Interview | Reisebüro-Chefin aus Berlin - "Bis zu 70 Prozent der Reisebüros von Pleite bedroht"

Mi 13.05.20 | 14:44 Uhr
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"Leere Liege - leere Kasse" steht auf einem Strandstuhl während einer Demonstration für Staatshilfen für die Reisebranche aufgrund der Corona-Pandemie in Potsdam am 29.04.2020 (Bild: imago-images/Martin Müller)
Audio: Radioeins | 13.05.2020 | Interview mit Marion Tibursky | Bild: imago-images/Martin Müller

Reisen werden in der Corona-Pandemie storniert. Die Branche fordert staatliche Hilfen. Ein Aktionsbündnis protestiert am Donnerstag deutschlandweit. Wie es um die Reisebüros steht, erzählt eine der Initiatoren und Reisebüro-Inhaberin, Marion Tibursky, im Interview.

rbb: Frau Tibursky, Sie fordern eine finanzielle Soforthilfe von der Bundesregierung. Wie gefährdet ist die Reisebranche, wenn das Geld in den nächsten Tagen nicht kommt?

Marion Tibursky: Dann sieht es sehr traurig für uns aus. Deutschlandweit gibt es etwa 11.000 Reisebüros und ungefähr 80.000 Mitarbeiter. Darunter sind viele Solo-Selbstständige, sowie kleine und große Reisebüros. Seit Monaten haben wir keine Umsätze und Einnahmen generieren können. Im Gegenteil, wir mussten auch Provisionen zurückzahlen, auch für stornierte Reisen. Provisionen sind aber unser Lebenselixier.

Unsere Kapitaldecke wird immer dünner. Und man kann davon ausgehen, dass dann, wenn innerhalb der nächsten zwei Monaten nichts passiert, ungefähr 50 bis 70 Prozent aller Reisebüros eventuell pleite sind.

Wie ist die Situation in Ihrem Reisebüro?

Ich habe jetzt noch eine Kapitaldecke, nachdem ich alles runter fahren konnte, was ich nur runterfahren konnte, für vielleicht zweieinhalb Monate. Und danach sieht es sehr düster für mich aus. Ich versuche einen Kredit von der KfW zu bekommen. Aber bedauerlicherweise, da wir keine Einnahmen generieren, sieht es auch in der Richtung sehr schlecht aus. Es ist auch bedauerlich, dass wir auch noch einen Kredit aufnehmen müssen, nur damit wir bestehen bleiben dürfen.

Ab welchem Datum hoffen Sie denn, dass wir wieder reisen können?

Ja, das ist eine ganz schwierige Frage. Wir kriegen auch nur die Presseberichte mit. Ab Mitte Juni sollen demnach die ersten Zielgebiete innerhalb der EU wieder aufmachen, wie zum Beispiel Mallorca oder Österreich. Griechenland würde gerne zum 1. Juli wieder öffnen, das hängt aber natürlich von unseren Politikern ab.

Wie könnten Hygienekonzepte Ihrer Meinung nach aussehen?

Es müssen Hygienespender mit Desinfektionsmittel bereitstehen. Zwischen Tischen und Liegen müssten Abstände eingehalten werden.

An den Stränden werden zum Teil sogar Plexiglaswände aufgebaut, sodass man ungestört sein kann. Es wird auch der Badebetrieb geregelt, dass nur eine bestimmte Anzahl an Personen gleichzeitig im Wasser sein dürfen. Es wird schon ganz viel gemacht. Denn auch bei den Hoteliers geht es letztendlich um deren Existenzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Marion Tibursky führten Tom Böttcher und Marco Seiffert für Radioeins.

Bei dem Text handelt es sich um eine redigierte und gekürzte Fassung. Das komplette Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Radioeins, 13.05.2020, 07:40 Uhr

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6 Kommentare

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  1. 6.

    Das sehe ich genauso. Ich glaube, ich habe in den letzten 15 Jahren nicht mehr im Reisebüro gebucht! Die 2-3 Anfragen, die ich dort in den letzten Jahren gestellt hatte, haben mir nur gezeigt, dass ich im Internet doch immer eine günstigere Variante gefunden habe. Somit glaube ich auch, dass die Reisebüros genauso wie die Videotheken aussterben werden. Genauso wie die Buchläden und vieles mehr. Ist zwar schade, aber nicht wirklich zu ändern. Das ist einfach der Lauf der Zeit.

  2. 5.

    Totgesagte leben länger. Seit sich jeder für den besten " Internetreiseplaner" hält, verzeichnen wir steigende
    Umsätze, weil immer mehr Urlauber , im Buchungschaos , auf die falsche (Flug-)gesellschaft gesetzt haben, das Zeitfenster zu knapp berechnet hatten und aus den entlegensten Regionen zurückgeholt werden müssen, am liebsten rund um die Uhr. Bei Buchungen im Reisebüro ist dieser Service oft im Preis enthalten.

    Regelmäßige Befragungen unserer Kunden, ergab auch oftmals eine völlige Unwissenheit, der tatsächlichen Preise. Meistens kostet diese Unwissenheit viel Geld.

    Auch kennen Reiseveranstalter, viele Geheimtipps, die gar nicht im Internet buchbar sind, für Urlauber, die keinen Massentourismus mögen.

  3. 4.

    Vor allem wenn sie weiter so wirtschaftet wie vor Corona......
    Fragt sich nur ob das der Wirtschaftsflügel der CDU auch kapiert, siehe Energiewende.

  4. 3.

    Die Menschheit ist eine aussterbende Art, wenn sie weiter so reist wie vor Corona.

  5. 2.

    Ich kann die Sorgen der Branche und bei den Betroffenen sicherlich verstehen, aber sind die Reisebüros, auch völlig unabhängig von der aktuellen Corona-Situation, nicht ohnehin eine aussterbende Art?
    In Zeiten der flächendeckenden Internetnutzung mit all den Möglichkeiten und Angeboten muss man doch nicht mehr in ein Reisebüro um einen Urlaub zu buchen.
    Auch Videotheken sind mittlerweile kein Geschäftsmodell mehr...

  6. 1.

    Kann man das Intensivbett als Sonderleistung dann gleich mitbuchen? - Das Virus wird auch vielfach durch Aerosole bei der Ausatemluft übertragen in geschlossenen Räumen - also beim Fliegen über mehrere Stunden reist es fröhlich mit als Blinderpassagier.......na dann viel Spass

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