Bäckerei-Monitor - So stemmen sich Betriebe gegen das Bäckerei-Sterben

Mo 10.03.25 | 11:57 Uhr | Von Anja Herr
  43
Archivbild: Bäcker bereiten in einer Bäckerei Brot-Teig vor. (Quelle: dpa/shotshop)
dpa/shotshop
Audio: rbb24 | 10.03.2025 | Anja Herr | Bild: dpa/shotshop

Unbequeme Arbeitszeiten, Fachkräftemangel und hohe Energiekosten machen Bäckerei-Betrieben das Überleben schwer. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass immer mehr schließen müssen. Manche entwickeln aber neue Strategien. Von Anja Herr

Routiniert teilt Matthias Hillmann in seiner kleinen Backstube in Berlin-Friedenau die Teigmasse in gleich große Teile, formt sie zu kleinen Wurzelbroten. Sandwiches sollen das mal werden, aber zum Sortiment gehören auch Dinkel-Ruchbrot, Sauerteigbrot mit Sesam-Salz-Kruste, Pflaumen-Walnuss-Brot. Alles handgefertigt von einem, der mal einen großen traditionellen Familienbetrieb geführt hat, gemeinsam mit seiner Schwester. Aber den mussten sie vor zwei Jahren schließen.

"Es war kein Fachpersonal, keine Nachtarbeiter mehr zu finden", erzählt Hillmann. Auch hatten sie nicht genügend Verkaufspersonal in den Läden. Große Investitionen hätten angestanden, bei denen nicht klar war, ob sie sich rentiert hätten. Dazu kamen unangenehme Arbeitszeiten: Sieben-Tage-Woche, Nachtarbeit. Dann die Entscheidung vor gut zwei Jahren: Wir schließen, nach 91 Jahren Firmengeschichte.

Anregung: Verlagerung von Nacht- auf Tagarbeit

Dafür ging etwas Neues los. Matthias Hillmann backt jetzt tagsüber. In der Backstube, die zu einem neuen Café gehört, das er mit seiner Frau Shoshanna eröffnet hat. Das sei sehr angenehm. "Wir wollen ja auch Spaß haben", sagt er. Hillmann und ein Patissier, den er angestellt hat, stellen alles her, was im Café "La femme du boulanger" verkauft wird. Die Arbeitszeiten passen ihm jetzt besser: Er beginnt ausgeruht morgens um 8 Uhr zu backen, sonntags und montags ist geschlossen, so hat er mehr Zeit für seine Kinder. Tagsüber backen funktioniere gut: Bestimmte Teige ließen sich auch gut am Tag vorher vorbereiten. Zwar seien manche Kunden enttäuscht, dass sie nicht morgens um 7 Uhr bei ihm Brötchen kaufen könnten. Aber für ihn ist die Arbeit als Bäcker jetzt angenehmer als früher.

Die Branchenanalyse "Backerei-Monitor", die am Montag von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung vorgestellt wurde, regt genau das an: Eine Verlagerung von Nacht- auf Tagarbeit würde dazu führen, Arbeitsbedingungen und Attraktivität des Bäckerhandwerks zu verbessern, heißt es. Auch größere Betriebe könnten das laut Analyse in Angriff nehmen. Moderne Kältetechnik, Gärunterbrechung sowie Veränderungen der Teigführung könnten dazu beitragen, dass Teige schon tagsüber vorbereitet und geknetet werden könnten, so die Empfehlung.

Fachkräftemangel: Zuwanderung als Chance

Insgesamt ist die Zahl der Bäckerei-Betriebe in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen. Deutschlandweit um 30 Prozent. In Berlin gibt es noch 196 Betriebe, ein Rückgang um rund 15 Prozent. In Brandenburg war der Rückgang noch stärker: Von 388 Betrieben im Jahr 2014 sind nur noch 254 übrig. Grund hierfür ist laut Studie auch, dass Großfilialisten und Brotindustrie immer dominanter würden.

Eine der größten Herausforderungen seien in allen Bundesländern der Personal- und Fachkräftemangel. Hier müsse Zuwanderung als Chance gesehen werden, heißt es in dem Papier. Einige Betriebe hätten ihren Suchradius bei der Rekrutierung von Auszubildenden nach Südostasien und Nordafrika ausgeweitet. Ein Viertel der Auszubildenden habe mittlerweile einen Migrationshintergrund. Vor zehn Jahren waren es weniger als neun Prozent.

Verkaufspersonal aus Südostasien

Der Geschäftsführer des Wiener Conditorei Caffeehauses in Berlin-Schmargendorf, Maximilian Jansen, hat mit der Rekrutierung von Fachkräften aus Südostasien gute Erfahrungen gemacht, wie er sagt. An den vier Standorten in Berlin hätten vor etwa zwei Jahren insgesamt 14 Auszubildende aus Vietnam und Indonesien angefangen.

Auch die Indonesierin Clairine Feodora hat eine Ausbildung als Konditorei-Fachverkäuferin begonnen. "Ich habe gelernt, wie man die Kunden richtig bedient, was in den Kuchen und Torten genau drin ist – und auch in der Backstube habe ich gearbeitet", erzählt die junge Frau. Auch die Pfannkuchen-Tradition habe sie hier kennengelernt. Die Champagner-Füllung könne sie empfehlen, sagt sie, die sei sehr gut.

Am Anfang ihrer Ausbildung hatte sie geplant, nach einiger Zeit wieder zurück nach Jakarta zu gehen, dort eine eigene Bäckerei zu eröffnen. Doch mittlerweile habe sie sich in Berlin so gut eingelebt, dass sie erstmal hierbleiben wolle. Sie möge ihre Arbeit, "besonders, wenn Kunden gute Laune haben", sagt sie.

Für alle ein Gewinn

Geschäftsführer Maximilian Jansen ist froh, dass er sich entschieden hat, junge Menschen aus Südostasien hier auszubilden. Die Firma Go German hatte die Auszubildenden an sein Familienunternehmen vermittelt – zu einem Zeitpunkt, als er wegen des Fachkräftemangels ziemlich verzweifelt war. Es habe sich gezeigt, dass die Ausbildung für alle ein Gewinn sei: Für sein Unternehmen, aber auch für die jungen Menschen aus Südostasien.

Und so sieht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss Gaststätten in ihrem Fazit durchaus Lichtblicke für das Bäckereigewerbe. "Wenn es der Branche insgesamt gelingt, ihr Arbeitgeberimage zu verbessern, Migration als Chance zu begreifen und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, steht ihr eine noch lange und gute Zukunft bevor", sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft, Guido Zeitler. "Denn die Verbraucher:innen schätzen gutes Brot."

 

Sendung: rbb24, 10.03.2025, 13 Uhr

Beitrag von Anja Herr

43 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 43.

    Ich backe selber.

  2. 42.

    Ich backe selber.

  3. 41.

    Es gibt eben einen Unterschied zwischen Bäckern und Aufbäckern. Potsdam bspw. hat drei tatsächliche Bäcker, dazu noch einen jenseits der Stadtgrenze, der von außen kommt. Alles andere bezeichne ich als Aufbäcker, die ihre Ware von sonstwoher einführen. Das täglich Brot, was es sowohl zum Sprichwort als auch zum Revolutionsanlass, als auch - wer denn will - zum grundlegenden Gebet geschafft hat, das sollte einem schon etwas wert sein, als nur billigst verpackte Pampe aus dem Supermarkt oder aus Aufbackstationen zu sein.

    Brötchen für -,45 oder -,50 Cent sind i. O. ; Brötchen für -,20 Ct. sind ebenso daneben wie Brötchen für 1,20 € das Stück.

  4. 39.

    Ja, genau.

    Und anschließend sang, klatschte und tanzte die ganze Dorfgemeinschaft vor Glück & Freude Sirtaki, berauscht vom Duft frischer Backwaren.

  5. 38.

    Bäckereien öffnen nicht an Feiertagen. Einige Bäckereien öffnen höchstens an Sonntagen.

    Aber vielleicht öffnet ihre Bäckerei extra nur für sie an Ostermontag, Weihnachten oder Christi Himmelfahrt.

  6. 37.

    Butter Lindner sollte auch genannt werden, wenn es um qualitativ hochwertiges Brot geht. Sonst halt die Bio-Bäcker wie Weichardt, Märkisches Landbrot usw. Allerdings alles nichts für Schnäppchenjäger.

  7. 36.

    Vielleicht mal den Wochenmarkt in Mariendorf besuchen? Dort gibt es schon immer einen Stand von einem Bäcker der noch selbst backt und die Preise dort sind Super!

  8. 35.

    Ich backe selber.

  9. 34.

    Wir gehen bewusst beim Bäcker im Ort einkaufen. Natürlich ist die Schrippe teurer, doch der Bäckermeister engagiert sich in der Region und das möchten wir unbedingt unterstützen. Jeder einzelne muss sich hinterfragen, was er bereit ist zu tun, um ein altes Traditionshandwerk zu erhalten. Wir organisieren unsere Wege so, das wir beim Bäcker vorbeikommen.

  10. 32.

    Ich backe selber.

    Möchte nichts essen das von fremden Pfoeten angefasst wurde, wie im Bild!

  11. 31.

    >"Ich denke eher, dass das Problem bei den Tankstellen liegt, die davor zurückschrecken, vergleichsweise teure Backwaren ins Programm aufzunehmen."
    Bei uns gibt es zwei Tankstellen-Ketten, deren Tanken-Betreiber hier Brötchen und Brot mit anbieten. Eine arbeitet sogar mit einem heimischen Bäcker hier zusammen und backt späten Nachmittag Tiefkühlware vom Handwerksbäcker dann noch mal frisch auf. Wenn deren Bäckerverkaufsstellen zu machen. Das wird von Berufspendlern und Schichtleuten, die erst nach 18 Uhr hier einfliegen, sehr gut angenommen.

  12. 30.

    Ich stimme #25 vollkommen zu. Wem vernünftiges Brot vom Supermarkt zu teuer ist versuche es mal in den Bio-Supermärkten, wobei die traditionellen Biobäcker auch auf Märkten zu finden sind. Aus gesundheitlichen Gründen komme ich derzeit leider nicht so oft in den Bioladen und finde die Brote und Brötchen bei Lidl und Co. einfach widerlich. Preislich sind sie nicht günstiger, sättigen aber kaum.
    Die Suche nach vernünftigem Brot hat mich übrigens 1980 in den Bioladen geführt weil ich von unserem Bäcker aus meinem Heimatort qualitativ offensichtlich schamlos verwöhnt wurde.
    Übrigens was 5Pf-Tüten angeht: wieviel wurde damals monatlich verdient?

  13. 29.

    Die Bäckerei war meist der Mittelpunkt eines Dorfes. Zum köstlichen Duft der frischen Backwaren, gab's noch die neusten Neuigkeiten /Klatsch kostenlos dazu. Für diesen "Service" fehlt heute die Zeit.

  14. 28.

    "Den Bäckereien wiederum werfe ich vor, dass sie ihre Angebote oft nur auf alte Leute ausrichten und zu wenig Vertriebsmöglichkeiten anbieten. Es wäre überhaupt kein Problem, bestimmte Backwaren z.B. auch bei unabhängigen Tankstellen anzubieten, die längere Öffnungszeiten haben."

    Ich denke eher, dass das Problem bei den Tankstellen liegt, die davor zurückschrecken, vergleichsweise teure Backwaren ins Programm aufzunehmen. Da gibt es eben traditionell immer nur Billigkram (vom Benzin mal abgesehen...).
    Übrigens hat die Bio Company immer eine reiche Auswahl sehr guten (ja, und teuren) Brots, das aus ebensolchen Bäckereien stammt.

  15. 27.

    Haben sie 7 Tage Nachtdienst die Woche?
    Woran erinnern sich seine Kinder später? Dass Geld für vieles da war oder dass Papa Zeit für sie hatte?
    Ich finde Ihren Satz unnötig, der oft von Menschen kommt, die selbst so nicht leben wollen.

  16. 26.

    Wenn sich eine solide Ausbildung, so etwas wie Liebe zum Backen und zur Tortenherstellung mit einer hohen Wertschätzung der Kundschaft paart, sollte eigentlich nichts schiefgehen. Es liegt m. E. vor allem an der mangelnden Wertschätzung der Kunden dem gegenüber, was in Frankreich eine Revolution ausgelöst hat und was auch im Vater Unser vorkommt. Das Ergebnis: Statt Gebackenes, was seinen Preis wert ist, gibt es Aufgebackenes von sonstwoher, über die Autobahn(en) der Gewerbefreiheit und ggf. per Luftbrücke als Brötchenrohlinge aus China importiert.

    Das haben die Bäcker nicht verdient. Selbst die DDR hatte in den 1970ern gezögert, private Bäcker grundsätzlich zu enteignen. Gegebenenfalls war dabei Dasjenige maßgebend, was heutzutage dafür gesorgt hat, dass inmitten der Bundesbauten in Berlin ein Fachwerkhaus stehengeblieben ist. (Restaurant Paris - Moskau)

    Liebe geht durch den Magen. Wer es denn wertschätzt. ;-

  17. 25.

    Wo bitte bezahlen Sie überteuertes Brot? Selbst im Bioladen o.beim Reformhaus zahle ich fürs gute“ Märkische Landbrot „ ( Sesambrot, Vollkornbrot, Dinkelbrot u.a. ) gerade mal ca. 4,50 u.5,50. Das ist verhältnismäßig preiswert. All diese Industrie Brote u.Brötchen aus dem Supermarkt verabscheue ich sogar.

  18. 24.

    Wahrscheinlich liegt das Bäckersterben an Metropolregionen und Städten wie Berlin und Potsdam, wo alles im Supermarkt gekauft werden muss. Bei mir draußen gibt es einen Bäcker, der selber bäckt. Und das zu erstaunlich guten Preisen. Wenn ich mal vergesse, dort einzuholen, dann graut es mir vor Billigprodukten aus dem Supermarkt, weil man den Unterschied schmeckt und sieht. Es liegt auch an den Leuten selbst, ob sie etwas mehr geld fur Qualität ausgeben oder nicht. Aber eigentlich sollte es ja kein Bäckereisterben geben laut einem klugen Kopf in der Vergangenheit.

Nächster Artikel