Vom Zahnarzt bis zum Koch - Hunderte Freiwillige bewerben sich als Spargelstecher

Do 02.04.20 | 06:34 Uhr | Von Claudia Stern
  21
Archivbild: Arbeiter auf den Spargelfeldern in Brandenburg. (Quelle: imago images)
Audio: Inforadio | 01.04.2020 | Marie Asmussen | Bild: imago images

Weil Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa wegen der Corona-Krise nicht mehr einreisen dürfen, fehlt den Brandenburger Spargelbauern rund die Hälfte ihrer Erntehelfer. Kritisch wird es ab Ostern. Doch die Solidarität ist groß: Hunderte Freiwillige aus der Region wollen aushelfen. Von Claudia Stern

Was Sie jetzt wissen müssen

Henry van Wagenberg ist 35 Jahre alt, lebt in Berlin und arbeitet eigentlich als Programmierer und Web-Entwickler. Derzeit ist der gebürtige US-Amerikaner arbeitslos und hat Zeit - deshalb hat er sich spontan freiwillig als Spargelstecher gemeldet, sagt er. "Ich habe gehört, dass es wegen der Corona-Krise nicht genug Arbeiter auf den Feldern gibt, deshalb habe ich bei einem Hof angerufen - aus Solidarität."

Wagenberg. (Quelle: Henry van Wagenberg)
Schon bald will der Berliner Henry van Wagenberg nicht mehr in der Küche, sondern auf dem Feld Hand an den Spargel legen. | Bild: Henry van Wagenberg

Wie Henry wollen derzeit viele Brandenburger und Berliner in der Landwirtschaft mithelfen. Denn dort fehlen die dringend benötigten Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, die wegen der Maßnahmen zur Verbreitung des Coronavirus aktuell nicht mehr einreisen dürfen. Malte Voigts, Geschäftsführer des Spargelhofs Kremmen berichtet von mehr als 400 potentiellen Erntehelfern, die sich nach einem Aufruf im Internet innerhalb kürzester Zeit gemeldet hätten. "Da sind Zahnärzte dabei, Sales Manager, Physiotherapeuten, Köche, Kellner, Studenten. Schüler haben sich auch angeboten." Selbst eine Rentnergruppe aus einer kleinen Gartenkolonie habe sich angeboten, mit 30 Mann vorbeizukommen und einen Nachmittag lang beim Spargelstechen zu helfen.

Ähnlich sieht es in der Region Beelitz aus, dem größten Spargelanbaugebiet in Brandenburg. Ernst-August Winkelmann vom Spargelhof Klaistow erzählt ebenfalls von einer wahren Schwemme an Bewerbungen, die ihn in den letzten Tagen erreicht habe: "Wir sind schon sehr beeindruckt von dieser Welle an Hilfsbereitschaft. Da haben wir allerhöchsten Respekt vor und finden das auch gut", sagt er.

Regionale Helfer sollen nach Ostern eingesetzt werden

Und diese Hilfsbereitschaft ist auch dringend nötig. Denn lediglich ein Bruchteil der Arbeiter, die alljährlich zur Spargelernte aus Polen und Rumänien nach Brandenburg kommen, durfte in diesem Jahr einreisen. 70 Mann statt wie sonst 200 sind es in Kremmen, in Klaistow immerhin rund 60 Prozent - weil Winkelmann früh reagierte und noch vor dem Einreisestopp mehr Erntehelfer nach Brandenburg holte, als zu diesem Zeitpunkt eigentlich nötig gewesen wären. Denn noch kann nur wenig Spargel gestochen werden - die kühlen Temperaturen der vergangenen Tage haben das Wachstum ausgebremst und auch grundsätzlich beginnt die Spargel-Hochsaison erst nach Ostern.

Dann kommt auch die Zeit der regionalen Erntehelfer. Im Gegensatz zu den Polen und Rumänen sind die aber ungelernt - einer dieser Ungelernten ist Henry van Wagenburg. Spargel gestochen hat er noch nicht, immerhin aber bringt er ein bisschen Erfahrung als Erntehelfer in der Landwirtschaft mit. Seine Familie bewirtschafte einen Gemüsehof in Dänemark, dort habe er vor einigen Jahren einen Sommer lang Brokkoli geerntet, erzählt er. Brokkoli ist zwar nicht gleich Spargel - das ist ihm klar. Doch gewisse Parallelen glaubt der 35-Jährige zwischen den beiden Gemüsesorten zu erkennen: "Es ist ähnlich in dem Sinne, dass man es nicht mit Maschinen machen kann. Das muss ein Mensch machen. Und man muss wirklich aufpassen: Ist das schon groß genug zum Abernten? Oder sollte man das noch stehen lassen?"

Einfach drauflosstechen ist nicht

Fakt ist: Einfach drauflosarbeiten ist nicht. Denn guter Wille allein macht noch keinen guten Spargelstecher. Gefragt seien Ausdauer und Vorsicht, sagte Malte Voigt vom Spargelhof Kremmen. "Eine Spargelpflanze ist eben eine Dauerkultur, die will auch über acht oder zehn Jahre gehegt und gepflegt werden. Und wenn dann nicht die richtige Technik beherrscht wird, jemand drauflossticht, dann kann auch die Mutterpflanze Schaden nehmen. Dann ernte ich da in den Folgejahren weniger."

Auch sein Kollege Winkelmann aus Klaistow bremst die Euphorie: "Als die Politiker gesagt haben, Köche und Kellner sollen jetzt bitte Spargel stechen - da muss ich ehrlich sagen, Spargelstecher können ja auch nicht einfach kochen und kellnern. Also, so einfach ist das nicht." Sowohl in Klaistow als auch in Kremmen wird es deshalb ab 15. April erst einmal ein Probearbeiten und Schulungen für die Freiwilligen geben.

Dann müsse sich unter anderem auch herausstellen, ob die Bewerber überhaupt für die harte Arbeit auf dem Feld geeignet sind, sind sich die Spargelbauern einig. "Wer beim Spargelstechen nicht körperlich fit ist, nicht größere Gewichte tragen kann und auch in gebückter Haltung arbeiten kann, für den ist das nichts", sagt Winkelmann. Spargelstecher in spe Henry van Wagenberg ist da optimistisch. "Ich bin sehr sportlich", sagt er. Außerdem habe er damals in Dänemark auch durchgehalten: "Da war man schon sehr müde am Ende des Tages, wir haben dann zusammen gegessen und man hatte sich sein Essen auch wirklich verdient, aber das war für mich machbar."

Eine weitere Herausforderung für die Spargelbauern: Die Gruppe der Bewerber ist äußerst heterogen. Manche Bewerber hätten eine Woche Zeit zum Ernteeinsatz, andere wollen die ganze Saison durchziehen, erzählt Voigts vom Spargelhof Kremmen. Manche könnten nur halbtags, andere voll arbeiten. "Von ganz intensiv Interessierten bis hin zu denen, die auch ein wenig Spaß haben wollen, ist alles dabei." Es ist also eine wahre Wundertüte, die die Spargelbauern da nach Ostern auspacken dürfen.

Infektionsschutz fordert Spargelbauern

Doch das ist nicht die einzige herausfordernde Aufgabe, die vor den Spargelbauern - und auch allen anderen Obst- und Gemüsebauern in Land - liegt: Wegen des gebotenen Infektionsschutzes ist die gesamte Organisation der Ernte deutlich aufwändiger als sonst. So dürfen die Helfer beispielsweise nur höchstens zu zweit in einem Auto zu den Feldern kommen. Deshalb sei auch der Einsatz von Geflüchteten als Erntehelfer logistisch schwierig, heißt es vom Brandenburger Gartenbauverband. Denn die Geflüchteten hätten meist keine Autos, und größere Gruppen zusammen in Bussen zu den Feldern zu fahren, sei wegen der Infektionsgefahr nicht zulässig.

Eine strikte Trennung soll es aus Gründen des Infektionsschutzes auch zwischen regionalen Helfern und Saisonarbeitern aus Polen und Rumänien auf den Spargelfeldern geben. Und auch für Unterbringung der Saisonarbeiter auf den Spargelhöfen gelten andere Regeln als sonst: In Klaistow gebe es für die Arbeiter eine Rundumversorgung, so dass sie den Hof nicht verlassen müssten, um beispielsweise einzukaufen, sagt Ernst-August Winkelmann. Und auch die Arbeiter untereinander sollen sich nicht beliebig durchmischen. In Kremmen wurden die Unterkünfte dafür Farben zugeordnet und die Mitarbeiter entsprechend mit blauen, schwarzen, gelben oder grünen Mützen ausgestattet, sagt Malte Voigts. Und: "Die Leute waschen und desinfizieren sich die Hände jetzt immer wie Chirurgen vor einer Operation."

Auch wenn in diesem Jahr alles anders ist: Bei der Spargelernte ganz auf Erntehelfer zu verzichten, geht auch in Corona-Zeiten nicht. In Kremmen hat es schon Versuche gegeben, Spargel mit einer Maschine zu ernten - mit eindeutigem Ergebnis: 1 zu 0 für die handgestochenen Stangen.

Mit Informationen von Marie Asmussen

Sendung: Inforadio, 01.04.2020, 8:10 Uhr

Beitrag von Claudia Stern

21 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 20.

    Ich freue mich wie jedes Jahr auf meinen Spargel mit Kalbsschnitzel. Der Preis ist mir egal.

  2. 19.

    Wenn die tatsächliche Anzahl der Kinder, oder die Identität der Kinder nicht geklärt ist, ist das doch kein Versäumnis der Osteuropäischen Arbeitskräfte. Daran, sind entweder fehlende oder falsche Gesesetze, oder die Behörden selbst daran schuld. Da sollten sich die verschiedenen Behörden, einmal selbst überprüfen, ob ihre Handlungsweisen richtig sind. Wenn Ich nicht in der Lage bin, etwas zu überprüfen, kann Ich auch kein Geld auszahlen. Falsche Gesetze oder Unfähigkeit der Behörden.

  3. 18.

    Wie will man denn, die Stunden der Erntehelfer kontrollieren, damit kann man doch auch den Mindestlohn umgehen ? Oder indem, eine sehr hohe Arbeitsleistung verlangt wird. Oder indem dem Erntehelfer, überhöhte Kost und Logis in Rechnung gestellt wird. Da wird bestimmt viel gedreht am Mindestlohn. Und die Bauernlobby in Deutschland ist auch sehr stark, mit sehr vielen Lobbyisten und Ministern. Das hört sich mehr wie Theorie an, die in der Praxis, bei tausenden Arbeitern aus Osteuropa, bestimmt nicht kontrolliert werden kann. Oder bei Krankheit, oder Urlaub, kann auch manipuliert werden ?

  4. 16.

    Also ich freue mich auf Spargel aus Brandenburg; gerne zahle ich auch mehr, wenn er denn überhaupt kommt.

  5. 15.

    Mindestlohn kann man doch wohl mit irgendwelchen überhöhten Normen oder durch andere Maßnahmen aushebeln. Das ist doch wohl kein Geheimnis. Es werden doch keine Arbeitskräfte aus dem tiefsten Osteuropa genommen, aus reinster Nächstenliebe. Das ist doch im Baugewerbe und in anderen Branchen genauso. Da sollten wir doch Alle, auch mal ehrlich sein, dann finden wir auch mal wieder Arbeitskräfte in Deutschland, oder bilden wieder welche aus. Da sollten wir auch mal anfangen, wieder in Umschulungen und Ausbildungen zu investieren.

  6. 14.

    Der Bauer möchte seinen Reibach machen und der Staat soll nachher für die Rückenkranken zahlen - Tolle Rechnung !!! Dieses Bauerngejammer der Agrarindustrie mit ihren schädlichen Monokulturen, geht mir so dermaßen auf die Nerven. Und so gesund und für Jeden geeignet, ist der Spargel sowieso nicht. Aber zum Geld machen, ist er gut tauglich, vor allem mit sehr vielen Billiglöhnern als Arbeitskräfte. Sollen mal Alle wieder auf Familienbetriebe umstellen, dann müssen auch keine Osteuropäer oder andere Billigkräfte, ausgenutzt werden. Und die Böden werden durch die Monokulturen, auch nur ausgetrocknet und belastet.

  7. 13.

    Ihre Angaben sind völlig widersprüchlich und zudem rassistisch. Ich hoffe Sie arbeiten nicht wie von Ihnen behauptet in einer Behörde. Jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin steht grundsätzlich Kindergeld zu. Stimmung gegen Kinder zu machen finde ich ziemlich schäbig!

  8. 12.

    Das Problem ist nur, daß die Freiwilligen alle unterschiedlich Zeit haben. Die Bauern können damit überhaupt nicht planen, es ist also nur ein Tropfen auf den heißen Stein und wird das Problem nicht wirklich lösen.

  9. 11.

    Na, denn hat Ihre Arbeitsgruppe seit Jahren selig gepennt. Die Polen machens für 5 € netto. Alles nichts Neues und Sie kommen jetzt mit Arbeitsgruppe , ich lach mich krumm......

  10. 10.

    Noch mal den Text richtig lesen. Die Spargelbauern dürfen keine Busse von den zentralen Unterkünften zum Feld einsetzen!

  11. 9.

    Ich lese hier des öfteren, das die Osteuropäischen Saisonarbeiter nicht gem. Mindestlohngesetz bezahlt werden. Gibt es dafür belastbare Nachweise? Wir als Behörde haben sogar eine eigene Arbeitsgruppe, die bei Verstößen gegen das MiloG juristisch gegen die Arbeitgeber vorgeht.

    An dieser Stelle darf man aber eines nicht vergessen. Die Saisonarbeiter erhalten für die Zeit ihres Aufenthaltes hier Kindergeldzahlungen, für ALLE nachgewiesenen Kinder, auch wenn sie nicht in D leben gem. BKKG. Das im Heimatland gezahlte Kindergeld wird davon abgezogen, was aber problmelos ist. KiGe in D=204 fürs erste Kind; abzgl. KiGe in z.B. Bulgarien 20, Rumänien 18. Es lohnt sich in erheblichen Maße, zumal die tatsächliche Existenz der Kinder nicht wirklich geprüft wird.

  12. 8.

    Schrecklich. Immer sind es die Allerschwächsten, die ihre Gesundheit für unseren Luxus ruinieren. Es ist skandalös, dass die Geflüchteten offenbar so wenig bekommen, dass sie auf solche Angebote zurückgreifen müssen.

  13. 7.

    Man könnte auch einfach ordentliche Löhne zahlen, dann würden sich sicher mehr Erntehelfer finden, auch aus Deutschland.

  14. 6.

    Das ist löblich. Ich hoffe, viele halten durch. Und werden (auch in Zukunft) anständig bezahlt. Da müssen auch die Verbraucher bereit sein, einen fairen Preis zu bezahlen. Damit dann auchvder Bauer noch was übrig hat.

  15. 5.

    Der Beitrag ist gut und das stimmt schon es kann nicht jeder machen.

    Nur eines fehlt hier in der Aufzählung dass ja die Bauern deswegen gerne polnische Arbeiter oder andere Osteuropäer nehmen weil sie den nicht mal den Mindestlohn zahlen. Das mit der Rundumversorgung wird ja nicht umsonst gemacht wird alles vom Lohn abgezogen.
    Wenn jetzt andere kommen muss der Bauer Mindeslohn zahlen und das ist es ja was die gerne vermeiden möchten.
    Abgesehen davon esse ich Spargel gar nicht so gerne und so gesund ist der nicht jedenfalls was die Knochen betrifft.

  16. 4.

    Beim ÖPNV fahren mittlerweile extrem wenige Passagiere in Bus und Bahn mit. Er muss dennoch aufrecht erhalten werden, weil nicht jeder ein Auto hat, um zum Arzt zu fahren. Da man zu den Spargelhöfen schon nur selten mit dem ÖPNV kommt und das Auto braucht, kann man auch gleich zum Feld fahren.

    Die Busse zu Spargelfeldern machen nur Sinn, wenn Sie voll besetzt sind. Sie verkehren im Normalfall zwischen den Einsatzorten und den zentralen Unterkünften der Saisonarbeiter.

  17. 3.

    Vielleicht sollten sie selber ja auch mit anpacken. Mal ein wenig frische Luft um den Kopf ein wenig frei bekommen, um weniger in wirre Verschwörungtheorien abzudriften.

  18. 2.

    Erntehelfer dürfen nicht in Gruppen im Bus zur Arbeit aufs Feld gefahren werden. Im ÖPNV wird dies aber täglich praktiziert. Die Leute sind wahrscheinlich auch nur auf den Weg zur Arbeit. Wo liegt hier der Unterschied?

Das könnte Sie auch interessieren