Studie Sozialer Wohnungsbau - Mit Modulen aus der Krise?

Do 06.02.25 | 09:03 Uhr | Von Kerstin Breinig
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Eine Baustelle in Modulbauweise, durch vorgefertigte Raummodule (Quelle: dpa/Jochen Tack)
Video: rbb24 Abendschau | 05.02.2025 | Andrea Everwien | Bild: dpa/Jochen Tack

In Deutschland fehlen hunderttausende Sozialwohnungen, der Bau neuer kommt schleppend voran bei steigendem Bedarf. Das zeigen auch Zahlen einer neuen Studie. Diskutiert wird nun, ob und wie günstiger und schneller gebaut werden kann. Von Kerstin Breinig

In Berlin Lichtenberg wird gebaut: Innerhalb weniger Jahre entsteht ein komplett neues Quartier mit mehrheitlich Sozialwohnungen. 1.500 Wohnungen lässt die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag in Modularbauweise hochziehen. Der Vorteil: Das geht deutlich schneller als konventioneller Bau und es ist deutlich billiger.

Die Lichtenberger Baustelle erinnert an Lego. Die Räume werden komplett fertig angeliefert. Bäder zum Beispiel kommen inklusive Waschbecken, Heizkörper und Handtuchhalter auf der Baustelle an und werden mit den anderen Räumen zu Wohnungen zusammengesetzt.

"Die Zeit auf der Baustelle, das zusammenmontieren, das ist doppelt so schnell, wie ein konventioneller Bau, wo Sie Stein auf Stein bauen", erklärt Dietmar Rekow, Niederlassungsleiter der Goldbeck GmbH. Die Firma Goldbeck baut bundesweit modular und produziert selbst die Teile. Ein komplettes Bad werde so innerhalb von 20 Minuten montiert, weil es nur noch angeschlossen und verfugt werden muss. Die Zeiten, in denen Fliesenleger, Maler und Klempner ihre Arbeitsschritte miteinander kombinieren mussten, sind da vorbei.

Die Firma Goldbeck baut auch für die Gewobag, in Berlin-Friedrichshain entstehen mehrere sechsgeschossige Wohnhäuser mit je 30 Wohnungen. "Ein Gebäude bauen wir fix und fertig inklusive Planung für 2.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche", sagt Rekow. Das ist weniger als die Hälfte des regulären Baupreises. Doch die Modulbauweise ist kein Allheilmittel. Für die Gewerkschaft IG Bau funktioniert das nur, wenn man neue Bauprojekte anlegt, quasi auf der grünen Wiese baut. Nachverdichtung sei, so der Gewerkschaftschef Robert Feiger, nicht so einfach modular möglich.

Baulücken – 550.000 Wohnungen fehlen

Fakt ist, Deutschland hat insgesamt zu wenig Wohnungen und baut auch zu wenig neu. In der Studie des Pestel-Instituts zum sozialen Wohnungsbau heißt es, dass aktuell 550.000 Wohnungen fehlten, vor allem bezahlbare. Institutsleiter Matthias Günther rechnet in den nächsten Jahren mit einem weiter steigenden Bedarf. Es gingen bis 2035 viele Baby-Boomer mit einer "eher kleinen Rente nach Hause."

Das Bündnis Soziales Wohnen fordert eine weitere Aufstockung der Wohnungsbauförderung. Die neue Bundesregierung wird aufgefordert, am Ziel der gescheiterten Ampel-Regierung festzuhalten, 100.000 neue Sozialbauwohnungen pro Jahr zu fördern. Zuletzt schaffte die Ampel gerade mal 23.000. Dafür müssten Bund und Länder elf Milliarden Euro investieren. Dazu müsse aber auch über die Absenkung der spezifischen notwendigen Fördermittel je Wohnung geredet werden, sagt Günther.

Baukosten müssen dringend runter

Damit gemeint ist, dass die Baukosten dringend nach unten müssen. Das sei möglich, wenn man aufhören würde, "Luxus -Sozialwohnungen" zu bauen, heißt es unisono bei der Studienpräsentation. "Deutschland muss anfangen, das Label 'gut und günstig' auf seine neu gebauten Sozialbauten zu kleben", nennt es Michael Hölker vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel BDB. Die Wände könnten dünner werden, Dreifachverglasung sei nicht überall notwendig und auch auf Tiefgaragenstellplätze oder große Balkons könne man verzichten. Einsparpotential bis zu 30 Prozent.

Die Folge: die Baukosten pro Quadratmeter würden sinken, die notwendige Fördersumme ebenfalls – und mit dem so gesparten Geld könnte man mehr Wohnungen bauen. In Schleswig-Holstein wird schon billiger gebaut. Möglich ist das, weil die Regelstandards abgesenkt wurden. Die Lärmschutzauflagen wurden verringert, die Wände dürfen dünner sein.

Sendung: rbb24 Abendschau, 05.02.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Kerstin Breinig

62 Kommentare

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  1. 62.

    Sie wollen nur Recht haben: Sie müssen auch in die Architekturgeschichte schauen! Zum Beispiel die grandiosen und schnelle Errichtung ganzer Plattenbausiedlungen bei uns damlas in der Deutschen Demoktratischen Republik! Mit allem Komfort, sehr preiwerte Mieten (Dreiraumwohnung 70qm ca. 40 Mark!). Und glücklichen Mietern, weil niemals Mieterhöhungen oder Eigenbedarfskündigungen. Solche Verbrechen gabs da nicht!

  2. 61.

    "Ich bevorzuge Beispiele aus der jetzigen Zeit. Wie, wo damals gebaut wurde ist für die aktuelle Situation hinsichtlich der Neubauten allerfalls zur Vermeidung früherer Fehler relevant."

    Nein. Sie bevorzugen recht zu haben.
    Obwohl Sie es dann schon in Ihrem eigenen Gedankengang ad absurdum führen.

    Genau.
    Die Erfahrungen der Vergangenheit sind dazu da das was gut ist und das was schlecht ist erkennen zu können.
    Dazu muss man eben "über die Vergangenheit" sprechen.
    Und genau in diesem Sinne spreche ich über Architektur- und Städtebau Historie, Gegenwart und Zukunft. Über "Platte", Nachhaltigkeit, lange Nutzungsdauer, Bodenverbrauch und Preis.

  3. 60.

    >"Weshalb hat man die Platte dann vor gut 20 Jahren großflächig in Ost wie West abgerissen?"
    Im Westen weiß ich nicht. Im Osten wars wegen der Entvölkerung in den 1990er Jahren, vor allem in Regionen, deren vormals DDR Industrie dann weg war samt der Lebensgrundlage der Menschen mit Arbeit und so. Und die großen kommunalen Wohnungsunternehmen hatten massig Altschulden an den Bund als übernommene Kredite von der DDR Staatsbank. Die wurden vom Bund nur teilweise erlassen, wenn 10% des Wohnungsbestandes abgerissen oder verkauft wurde. Plattenbauten in Entsiedlungsgebieten verkaufen ging mal schlecht, also Abriss. Ab der Jahrtausendwende gabs dann auch Fördermittel für Abriss wegen Umgestaltung der Städte. So kams denn. War aber nich überall so. In unseren 3 Wohnkomplexen hier wurde nix abgerissen. Im Gegenteil, sogar noch neu hinzugebaut.

  4. 58.

    In Barcelona werden gut Containerbauten hochgezogen. Es geht nicht, wenn man billig wohnen will, dass man "goldene Wasserhähne" und 1A Lage am Kudamm erwarten kann. Es muss hier dann ein Kompromiss eingegangen werden, also Marzahn, ohne Keller, ohne Balkon in quadratisch-praktisch-gut-Bauweise mit Standardmodulen. Dann kann man auch für 450 Euro Kaltmiete 50 qm mit geringen Nebenkosten realisieren.

  5. 56.

    Wenn es darum geht, Wohnraum zu schaffen, also eine Bleibe anbieten zu können, müssen Ansprüche wie Balkon oder.ä. ersteinmal zurückstehen. Alle Annehmlichkeiten zum Sozialpreis haben zu wollen, passt nicht. Modulbauweise ermöglicht die schnelle Schaffung von Wohnraum, günstig, aber auch teurer im Preis.

  6. 55.

    Offensichtlich haben hier noch nicht Viele fertige Wohnungen in Modulbauweise gesehen. Das sind nicht zwangsweise "Schuhkartons". Die Gebäude gibt es auch mit aufgelockerter Fassadengestaltung, so dass nicht gleich erkennbar ist, dass Module verbaut wurden. Wer kreativ mit Lego bauen kann, kann sich vielleicht etwas vorstellen.

  7. 54.

    Mal darüber nachgedacht, dass die Fundamente dafür ausgelegt sein müssen?

  8. 53.

    Sie müssen vom Ende her denken. Mit entsprechender Innenausstattung lässt sich der Rohbau auch Richtung 1% drücken. Mit Marmor und Goldvertäfelung, anstatt Fliesen und Raufaser, lässt sich da zB schon einiges optimieren. Bäm ^^

  9. 50.

    Modulbau ist kein Plattenbau.
    Bestenfalls eine Fortführung bzw. Steigerung des Plattenbaus.
    Sieht man doch im Bild bzw. Film.
    Das man sich den einen oder anderen Rückbau hätte sparen können nützt heute auch nix mehr. Prognosen in der Bevölkerungsentwicklung lagen nunmal anders.
    Ich bin auch noch der Ansicht das wir heute an vielen Stellen den Leerstand von morgen bauen, wenn man sich die Demografie in Deutschland anguckt wird ein Großteil des Problems in den nächsten 2 Jahrzehnten biologisch "gelöst".
    Solange jeder glaubt Berlin ist toll, bleibt das dann ein lokales Problem in Berlin. Aber auch das löst sich wenn die Leute merken Berlin ist eben doch nur Berlin.

  10. 49.

    Ich bevorzuge Beispiele aus der jetzigen Zeit. Wie, wo damals gebaut wurde ist für die aktuelle Situation hinsichtlich der Neubauten allerfalls zur Vermeidung früherer Fehler relevant.

  11. 46.

    Die Rückkehr der Platte! Weshalb hat man die Platte dann vor gut 20 Jahren großflächig in Ost wie West abgerissen?

  12. 45.

    Aufstockung geschieht. Hatte der Bausenat Lompscher viel Initiative reingesteckt. HOWOGE machts, WBM machts wo es halt geht.
    Geht aber nicht überall. Statik.
    Wird aber viel versucht - auch mit gezielter Leichtbauweise für die aufgestockten Etagen.

  13. 44.

    Auf der Baustelle standen, jedenfalls vor einer Woche noch, Schilder von Daiwa Modulbauten.

  14. 43.

    Auch Ihnen rate ich sich nicht in einen Kommunikationszweig zu mischen, den ein anderer als ich mit dem Thema Sozialsysteme aufmachte.
    Schadet auch rein gar nichts, die Dinge im Kontext und ihren strukturellen Zusammenhängen zu sehen.

    Schliesslich sollte man nicht so tun, als sei in diesem Land hier Konsens, dass Wohnung und Wohnungsbau ein zentrales Thema sozialer Infrastruktur des Gemeinwesens ist. Also das, wo die eigentliche Verteidigungspolitik des demokratischen Staates gemacht hat wird. Da wo die eigentlichen Verteidigungsetats aufgewendet werden müssen.

    Zum Thema Wohnungsbau selbst, habe ich mich hier im engeren Sinne geäussert.

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