Bäckerei-Monitor - So stemmen sich Betriebe gegen das Bäckerei-Sterben
Unbequeme Arbeitszeiten, Fachkräftemangel und hohe Energiekosten machen Bäckerei-Betrieben das Überleben schwer. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass immer mehr schließen müssen. Manche entwickeln aber neue Strategien. Von Anja Herr
Routiniert teilt Matthias Hillmann in seiner kleinen Backstube in Berlin-Friedenau die Teigmasse in gleich große Teile, formt sie zu kleinen Wurzelbroten. Sandwiches sollen das mal werden, aber zum Sortiment gehören auch Dinkel-Ruchbrot, Sauerteigbrot mit Sesam-Salz-Kruste, Pflaumen-Walnuss-Brot. Alles handgefertigt von einem, der mal einen großen traditionellen Familienbetrieb geführt hat, gemeinsam mit seiner Schwester. Aber den mussten sie vor zwei Jahren schließen.
"Es war kein Fachpersonal, keine Nachtarbeiter mehr zu finden", erzählt Hillmann. Auch hatten sie nicht genügend Verkaufspersonal in den Läden. Große Investitionen hätten angestanden, bei denen nicht klar war, ob sie sich rentiert hätten. Dazu kamen unangenehme Arbeitszeiten: Sieben-Tage-Woche, Nachtarbeit. Dann die Entscheidung vor gut zwei Jahren: Wir schließen, nach 91 Jahren Firmengeschichte.
Anregung: Verlagerung von Nacht- auf Tagarbeit
Dafür ging etwas Neues los. Matthias Hillmann backt jetzt tagsüber. In der Backstube, die zu einem neuen Café gehört, das er mit seiner Frau Shoshanna eröffnet hat. Das sei sehr angenehm. "Wir wollen ja auch Spaß haben", sagt er. Hillmann und ein Patissier, den er angestellt hat, stellen alles her, was im Café "La femme du boulanger" verkauft wird. Die Arbeitszeiten passen ihm jetzt besser: Er beginnt ausgeruht morgens um 8 Uhr zu backen, sonntags und montags ist geschlossen, so hat er mehr Zeit für seine Kinder. Tagsüber backen funktioniere gut: Bestimmte Teige ließen sich auch gut am Tag vorher vorbereiten. Zwar seien manche Kunden enttäuscht, dass sie nicht morgens um 7 Uhr bei ihm Brötchen kaufen könnten. Aber für ihn ist die Arbeit als Bäcker jetzt angenehmer als früher.
Die Branchenanalyse "Backerei-Monitor", die am Montag von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung vorgestellt wurde, regt genau das an: Eine Verlagerung von Nacht- auf Tagarbeit würde dazu führen, Arbeitsbedingungen und Attraktivität des Bäckerhandwerks zu verbessern, heißt es. Auch größere Betriebe könnten das laut Analyse in Angriff nehmen. Moderne Kältetechnik, Gärunterbrechung sowie Veränderungen der Teigführung könnten dazu beitragen, dass Teige schon tagsüber vorbereitet und geknetet werden könnten, so die Empfehlung.
Fachkräftemangel: Zuwanderung als Chance
Insgesamt ist die Zahl der Bäckerei-Betriebe in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen. Deutschlandweit um 30 Prozent. In Berlin gibt es noch 196 Betriebe, ein Rückgang um rund 15 Prozent. In Brandenburg war der Rückgang noch stärker: Von 388 Betrieben im Jahr 2014 sind nur noch 254 übrig. Grund hierfür ist laut Studie auch, dass Großfilialisten und Brotindustrie immer dominanter würden.
Eine der größten Herausforderungen seien in allen Bundesländern der Personal- und Fachkräftemangel. Hier müsse Zuwanderung als Chance gesehen werden, heißt es in dem Papier. Einige Betriebe hätten ihren Suchradius bei der Rekrutierung von Auszubildenden nach Südostasien und Nordafrika ausgeweitet. Ein Viertel der Auszubildenden habe mittlerweile einen Migrationshintergrund. Vor zehn Jahren waren es weniger als neun Prozent.
Verkaufspersonal aus Südostasien
Der Geschäftsführer des Wiener Conditorei Caffeehauses in Berlin-Schmargendorf, Maximilian Jansen, hat mit der Rekrutierung von Fachkräften aus Südostasien gute Erfahrungen gemacht, wie er sagt. An den vier Standorten in Berlin hätten vor etwa zwei Jahren insgesamt 14 Auszubildende aus Vietnam und Indonesien angefangen.
Auch die Indonesierin Clairine Feodora hat eine Ausbildung als Konditorei-Fachverkäuferin begonnen. "Ich habe gelernt, wie man die Kunden richtig bedient, was in den Kuchen und Torten genau drin ist – und auch in der Backstube habe ich gearbeitet", erzählt die junge Frau. Auch die Pfannkuchen-Tradition habe sie hier kennengelernt. Die Champagner-Füllung könne sie empfehlen, sagt sie, die sei sehr gut.
Am Anfang ihrer Ausbildung hatte sie geplant, nach einiger Zeit wieder zurück nach Jakarta zu gehen, dort eine eigene Bäckerei zu eröffnen. Doch mittlerweile habe sie sich in Berlin so gut eingelebt, dass sie erstmal hierbleiben wolle. Sie möge ihre Arbeit, "besonders, wenn Kunden gute Laune haben", sagt sie.
Für alle ein Gewinn
Geschäftsführer Maximilian Jansen ist froh, dass er sich entschieden hat, junge Menschen aus Südostasien hier auszubilden. Die Firma Go German hatte die Auszubildenden an sein Familienunternehmen vermittelt – zu einem Zeitpunkt, als er wegen des Fachkräftemangels ziemlich verzweifelt war. Es habe sich gezeigt, dass die Ausbildung für alle ein Gewinn sei: Für sein Unternehmen, aber auch für die jungen Menschen aus Südostasien.
Und so sieht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss Gaststätten in ihrem Fazit durchaus Lichtblicke für das Bäckereigewerbe. "Wenn es der Branche insgesamt gelingt, ihr Arbeitgeberimage zu verbessern, Migration als Chance zu begreifen und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, steht ihr eine noch lange und gute Zukunft bevor", sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft, Guido Zeitler. "Denn die Verbraucher:innen schätzen gutes Brot."
Sendung: rbb24, 10.03.2025, 13 Uhr