell eher weniger geeignet ist? Geht es eher um Branchen, wie beispielsweise Dienstleistungs-, Servicebereiche und Unternehmensberatungen?

Das kann man nicht so sagen. Wir haben zwei eher größere Unternehmen gehabt, die diesen Prozess abgebrochen haben. Daraus würde ich zumindest implizieren können, dass größere Unternehmen möglicherweise bereits effizient und durchstrukturiert aufgestellt sind, dass es sehr viel schwieriger fällt, Produktivitätsgewinne mit weniger Zeit umzusetzen. Das wäre eine These, die man stellen könnte. Ob das im produzierenden Gewerbe schwieriger ist, können wir zumindest mit der Studie nicht belegen.

Wir sehen zum Beispiel aber auch, dass Handwerksbetriebe oder Kitas positive Effekte verzeichnen konnten.

Dieses Vorurteil passt nur für Menschen, die am Laptop arbeiten oder im Dienstleistungsgewerbe unterwegs sind. Da würde ich auf jeden Fall nicht mitgehen.

Ich denke, in Organisationen, wo Produktivitätsgewinne nicht mehr so leicht erreichbar sind, wird es definitiv schwieriger und braucht möglicherweise mehr Zeit und mehr Gehirnschmalz, um diese Ergebnisse zu erreichen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Carsten Meier führte Jan Pallokat für rbb24 Inforadio. Hier handelt es sich um eine gekürzte Fassung, das ganze Gespräch können Sie in dem eingebundenen Audio hören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.11.2024, 11:05 Uhr

17 Kommentare

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  1. 15.

    *Arbeit

  2. 14.

    Ohne das Interview gelesen zu haben, aber wer hätte das gedacht, dass sich die Lebenszufriedenheit mit weniger Arbeit steigert..

    Vor mittlerweile 35 Jahren, als um die 30-Stunden-Woche gekämpft wurde, haben die Leute gedacht, sie würden in Zukunft nur noch 20 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Doch dann hat das Kapital zurückgeschlagen und jeder weiß, was passiert ist.
    Und heutzutage wird über sowas diskutiert..

  3. 13.

    Weniger Arbeit - egal ob im beruflichen oder familiären Umfeld - fördert immer das Wohlbefinden ?!
    Weniger Arbeit für gleiches Geld > funktioniert nicht, da Produkte teurer werden und das dann ggf. wieder zu mehr Stress/Arbeit führt?
    Wei soll ein U-Bahn-Schaffner in gleicher Zeit merh leisten? Ein Bäcker > macht er eh schon schnell und spitz kalkuliert!
    Wie ein Pfleger?
    Wie soll der Bedarf bei sinkenden Berufsanfängern gedeckt werden?
    Wie soll die Schere, die dadurch in der Gesellschaft entsteht wieder geschlossen werden?
    Würde es jedem gönnen, ist aber nicht machbar...

  4. 12.

    Ich mache meine Arbeit spontan nach Gefühlslage, mein Junge! Wenn mich morgens mein Kater quält, schreib ich erst abends an meinen Gedichten vom südlichen Ende der Couch. Will sagen, ich nehm mir die Freiheit, auch mal einfach einen ganzen Tag alle Fünfe grade sein zu lassen, probiers mal, ist sehr entspannend!

  5. 11.

    Das was die in der Schule lernen, könnte man mit den richtigen Formaten wahrscheinlich in 2-3 Tagen schaffen. Der Rest ist soziales Miteinander auf allen Ebenen - allerdings auch wichtig.

  6. 10.

    Gut so, weniger Zeit zum Plaudern, Mobben, Rauchen, Kaffeetrinken.

    Aber ich (Rentnerin) meine, es muß doch überhaupt nicht so viel gearbeitet werden, viele Produkte und sogenannte Dienstleistungen sind unnöthig.

  7. 9.

    Wer weniger arbeitet, laut Vertrag, der kann mehr Überstunden machen. Einen Gewinner gibt es, nämlich jenen, der davon profitiert und das ist garantiert nicht der Arbeitnehmer.
    Das kennt man doch aus der Pflege, 6h Verträge, weil die Arbeit so schwer ist und dem AN die Möglichkeit zur Erholung gegönnt wird. Aber nur auf dem Papier. In der Realität arbeitet er meist mehr als 8h, auch mehr als 10h, obwohl er dann auch vertraglich das so festgehalten bekommen möchte. Überstunden lassen ihn oftmals in höhere Lohnsteuergruppen rutschen und somit, Hurra, hat er tatsächlich umsonst in seiner Freizeit gearbeitet.

  8. 8.

    Nur weil Sie nicht mitten in der der Woche freinehmen wollen, sollten Sie das nicht auf andere übertragen. Ich nehme meinen freien Tag (4 Tage Woche bei fast gleichem Gehalt) immer Dienstag oder Donnerstag, da dann Behörden oder Ärzte auch geöffnet sind. Außerdem hat mein Mann immer Mo und Di homeoffice, so können wir mehr gemeinsame Zeit mit den Kindern verbringen. Außerdem tut es gut zum Beispiel Donnerstag zum Sport oder in die Sauna zu gehen, da ist’s nicht so voll wie am Wochenende.

  9. 6.

    Ergänzend dazu
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/vier-tage-woche-arbeitszeit-beruf-job-100.html

  10. 5.

    Ja, entscheidend ist die Arbeitszeit. Es gibt Modelle mit 9 bis 10 Stunden als 4 Tage Woche. Und eben welche, wo tatsächlich gekürzt wurde. Weniger arbeiten ist natürlich schön, aber 40 Stunden in vier Tagen zu erbringen ist es nicht.

  11. 4.

    Also angeblich soll man in einer 4 Std-Woche mit weniger Wochenstunden gleich dolle produktiv sein wie sonst an 5 Tagen mit 40 Stunden. Das funktioniert in nur sehr wenigen Branchen so. In Produktionsbetrieben jedenfalls nicht, weil die Produktions-Takte ja nicht schneller laufen. Der Handwerker wird das Rohr nicht schneller anschrauben können, um die weniger Zeit wieder aufzuholen. Im Mittelstand ist das mit weniger Stunden zum gleichen Lohn eine quasi Lohnerhöhung für weniger Wochenstunden. Selten, dass ein Mittelständler das mal eben so aus der Umsatzkasse zaubert.

  12. 3.

    Wat habe ich gelacht , weniger arbeiten bei steigenden Löhnen.
    Den Handwerker kann ich jetzt schon nur noch mit Tränen in den Augen bezahlen , war gestern mit Ulli (mein Auto ) beim TüF , die Geldschein Börse war sehr dünn danach.
    Aber einen Vorteil würde es bringen , nur noch 4 Tage in der Schule , das würde weniger Unterrichtsausfall bedeuten , die Eltern wird es erfreuen.

  13. 2.

    "...sondern eben Menschen oder Unternehmen zu helfen, sich auf den Weg zu machen, was passt eigentlich zu mir und was ist da die beste Lösung."
    Das ist für mich die hilfreicheste Aussage zu diesem Thema. Das muss jedes Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern diskutieren oder zur Wahl für jeden persönlich stellen. Es gibt Unternehmen, da ist es schwierig, den Freitag oder Montag ohne Angestellte zu haben. Mitten in der Woche möchte aber auch kein Arbeitnehmer 1 Tag frei haben. In unserem Unternehmen wurde das auch schon diskutiert zur Wahl für jeden persönlich, ob 4-Tage Woche mit weniger Wochenstunden und weniger Verdienst, volle 40 Wochenstunden auf 4 Tage komprimiert mit vollem Gehalt oder eben alles wie immer 5-Tage Woche. Nur einer hat die Variante 4 Tage mit weniger Wochenstunden und weniger Gehalt gewählt. Alle anderen machen die traditionelle 5-Tage Woche mit 40 Stunden weiter. Denn 10 Stunden reine Arbeitszeit je Tag an 4 Tagen ist auch ganz schön Stress in unserer Branche.

  14. 1.

    "In vielen Ländern wird die Vier-Tage-Woche immer populärer"
    Das ist nun wieder so eine Phrase, bei der man nach etwas mehr Information lechzt. Was sind denn "viele Länder" und was heißt dort konkret "immer populärer"?
    Ganz davon abgesehen, dass man in der ganzen Debatte darauf achten muss, ob es jeweils um vier Tage mit oder Verkürzung der Wochenarbeitszeit geht - und ob im ersten Fall ein Lohnausgleich erfolgt.
    Gibt es alles, aber sind eben große Unterschiede. Aber stattdessen kriegt man solche Pseudo-Informationsbröckchen hingeworfen... :-)

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