Interview | Reiner Braun, Immobilienexperte - "Einige könnten beim Wohnungskauf auf die Nase fallen"

Do 13.07.17 | 05:45 Uhr
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Neubauten mit Kränen an der Spree von der Kreuzberger Seite in Richtung Eastside Gallery in der Abenddämmerung fotografiert, 22.05.2017 (Quelle: dpa / Rolf Kremming).
Bild: dpa

Die Immobilienpreise in Berlin sind explodiert – doch bald könnten sie auch wieder sinken, prognostiziert der Volkswirt Reiner Braun. Im rbb-Interview erläutert er, warum eine heute gekaufte 400.000 Euro-Wohnung bald nur noch 300.000 Euro wert sein könnte.

rbb|24: Herr Braun, unser Wohnungskaufatlas zeigt, dass in Berlin innerhalb des S-Bahn-Ringes kaum noch bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Woran liegt das?

Reiner Braun: Es liegt an der hohen Nachfrage nach Wohnungen insgesamt, die auf ein sehr knappes Angebot trifft. Auf ein sehr knappes Angebot an Grundstücken, auf denen man bauen kann. Aber auch auf ein sehr knappes Angebot an Wohnungen. In den vergangenen Jahren sind in Berlin viel zu wenige Wohnungen gebaut worden.

Der Durchschnittskäufer einer Berliner Neubauwohnung verdient doppelt so viel wie der Durchschnitts-Berliner, er gehört meist zu den oberen zehn Prozent der Gesellschaft. Ist das nicht sozialer Sprengstoff, wenn sich selbst große Teile der Mittelschicht kein Wohneigentum mehr leisten können?

Natürlich ist das sozialer Sprengstoff. Wir können empirisch zeigen, dass Wohneigentümer im Alter besser versorgt sind als Mieter bei gleicher Einkommensklasse, weil die Wohnungseigentümer neben dem üblichen Geldvermögen auch eine weitgehend schuldenfreie Immobilie haben. Insofern wäre es wünschenswert, wenn sich mehr Leute Wohneigentum leisten könnten. Aber von diesen hohen Preisen sind nicht nur die Wohneigentümer betroffen, sondern auch die Mieter. Die hohen Kaufpreise spiegeln sich ja auch in hohen Mietpreisen wieder.

Im vergangenen Jahr kostete schon jede dritte Berliner Neubauwohnung mehr als 5.000 Euro pro Quadratmeter. Sie haben für uns berechnet, wieviele Berliner sich eine 100 Quadratmeter-Wohnung für 500.000 Euro leisten können. Was ist dabei rausgekommen?

Es sind etwa sechs Prozent der Berliner Haushalte, die sich das noch leisten können, das heißt, jeder sechzehnte Haushalt.

Viele Projektentwickler, die in Berlin teure Wohnungen bauen, vermarkten ihre Wohnungen auf Immobilienmessen in Shanghai, Moskau oder Istanbul. Sie sagen uns ganz offen: jede zweite Wohnung geht an einen ausländischen Investor. Woher kommt diese enorme Nachfrage aus dem Ausland nach Betongold in Berlin?

Es liegt zum einen an den niedrigen Zinsen. Sie bewirken, dass Kapitalanleger bereit sind, sehr viel Geld für eine Immobilie zu bezahlen, um eine Rendite zu bekommen. Schließlich wirft das Geld auf der Bank keine Zinsen mehr ab. Zum anderen gilt Deutschland als sicherer Hafen, gerade wenn man an die Chinesen und Russen denkt, die ihr Geld in Sicherheit bringen wollen. Aber es gibt auch Millionäre, Gutverdienender, die finden es einfach schick - so wie man früher vielleicht Bilder gesammelt hat - heute Wohnungen in New York, Rio, Tokio und Berlin zu sammeln.

Ausländischen Investoren versprechen viele Projektentwickler eine Rendite von rund 4 Prozent. Diese Rechnung geht aber nur auf, wenn die schicke Wohnung auch für 16 bis 18 Euro kalt vermietet werden kann. Wie lange kann das noch gut gehen?

Es ist nicht gewährleistet, dass die Preise weiter steigen wie bisher, und das gleiche gilt auch für die Mieten. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass einige, die heute zu Preisen von 5.000 oder 6.000 Euro pro Quadratmeter kaufen, damit auf die Nase fallen.

Woran liegt das?

Der Wertzuwachs einer Immobilie hängt ja immer ab von Angebot und Nachfrage. Ja, es wurde viel zu wenig gebaut in Berlin. Aber inzwischen sind sehr viele Genehmigungen in der Pipeline, die Fertigstellungen steigen, das heißt, das Angebot an Wohnungen wächst sehr deutlich.

Wir haben nicht mehr wie bisher nur jedes Jahr ein Schnapsglas sondern ein ganzes Bierfass voll neuer Wohnungen auf dem Markt. Dazu kommt, dass wir beobachten, dass der Zuzug nach Berlin kleiner wird. Wenn man mal die Auslandszuwanderung nicht berücksichtigt, hätte Berlin schon im vergangenen Jahr einen negativen Wanderungssaldo gehabt. Wenn aber die Nachfrage sinkt und das Angebot sehr stark steigt, dann muss eine Preisreaktion erfolgen. Und wir gehen davon aus, dass es in einer Größenordnung von 25 bis 30 Prozent passieren kann.

Dass der Zuzug abnimmt, ist vielen noch gar nicht bewusst, weil im vergangenen Jahr so viele Flüchtlinge in Berlin registriert wurden – unterm Strich wuchs die Stadt um rund 60.000 Menschen. Woran liegt es, dass das Wanderungssaldo von Inländern abnimmt?

Das typische Wanderungsmuster sieht so aus: Junge Menschen, meist noch unverheiratet, kommen nach Berlin und suchen sich eine Wohnung mitten drin, gleich neben der lauten Kneipe, wo die Party abgeht. Wenn man etwas älter wird und Kinder bekommt, sucht man sich etwas ruhigeres, eine größere Wohnung oder ein Haus. Und weil sich viele eine große Wohnung in Berlin nicht leisten können, ziehen sie ins Umland. Das liegt genau daran, dass zu wenig gebaut wird, zu teuer gebaut wird und auch zu wenig familiengerechte Wohnungen gebaut werden. 

Müssen dann noch weitere Faktoren hinzukommen, damit ihre Prognose eintrifft, dass die Preise um bis zu 25 Prozent fallen?

Es ist keine Prognose, es ist ein Risiko, was wir benennen. Unsere Prognose ist, dass die Preise noch ein paar Jahre leicht steigen könnten. Doch sobald die Konjunktur nicht mehr so gut verläuft, und die Einkommen nicht mehr so sprudeln, könnte sich das schon ändern. Und wenn dann noch die Zinsen steigen, dann werden die Käufer diese hohen Preise nicht mehr bezahlen können.

Diese hohen Preise sind ja insbesondere Ausdruck der niedrigen Zinsen und der fehlenden Anlagealternative. Die Kapitalanleger, die jetzt aus ganz Deutschland und der ganzen Welt in die Stadt strömen, dieser Strom wird nachlassen, wenn die Zinsen wieder steigen, wenn man auch anderswo eine gute Rendite bekommt.

Das Interview führte Robin Avram

2 Kommentare

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  1. 2.

    Dafür ziehen die Preise für Häuser hier im Umland deutlich an.
    Wer kann sich schon ein Haus in Berlin leisten?

  2. 1.

    Ein deutlicher Hemmschuh ist das Verhalten des Hauses Lompscher: rigide Förderpolitik, die mehr darauf achtet, veraltete Formen des Sozialen Wohnungsbaus zu erhalten und deren Risiken erneut zu etablieren:
    Es werden nicht die Menschen mit geringen Einkommen durch Förderung unterstützt, sondern durch Belegungszwänge (Objektförderung) Ghettos geschaffen, mit den bekannten Folgen, finanziellen und sozialen Kosten.
    Absurde Vorschriften, die vermutlich keiner Klage standhalten würden: Bäume, die Feuerwehrzufahrten im Wege stehen, dürfen nicht entfernt und durch nachhaltige Neubepflanzung ersetzt werden, sondern es müssen zusätzliche Treppenhäuser, Rettungswege zu Lasten der Wohnungsflächen gebaut werden. s.a. http://www.tagesspiegel.de/berlin/kritik-an-bausenatorin-lompscher-die-neubau-stimmung-ist-im-keller/20318534.html

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