Interview | Dirk Eilinghoff (Finanztip) zum Immobilienkauf - "Für dieses Paar ist die Bettdecke zu kurz"

Di 23.10.18 | 06:30 Uhr
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Familie von hinten (Quelle: rbb / Mitya Churikov)
Audio: rbb|24 | 24.09.2018 | Dirk Eilinghoff vom Verbraucher-Ratgeber Finanztip | Bild: rbb / Mitya Churikov

Zu wenig Eigenkapital, zu alt, falscher Zeitpunkt. Dirk Eilinghoff, Banken-Experte des unabhängigen Verbraucherportals Finanztip, rät einer Familie wie Steffi und Tom vom Kauf einer Immobilie ab. Egal an welcher Stellschraube man drehe, sagt er: Es haut nicht hin.

rbb|24: Herr Eilighoff, sollte eine Familie wie Steffi und Tom – zwei Kinder, beide um die 50 Jahre alt, knapp über 4.000 Euro Einkommen und kaum Ersparnisse - jetzt eine Immobilie in Berlin kaufen oder nicht?

Dirk Eilinghoff: Die Frage ist wahrscheinlich eher, ob sie überhaupt noch kaufen können. Denn das erste große Problem, das sie haben, ist das fehlende Eigenkapital. Für eine gesunde Baufinanzierung sollte man 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital mitbringen. Makler, Grunderwerbssteuer, Notarkosten kommen noch hinzu. Hat man das nicht, wird es knapp.

Die nächste Frage ist, ob die Kaufpreise so hoch sind, dass es sich lohnt abzuwarten. Die Preise sind in den letzten acht Jahren um etwa 80 Prozent gestiegen. Wir wissen nicht, wie es weiter geht. Steigen die Zinsen wieder, wird es für viele Leute noch schwieriger, zu finanzieren.

Das Paar in unserem Beispiel musste zusehen, wie die Preise nach oben gegangen und quasi weggelaufen sind von dem Budget, das sie zur Verfügung haben.

Familien sind derzeit also die Verlierer?

Ja. Familien müssen ein gegebenes Einkommen auf mehr Köpfe verteilen. Das merken sie bei einer Finanzierung, weil die Banken das natürlich auch so sehen.

Ist es überhaupt erstrebenswert, ins Eigenheim zu wechseln?

Das hängt von der Lebensplanung ab. Bei vielen Familien, die rausziehen in ein großes Einfamilienhaus mit Garten, haben die Kinder irgendwann kein Interesse mehr daran, im Grünen zu spielen. So hat man nachher zu viel Fläche für seinen Bedarf. Diese Situation hat man in der Stadt wahrscheinlich nicht. Da drängt man sich im Moment ein bisschen zusammen und  irgendwann passt es wieder. Bei unserem Paar wäre das wahrscheinlich auch so, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Ihr Problem ist jetzt aber, dass ihnen nicht nur die Kaufpreise weglaufen, sondern inzwischen auch die Mieten.

Werden die Mieten weiter steigen oder hört das irgendwann auf, weil die Kaufkraft der Berliner nicht mitgewachsen ist?

Die Mieten werden irgendwann nicht weiter steigen. Aber das, was Steffi und Tom passieren könnte, ist, dass ihre Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt und verkauft wird. Dann droht die Eigenbedarfs-Kündigung.

Das heißt, die Verdrängung aus ihrem Kiez droht der Familie so oder so?

Wenn eine Eigenbedarfs-Kündigung kommt, wird es extrem schwierig. Weil man dann für die alte Miete praktisch nichts mehr bekommt.

Kaufen ist dann also doch die sicherere Bank, weil man weiß, woran man ist?

Wenn kaufen überhaupt eine Option ist. Da hängt viel dran. Das Paar müsste sich fragen, ob es – wenn die Kinder aus dem Haus sind – wirklich noch in Berlin leben will. Oder ob es sein kann, dass sie noch mal umziehen. Dann wird es wahrscheinlich finanziell kein besonders gutes Geschäft. Man weiß nicht, ob eine Eigentumswohnung, für die man jetzt 500.000 Euro auf den Tisch legt, das in zehn Jahren immer noch wert ist. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Preise nach oben gehen und schreiben das in unserer Vorstellung immer weiter. Es gab aber schon Phasen in den letzten 40 Jahren, wo sich die Immobilienpreise gar nicht entwickelt haben und nach einer Inflation sogar teilweise gesunken sind.

Wenn sich das Paar jetzt doch traut zu kaufen, wäre es dann eine gute Möglichkeit, für das kaum vorhandene Eigenkapital einen zusätzlichen Privatkredit aufzunehmen?

Ich halte ihr Einkommen für zu knapp. Das würde bedeuten, dass sie quasi 100 Prozent des Kaufpreises der Immobilie finanziert haben. Und dann kommt noch ihr Alter dazu.

Das heißt, das Paar ist eigentlich zu alt?

Ja, wenn sie bei Rentenbeginn fertig sein wollen. Sollten sie eine gesetzliche Rente beziehen, haben sie sehr viel weniger Einkommen im Alter. Wenn dann die Restschuld sehr hoch ist bei der Anschlussfinanzierung, haben sie vielleicht 20 Prozent in zehn Jahren getilgt. Vielleicht sind die Zinsen aber wieder höher. Dann steigt die monatliche Rate sogar – bei gleichzeitig sinkendem Einkommen. Die Alternative wäre, eine längere Laufzeit zu wählen. Dann steigt der Zins wieder. Für das Paar ist, egal wo man zieht, die Bettdecke immer zu kurz.

Ist Miete grundsätzlich rausgeschmissenes Geld? Oder ist das nur so, wenn man, wie unser Paar, nicht spart.

Genau. Vergleichsrechnungen setzen voraus, dass ich den Unterschiedsbetrag zwischen der Aufwendung, die ich wegen eines Kaufes hätte und dem, was ich an Miete zahle, spare. Sonst funktioniert das nicht. Weil jetzt die Zinsen so niedrig sind, passt das nicht mehr unbedingt, weil ich zur Zeit als Mieter gar nicht unbedingt weniger zahle. Aber auf jeden Fall ist man als Mieter flexibler.

Wie flexibel muss man denn im Moment sein, wenn man eine Immobilie kaufen will? Unser Paar will ja unbedingt in Pankow bleiben …

Das Paar hat zweierlei Probleme. Wenn die Miete steigt, wird es eng und zum Kaufen ist es eigentlich auch zu knapp. Sie müssen deshalb flexibel sein, denn möglicherweise können sie gar nicht im Kiez bleiben. Sie haben die Entscheidung nicht mehr selbst in der Hand. Das ist schon hart.

Unser Paar ist also definitiv raus?

Steffi und Tom gehören zu den vielen Menschen in Berlin, die nie damit gerechnet haben, dass sich die Lage in der Stadt so entwickelt. Hätte das Paar in den letzten 25 Jahren jährlich etwa 4.000 Euro gespart, sähe die Situation anders aus.

Welche Kreditsumme würden sie sich denn wirklich leisten können?

Bei einer Belastung von 1.400 Euro im Monat und einer Laufzeit von 15 Jahren: 211.000 Euro. Ohne Kaufnebenkosten. Wenn wir die abziehen, brauchen sie ein Objekt für unter 200.000 Euro. Wenn der Kredit über 20 Jahre liefe, sind wir bei 266.000 Euro. Wenn man rechnet, dass sie 35 Jahre Zeit hätten bei einem Zins von 1,55 Prozent, sind wir schon bei 453.000 Euro. So wird auf der Verkäuferseite oft gerechnet.

Und das würden die Banken wirklich finanzieren?

Ich glaube nicht, dass sie das bei einem 51-Jährigen machen. Aber bei 40-Jährigen wird oft so kalkuliert. Deswegen schreiben wir in unsere Ratgeber: "Achten Sie darauf, dass sie mit Renteneintritt fertig sind".

Was macht das mit Familien, wenn sie in der jetzigen Situation einen immens hohen Immobilienkredit aufnehmen?

Eine Finanzierung gerade in der heutigen Zeit ist eine Belastung. Es macht schon was, wenn ich weiß, dass ich in den nächsten 25 Jahren noch 300.000 Euro an die Bank zahlen muss und dass ich mir Urlaub eigentlich gar nicht mehr leisten kann. Gerade wenn man um die 50 ist und das Geld dafür immer hatte. Das macht unheimlich viel Druck.

Haben Sie einen Tipp für unser Paar?

Sicherlich sollten sie sich nicht irgendeine Bruchbude andrehen lassen, die noch halbwegs finanzierbar ist und sich das zurechtbiegen und überall Zugeständnisse machen. Wenn ich jedes Wochenende auf der Baustelle herumturne und die Kinder nicht mehr sehe, ist das auch eine Belastung für die Partnerschaft. Zumal, wenn sie sich dann am Ende trennen und gucken müssen, was sie mit dem halbfertigen Haus machen. Sie sollten sich einen realistischen Blick bewahren dafür, wie sie wohnen wollen. Vielleicht ist es richtig, im Moment erst mal nichts zu tun. Denn etwas finanziell übers Knie zu brechen, ist nie die richtige Wahl.

Kann man sich gegen das Zerbrechen der Familiensituation eigentlich durch Versicherungen so absichern, dass der Immobilienkauf einem nicht auf die Füße fällt? Zum Beispiel gegen den Tod eines Partners…

Klar. Aber das kostet auch wieder Geld. Wenn man hohe Schulden hat, macht eine Risikolebensversicherung Sinn. Wenn in unserem Fall der Vater eine solche abschließen will, kostet die in seinem Alter auch mehr. Wenn er keine Berufsunfähigkeits-Versicherung hat, wird das mit 51 Jahren auch schwierig - nachdem er drei Mal mit Rückenschmerzen beim Arzt war, kriegt er die eher nicht mehr. Es ist eine Illusion, dass man sich gegen alles absichern kann. Und gegen Trennungen gibt es sowieso keine Versicherungen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Prieß

1 Kommentar

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  1. 1.

    Danke für das erstaunlich breit gefächerte Interview mit auch kritischen Sichtweisen. Häufig liest man die permanente Aufforderung, dass man jetzt gerade unbedingt bauen müsse, weil das Geld so billig sei. Sich dabei objektiv über seine eigene finanzielle Situation und Perspektive Gedanken zu machen ist sinnvoll und wird zu selten erwähnt. Danke dafür! Und auch dank für den Hinweis, dass nichts ewig wächst - auch nicht Grundstückspreise.

    Als Idee kann man sich auch über alternative Baukonzepte Gedanken machen wie bspw. Tiny Houses oder Modulbauweise über Wohncontainer. Und was die Bettdecke anbelangt, da können wir helfen. grins