680 Beschäftigte in Kurzarbeit - Stahlwerk in Hennigsdorf stoppt ab Januar die Produktion

Mi 18.12.24 | 16:40 Uhr
  66
In einem Stahlwerk in Hennigsdorf wird Baustahl mit einem Kran transportiert. Ministerpräsident Woidke besucht Unternehmen in Brandenburg und informiert sich zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Betriebe. (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 18.12.2024 | Carsten Krippahl | Bild: dpa/Christophe Gateau

Angesichts der Krise in der Stahlindustrie legt das Hennigsdorfer Stahlwerk (Oberhavel) ab Januar die Produktion auf Eis. Rund 680 Mitarbeiter - und damit fast die gesamte Belegschaft - seien von Kurzarbeit für zunächst drei Monate betroffen, teilte ein Sprecher der Hennigsdorfer Elektrostahlwerke GmbH mit. Das Unternehmen gehört zum Konzern Riva Stahl.

Der brandenburgische Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) sagte auf Anfrage, sein Ministerium sei in Gesprächen mit Betriebsrat und Werkleitung.

Die Stahlindustrie in Deutschland steckt in Schwierigkeiten. Dumpingpreise vor allem aus Fernost, hohe Energiekosten und ein nötiger Umbau hin zu mehr Klimafreundlichkeit belasten die Branche.

Unternehmen: Dauer des Stillstands von Konjunkturentwicklung abhängig

Der Sprecher der Hennigsdorfer Elektrostahlwerke GmbH teilte mit, das Unternehmen sehe sich aufgrund der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Lage gezwungen, ab dem 1. Januar 2025 Kurzarbeit einzuführen. Zunächst erstrecke sich die Planung auf drei Monate, verbunden mit der Hoffnung, die Anlagen so schnell wie möglich wieder in Betrieb zu nehmen.

Aufgrund einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit könnten Entlassungen oder Betriebsschließungen vermieden werden. Wie lange der Produktionsstillstand ab Januar dauern werde, hänge sehr stark von der weiteren konjunkturellen Entwicklung ab, hieß es.

"Es ist ein riesiges Warnsignal - und zwar für die gesamte Stadt", sagte Bürgermeister Thomas Günther (SPD) dem rbb am Mittwoch: "Wir sind eine Industriestadt seit über 100 Jahren, wir leben mit Stahl - da hängen viele Arbeitsplätze dran und auch unser Wohlstand." Die Landesregierung sei gefordert, zu dem Standort zu stehen. Das Unternehmen tue das: "Wir haben große Hoffnung, dass es nach drei Monaten hier weitergehen kann", so Günther. Dafür werde der Industriestrompreis schnellstmöglich gebraucht: "Das ist ein entscheidendes Kriterium. Da ist man derzeit europaweit nicht konkurrenzfähig."

"In diesem Land wird nicht mehr gebaut - es ist zu teuer geworden. Und: Wo nicht gebaut wird, wird kein Baustahl gebraucht. Das ist unser Produkt", erklärte Steffen Lange am Mittwoch im Gespräch mit dem rbb. Er ist der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Werks: "Wir machen hier seit über 100 Jahren Stahl und jetzt kämpfen wir um unseren Standort. Wir haben hier eine Verantwortung für die Region."

BSW-Landtagsabgeordnete besuchten Werk

Am Montag besuchten Landtagsabgeordnete des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) das Stahlwerk. Verantwortlich für die Probleme machen sie die "desaströse Wirtschafts- und Energiepolitik der Ampel", wie es in einer Mitteilung hieß. Das BSW regiert in Bandenburg seit vergangener Woche mit den Sozialdemokraten.

Das BSW werde sich für den Erhalt der Arbeitsplätze in Hennigsdorf und eine schnelle Genehmigung für den Werksausbau einsetzen, teilte der BSW-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Niels-Olaf Lüders, mit. Er erhob unter anderem den Vorwurf, dass die Energiepreise wegen der "selbst verhängten Wirtschaftssanktionen" gestiegen seien. Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium Potsdam teilt mit: "Wir haben als Koalition in Brandenburg die Aufgabe, die märkische Wirtschaft in Zeiten schwieriger Rahmenbedingungen zu stabilisieren."

Verband: Stahlindustrie kämpft ums Überleben

"Die gesamte deutsche Stahlindustrie kämpft derzeit um ihr Überleben und ihre Zukunft", sagte die Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbandes Wirtschaftsvereinigung Stahl, Kerstin Maria Rippel. Zu hohe Energiekosten und unfair subventionierte Konkurrenzprodukte aus China drohten, den Unternehmen die Luft abzuschnüren. Zudem steht die Stahlindustrie vor einem tiefgreifenden und teuren Umbau Richtung Klimaneutralität.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.12.2024, 19:30 Uhr

66 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 66.

    Die grüne Planwirtschaft, ist doch schon voll im Gange.
    Windparks in jeder Ecke des Landes, Solarfelder am Besten auf jedem Acker und auf jeder Wiese und Monokulturen so weit das Auge reicht zur Energiegewinnung.
    Großbauern und Investoren lieben Grün
    Wenn das, keine Grüne Planwirtschaft ist ???

  2. 65.

    hat nicht funktioniert. Das wird nichts mit der grünen Planwirtschaft, Deutschland ist keine Insel.

  3. 63.

    Sie meinen Steuersystem. Was ist ein Beamtensystem?

  4. 62.

    Es geht immer um staatliche Steuern !!!!!
    Private Steuern des Einzelnen müssen durch höhere Löhne und Gehälter der Firmen/Betriebe/Industrie wieder ausgeglichen werden.
    Die Firmen/Betriebe/Industrie zahlt wiederum höhere Steuern und Abgaben.
    Der Staat verteuert Alles, ist der größte Preistreiber und bekommt im Gegenzug noch mehr Steuern - so ist unser Beamtensystem in Deutschland.

  5. 61.

    Wird aber Niemals geschehen : die Milliarden an Förder-Euro an Strukturmittel, werden weiterhin in Jwd, versenkt, dort wo Niemand hinschaut und sowieso kaum noch Menschen leben - liegt einfach in der Natur von Steuergeldern - ,,ist doch Nicht mein Geld,,. Weg damit, in irgendeine Kiesgrube oder in irgendeinen Tagebau.

  6. 60.

    Warum? Weil ein Herr Putin sein Gas als Waffe einsetzen wollte, da die freie Welt ihn nicht in Ruhé krieg führen lassen wollte? Noch wärmer? Aber so ist der deutsche Michel: solange ihm beim Einkaufen keine Artilleriegranate oder Marschflugkörper auf den Kopf fällt, ist Michel alles egal.

  7. 59.

    Richtig, im Privatbereich. Im Industriebereich sieht das anders aus. Hier geht es nicht um staatliche Steuern sondern um Netzentgelte und regionale Preisunterschiede, die in Deutschland nunmal extrem hoch sind und die Wettbewerbsfähigkeit erschweren...
    In anderen Ländern sieht das anders aus.

  8. 57.

    Hennigsdorf ist mit Fernwärme ausgestattet und deswegen klimaneutral, hieran hat das Stahlwerk eine mittragende Rolle.
    Auch von dieser Warte her eine beunruhigende Nachricht...

  9. 56.

    Guter Gedanke! Wie wäre es damit das Geld für die Milliarden an Subventionen dorthin zu geben, wo es auch erarbeitet wurde, denn die können es ebenso gut gebrauchen.

  10. 55.

    Schwefel und Phosphor werden bei der klassischen Stahlproduktion unter anderem durch den Koks (chemische Zusammensetzung) eingetragen. Schwefel und Phosphor wirken sich qualitätsmindernd aus (z.B. spröde). Grüner Stahl, also mittels Wasserstoff (chemisch reines Element) hergestellt, ist hingegen frei von Phosphor und Schwefel. Damit hat dieser Stahl schon per se eine höhere Qualität.

  11. 54.

    Hat es wohl, da der Börsenstrompreis sich immer nach der teuersten noch benötigten Kraftwerksart richtet. Das sind momentan in DE die Gaskraftwerke.
    Es wäre schon viel für sen Strompreis gewonnen, wenn man in größerem Umfang die Übergewinne der Ökostromanbieter durch dieses Merrit-Orderprinzip in größerem Umfang abschöpfen und zur Strompreissenkung nutzen würde.

  12. 53.

    stimmt... und auch 2021 fing die Verknappung schon an, weil Gaszprom auf Geheiß Putins die Gasspeicher nachbeinem vergleichsweise kalten Frühjahr hat leerlaufen lassen, um genau diese Abhängigkeit für seine 2022-Planung noch hochzuschaukeln.
    Letzlich bleibt in der langen Ursache-Wirkungskette jeder immer genau da stehen, wo es für das eigene Weltbild am besten passt.

  13. 52.

    Gutern Gedanke! Wie wäre es damit das Geld für die Milliarden an Subventionen dorthin zu geben, wo es auch erarbeitet wurde, denn die können es ebenso gut gebrauchen.

  14. 51.

    Vielleicht wird ein schöner Solarpark daraus oder ein Industriemuseum.

  15. 50.

    Das Elektrostahlwerk in Brandenburg an der Havel, steckt doch genauso in der Krise.
    Scheint der Brandenburger Politik, aber egal zu sein!?
    Nur irgendwelche großen Vorzeigeprojekte sind der Politik immer wieder wichtig, aber gefährdete Arbeitsplätze wahrscheinlich nicht

  16. 49.

    Ja genau: Jetzt ist das Gejammer in Hennigsdorf und woanders in Brandenburg groß.
    Ich denke, Strukturbrüche/Strukturwandel und Verluste von Arbeitsplätzen in Brandenburg, gibt es nur in der Lausitz/Cottbus ??
    Jahrzehntelang sind unzählige Milliarden in die Lausitz geflossen und weitere unzählige Milliarden Euro fließen weiterhin in die Lausitz/Cottbus.
    Es wird gar keine oder nur wenig Hilfen für andere Regionen geben - BER, Cottbus/Lausitz verschlingen alle Milliarden - und der Rest von Brandenburg ,,kann zusehen wo er bleibt,,

  17. 47.

    Pssst - Nicht weitersagen, das der Staat der größte Preistreiber, durch Steuern, Doppelte Versteuerung und ausufernde Bürokratie ist.

Nächster Artikel