Alte Apfelsorten auf der Grünen Woche - Rettet die Gelbe Schafsnase!

So 20.01.19 | 16:05 Uhr | Von Franziska Ritter
Alte Apfelsorten (Quelle: dpa/ Stephan Persch)
dpa/Stephan Persch
Audio: Inforadio | Apropos | 25.10.2018 | Franziska Ritter | Bild: dpa/Stephan Persch

Auf der Grünen Woche präsentiert sich ein Getränkehersteller aus Berlin, der auf den Geschmack alter Apfelsorten setzt – auch wenn es die in unserer Region kaum noch gibt. Franziska Ritter über eine Initiative, die Streuobstwiesen zurück auf die Landkarte holen will.

Spätsommer dieses Jahres, in Philadelphia – einem Ortsteil von Storkow im Südosten Berlins. 35 Schüler aus der Großstadt rütteln mit aller Kraft an den Äpfel- und Birnbäumen, die verstreut auf einer Wiese im Naturpark Dahme-Heideseen stehen. Um die Stämme herum haben sie Planen ausgelegt, auf die es prasselnd Früchte regnet. Daraus wollen sie Saft pressen.

Bernd Schock vom Verein "Äpfel und Konsorten" weiht die Kinder an diesem Tag in die Geheimnisse der Streuobstwiese ein. Der Berliner kommt seit Jahren hierher. Anfangs hat er dem Landbesitzer bei der Ernte und Pflege der Obstbäume geholfen. Als der Mann starb, pachtete Bernd Schock das Land von der Erbengemeinschaft und gründete seinen Verein. "Das Besondere ist, dass wir die Wiese im Naturschutzgedanken bewirtschaften", sagt er.

Apfel Goldparmäne (Quelle:rbb/Franziska Ritter)
| Bild: rbb/Franziska Ritter

Lebensraum für bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten

Zwischen den Bäumen weiden Schafe. Vogelgezwitscher ist zu hören, leises Brummen von Insekten. Auf der Streuobstwiese ist alles Natur; es werden keine Herbizide, Pestizide oder Fungizide gespritzt. Jeder Baum hat seinen Platz, ob er Obst trägt oder nicht. "Wir versuchen so viele alte Bäume wie möglich für die Artenvielfalt stehen zu lassen", erklärt der Berliner.

Obstbäume, die so wie hier in Storkow verstreut in der Landschaft stehen, gibt es nur noch selten. Streuobstwiesen sind vom Aussterben bedroht. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) schätzt, dass sie bundesweit eine Fläche von weniger als 300.000 Hektar ausmachen. Der Großteil der Bäume wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgeholzt.

"Die Agrarpolitik hat damals beschlossen, Rodungsprämien auszugeben, um auf den Flächen Intensivkulturen anbauen zu können", erklärt Beate Kitzmann vom Naturschutzverein Malchow, die beim Nabu einen Fachausschuss zu dem Thema leitet. 80 Prozent der vorhandenen Streuobstwiesen seien auf diese Weise gerodet worden. Die Biologin spricht von einer ökologischen Katastrophe.

Im Supermarkt gibt es nur sieben Apfelsorten

Auf industriellen Obstplantagen stehen die Bäume dicht in Reih und Glied – nur so hoch, dass man sie von Hand ernten kann. Das bringt mehr Ertrag. Der Geschmack der hoch gezüchteten Sorten, die es im Supermarkt zu kaufen gibt, ist immer gleich. Doch Elstar, Jonagold und Golden Delicious neigen anders als alte Apfelsorten dazu, bei Menschen Allergien auszulösen.

Streuobstwiesen bieten eine Vielfalt, wie es sie in keinem Supermarkt gibt. Hier wachsen Jahrhunderte alte Apfelsorten wie die Berliner Schafsnase, der purpurrote Cousinot und die Goldrenette. Vorteil solch einer Biodiversität: "Jede Apfelsorte hat Resistenzen gegen andere Krankheiten, so dass wir auf einer Streuobstwiese auch in schlechten Jahren immer Äpfel ernten können", erklärt Beate Kitzmann.

Der Geschmack der Gelben Schafsnase

Ostmost hat sich auf die Fahne geschrieben, diese einzigartigen Biotope zu retten. Die Getränkemarke, die Bernd Schock mit zwei Unterstützern ins Leben gerufen hat, setzt auf den Geschmack der Gelben Schafsnase, des Geflammten Kardinals und anderer alter Apfelsorten. Sie verwerten nur Obst von öko-zertifizierten Streuobstwiesen, das von Hand geerntet wurde. Daraus produzieren sie Cider, Saft und Apfelschorlen.

Da es in Brandenburg kaum noch Streuobstwiesen gibt, bezieht das Unternehmen seine Rohstoffe aus Thüringen. Die Bio-Bauern, mit denen Ostmost zusammenarbeitet, bekämen für ihre Ernte mehr als das Doppelte des marktüblichen Preises, heißt es. Bernd Schock und seine Mitstreiter verkaufen ihre Getränke überwiegend in Berlin.

Neben angesagten Bars und Cafés der Stadt hat es die Getränkemarke vor zweieinhalb Jahren in die Filialen der BioCompany geschafft. "Ostmost ist ein Nischenprodukt", sagt Marc Flachmann, der sich beim Bio-Händler um den Einkauf kümmert. 30.000 Flaschen hat das Unternehmen im vergangenen Jahr in seinen 50 Supermärkten in Berlin und Potsdam verkauft. Damit ist man zufrieden: “Wir haben eine ökologische Verantwortung, deswegen wollen wir kleine Produzenten aus der Region fördern."

Ostmostflaschen (Quelle: rbb/Franziska Ritter)

Ein Mehr-Generationen-Projekt

Das Wachstum der Getränkemarke ist von Natur aus begrenzt. Lukas Küttner von Ostmost: "Nach maximal vier Millionen Füllungen ist unseren Berechnungen zufolge Schluss. Dann braucht es 30 Jahre, ehe die nächsten Streuobstwiesen im Saft stehen."

Von jeder Flasche, die das Berliner Unternehmen verkauft, geht ein Teil des Erlöses nach Brandenburg. "Äpfel und Konsorten" heißt der gemeinnützige Verein, der hinter Ostmost steht. Er forstet damit Streuobstwiesen auf. "So eine Wiese ist ein Mehr-Generationen-Projekt", erläutert Bernd Schock. "Wir pflanzen die jungen Bäume für unsere Kinder, die alten Bäume hier wurden von unseren Eltern und Großeltern gepflanzt für unsere Äpfel."

Bislang hat der Verein drei Flächen in der Region retten können: eine vier Hektar große Streuobstwiese in der Uckermark, eine fünf Hektar große in der Niederlausitz und die in Philadelphia, Storkow.

Beitrag von Franziska Ritter

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