Coronavirus - Supermärkte fürchten keine Engpässe, doch Bauern zittern

Di 17.03.20 | 19:19 Uhr
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Leere Gemüseregale in einem Supermarkt
Video: Brandenburg aktuell | 17.03.2020 | Alexander Goligowski | Bild: FrankHoermann/SVEN SIMON

Kunden räumen Supermarktregale leer, andere stehen kopfschüttelnd davor und Spargelbauern bangen um Erntehelfer aus Osteuropa: Die Folgen der Coronakrise bekommen zusehends auch Verbraucher und die Landwirtschaft zu spüren. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) sandte am Dienstag aber gemeinsam mit der Branche das deutliche Signal: "Die Lebensmittelversorgung ist gesichert." So gehören die Supermärkte in Berlin und Brandeburg auch zu den wenigen Geschäften, die ab Mittwoch weiter geöffnet bleiben - während das restliche öffentliche Leben und weite Teile der Wirtschaft zum Stillstand kommen werden.

Um praktische Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen, dringt die Wirtschaft aber auch auf flexible Krisenlösungen für Anlieferungen und dringend benötigte Saisonkräfte.

Hamsterkäufe "unanständig" und "unsolidarisch"

Supermärkte in vielen Städten haben derzeit deutliche Umsatzsprünge, weil viele Kunden bei Nudeln oder Toilettenpapier massenhaft zuschlagen. Kunden seien teils mit kleinen Lastern gekommen, um eigentlich nicht erforderliche Mengen zu kaufen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth. Klöckner verwies auch auf Falschmeldungen im Internet, mit denen manche Panik hervorriefen. "Das ist nicht witzig, das ist unanständig."

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, kritisierte, Hamsterkäufe seien jetzt auch "unsolidarisch", da sie Verunsicherung vergrößerten und in manchen Fällen tatsächlich zu zeitweisen Engpässen in der Verfügbarkeit führen könnten.

Handelsverbandschef Genth betonte, das System der Logistikketten und Zentrallager funktioniere weiterhin. Nötig seien aber einige flexiblere Regelungen - etwa damit Lkw-Lieferungen auch an Sonntagen und abends möglich sind. Er appellierte an die Kunden, den Haupteinkauf nicht nur freitags und samstags zu machen, sondern beispielsweise dienstags oder mittwochs. Das erleichtere auch, Regale aufzufüllen. Sonntagsöffnungen, die die Politik nun möglich machen will, seien dagegen vorerst nicht nötig, so Genth. Auch für Zutrittsbeschränkungen in Läden gebe es keinen Anlass. Klöckner schlug Sonderspuren an Grenzübergängen vor, damit Warenlieferungen und Tiertransporte nicht stundenlang in Staus feststecken.

Erstmal keine Preissprünge

Ob Lebensmittel wegen der Corona-Krise teurer wird, erwarten weder Ministerin noch Bauern noch Handel. "Da genügend da ist, sehe ich nicht, dass die Preise deshalb steigen", sagte Klöckner. Bauernpräsident Joachim Rukwied erläuterte, dass etwa Weizen- und Rapspreise derzeit sogar eher niedrig seien.

Christian von Boetticher von der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE) verwies darauf, dass es zwischen Industrie und Handel in der Regel Jahresverträge gebe. "Erst mal passiert im Preisbereich gar nichts." Nur, wenn bestimmte Zutaten längerfristig überall auf den Weltmärkten knapp würden, könne sich das ändern.

"Wir laufen auf eine bedrohliche Situation zu"

In der Landwirtschaft gibt es wegen der Coronakrise allerdings auch andere Sorgen. Denn kurz vor der Spargelsaison droht vielen Betrieben ein Engpass bei Erntehelfern. Derzeit gelingt es oft nicht, sie aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern herzubekommen. Für Spargel, aber auch für Erdbeeren würden dringend Kräfte gebraucht, sagte Rukwied. Insgesamt kommen jedes Jahr vor allem zwischen April und Oktober rund 286.000 Helfer aus dem Ausland nach Deutschland. Aber nun gibt es an mehreren EU-Grenzen rigide Kontrollen. Klöckner spricht nach eigenen Angaben gerade über Lösungsmöglichkeiten - von "Passierscheinen" bis dazu, Saisonkräfte möglicherweise per Flugzeug zu holen.

Vor allem Spargelbauern schlagen schon Alarm: "Wir laufen auf eine bedrohliche Situation zu", sagte der Vizepräsident des Landvolks in Niedersachsen, Ulrich Löhr. Teile der Ernte müssten womöglich auf den Feldern bleiben. Auch der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer befürchtet Engpässe bei der Ernte, für die mehr als 180.000 Saisonarbeitskräfte benötigt werden. Viele Polen blieben aus Angst vor einer Infektion in diesem Jahr zu Hause.

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9 Kommentare

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  1. 9.

    Niemant kann mir vorschreiben was und wievei ich kaufe ,wir sind in einen freien land

  2. 8.

    Skandalös und völlig verantwortungslos ist die totale Verweigerung des Einzelhandels Hamsterkäufe zu unterbinden, es wäre mehr als genug Ware für alle da, jederzeit, stattdessen appeliert man an die Solidität blablabla als ob der Durchschnittsidiot seine Angstpsychosen und Wahnvorstellungen im Griff hätte. Versorger, kommen sie endlich ihrer verdammten Pflicht nach und stellen sie die Versorgung aller sicher anstatt tatenlos zuzusehen wie Geistesgestörte sich die Keller vollrümpeln, während die arbeitende Bevölkerung nachmittags vor leeren Regalen steht, ES REICHT!

  3. 7.

    Also was die Leute immer mit ihrem sch*** Klopapier haben: mal abgesehen davon dass es genug davon zu kaufen gibt (die Paletten sind höchstens mal kurz leer - dann halt einen Markt weiter gehen), geht es tatsächlich auch OHNE. Tiop: Oma hat Zeitungspapier genommen, der Weltreisende weiß: es geht sehr hygienisch auch nur mit Wasser. Gibts bestimmt ne Anleitung im Internet dafür (die gibts tatsächlich auch für die Herstellung von Hefe-Ersatz, Hefe gibts ja schon seit über einer Woche gar nicht mehr).

    Dass die wenigen Lkw-Kapazitäten mit überflüssigen Dingen wie kubikmeterweise Klo- und Küchenpapier statt mit Mehl und Gemüsekonserven besetzt werden, DAS ist der eigentliche Skandal.

  4. 6.

    Wir benötigen in Supermärkten und Drogerien eine Regulierung bzw. eine gewisse Zeit sollten sämtliche Artikel mit einzeln pro Familie verkauft werden. d.h. ein Packet Toilettenpapier, eine Packung Küchenrolle usw. In anderen Ländern ist das bereits Alltag. Nur so werden alle was einkaufen können. Wir bekommen seit zwei Wochen keine Toilettenpapier und gestern sahen wir ein Auto was voll war mit Toilettenpapier und Küchenrolle. Solidarität existiert nicht und ich denke dass viele Menschen es weg kaufen um es teuerer zu verkaufen. Ähnlich wie die Schützmasken.

  5. 5.

    Spargelernter sind Profiernter. Die wissen wie man absticht; alles wieder glättet. Da kann man keine Laien so einfach ranlassen. Außerdem ist die Arbeit schwer. Abends schmerzt oft der Rücken. Altbewährte Erntekräfte würden sicher dennoch gern wie jedes Jahr auf ihren Stammspargelhof die Ernte einbringen. Jetzt muss gewährleistet werden, dass da niemand die Krankheit einschleppt, die sich so extrem verbreiten kann wenn man schlumpert. Es müssen demnach alsbald Kontakte zwischen Polen und De aufgenommen werden; zumindest auf Kreisebene. Spargelbauern; ihr habt eure Stammkräfte; die sollen es gut haben wie im vorigen Jahr und ein bisssel mehr Verdienst müssen eben alle schlucken.

  6. 4.

    Es sind aber nicht nur billige, sondern versierte Erntehelfer. Was wohl passiert, wenn versucht, sie durch völlig ungeübte Menschen zu ersetzen? Und kann beim Ernten überhaupt der Mindestabstand von 1,50 Metern eingehalten werden?


  7. 3.

    Wäre es möglich teile der Felder für Selbstpflücker bzw. Selbsterntner frei zu geben? Dann könnten sich zumindest Menschen aus der Umgebung versorgen und es würde nicht alles verderben.

  8. 2.

    Es könnten ja für den Spargel auch mal Deutsche arbeiten und nicht Rumänen und Polen. Vielleicht sollte man sie auch nicht nur als Erntehelfer bezeichnen, sondern als billige Erntehelfer oder Erntehelfer die von dem Lohn nicht mal in Deutschland leben könnten.

  9. 1.

    Verehrter Herr Klaus Müller,
    'unsolidarich' sind Supermärkte, die es zulassen, dass zahlreiche Kunden*innen große Mengen an Mehl etc. kaufen. Verunsicherten Menschen auch noch moralische Vorwürfe zu machen ist sinnfrei. Da hätte ich mir ein konstruktiveres Wirken Ihrerseits gewünscht.

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