"Die Republik steht still und wir auch" - Taxifahrer befürchten Pleitewelle durch Corona

Do 07.05.20 | 06:26 Uhr | Von Lisa Splanemann
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Taxis stehen am Flughafen Tegel (Quelle: imago images/Sorge)
Bild: www.imago-images.de/Sorge

Bis zu 90 Prozent Umsatzverlust verzeichnen Taxiunternehmen derzeit. Die Innung des Berliner Taxigewerbes befürchtet, dass künftig über ein Viertel der Fahrzeuge für immer stillsteht. Erste Unternehmen melden bereits Insolvenz an. Von Lisa Splanemann

Eine provisorische Plexiglasscheibe zwischen Fahrer und Fahrgast, häufiges Durchlüften des Fahrzeugs und Desinfizieren der Autositze nach jeder Fahrt: Taxifahrer haben ihre Fahrzeuge in Corona-Zeiten umgerüstet. So sollen mehr Fahrgäste für Taxifahrten gewonnen werden. Denn häufig kann die vorgeschriebene Abstandsregel von anderthalb Metern in einer Standardlimousine nicht eingehalten werden.

Auftragsrückgang von bis zu 90 Prozent

Das Taxigewerbe steht derzeit vor großen Herausforderungen. Taxiunternehmen beklagen durch die Corona-Krise einen Auftragsrückgang von bis zu 90 Prozent. "Die Leute sind deutlich weniger unterwegs", sagt Michael Oppermann, Geschäftsführer vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. Dies sei derzeit in allen Bundesländern zu beobachten. Die ursprüngliche Hoffnung, dass Menschen, die auf den öffentlichen Personennahverkehr verzichten wollen, lieber auf das Taxi umsteigen, hat sich somit nicht bewahrheitet.

Durch die Corona-Krise und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen fehlen dem Taxigewerbe ganze Marktsegmente: So sind Menschen weniger mobil, Touristen bleiben weg und Großveranstaltungen fallen aus. "Ein großes Problem ist außerdem, dass kaum noch Betrieb an Flughäfen ist, sodass auch dort keine Fahrgäste in die Taxen steigen", erklärt Oppermann.

Michael Oppermann (Quelle: privat)
Michael Oppermann | Bild: privat

Tatsächlich hat der Flughafenverband ADV beispielsweise am Flughafen Frankfurt am Main für Mitte April ein Passagieraufkommen von nur noch einem Prozent der üblichen Zahl gemessen. "Uns fehlen die Gastronomie, das Nachtleben, die Geschäftsleute - die Republik steht still und wir auch", sagt Vorsitzende der Innung des Berliner Taxigewerbes, Leszek Nadolski.

Die Lage sei bundesweit "ausgesprochen schwierig", so Oppermann. Besonders gravierende Einschnitte verzeichnet das Taxigewerbe vor allem in Großstädten. Nach Angaben vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. liegen aber auch im ländlichen Bereich die Umsatzeinbrüche bei über 60 Prozent. "Die Fahrten, die jetzt noch unternommen werden, sind häufig Krankentransporte oder für ältere Menschen, die beispielsweise einen Arzttermin haben." Neu hinzugekommen seien Transporte von Menschen, die als systemrelevant eingestuft wurden und zur Arbeit müssen. In einigen Fällen werden hier Fahrten von Arbeitgebern gezahlt. Aber auch diese Aufträge würden bei weitem nicht ausreichen.

Staatshilfen ist für kleine Unternehmen häufig die Rettung

Ohne Staatshilfen gingen viele Unternehmen innerhalb weniger Monate insolvent, schätzt Oppermann die Situation ein. Zugutekommen würden Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständigen derzeit die staatlichen Direkthilfen. Kleine Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler erhalten aktuell finanzielle Unterstützung vom Bund, um Betriebskosten zu finanzieren.

Aus einem 50 Milliarden schweren Topf werden unbürokratische Soforthilfen gestellt: Selbstständige und Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten erhalten bis zu 9.000 Euro, mit bis zu zehn Beschäftigten erhalten bis zu 15.000 Euro. Darüber hinaus werden beispielsweise durch die staatliche KfW Kreditprogramme für größere Unternehmen gestellt.

Die Soforthilfen reichten nach Oppermanns Einschätzungen zunächst bis Mitte Mai aus. "Allerdings ist das Taxigewerbe mittel- und langfristig von der Corona-Krise betroffen", mahnt der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V.-Geschäftsführer, "wenn auch im zweiten Halbjahr keine Großveranstaltungen stattfinden, wird es auch zukünftig zu großen Umsatzeinbrüchen kommen."

Deshalb müsste das Taxigewerbe auch in der zweiten Jahreshälfte mit Fördermaßnahmen unterstützt werden. Größere Unternehmen nähmen derzeit hauptsächlich das Mittel der Kurzarbeit in Anspruch. Das ist aber in der Taxibranche gar nicht so einfach: "Im Taxigewerbe gibt es eine Dienstpflicht, das heißt, wir dürfen nicht einfach den Betrieb einstellen". Im Umkehrschluss müssten Taxen trotz niedriger Auftragslage bereitstehen – manchmal acht Stunden am Stück mit nur einem Fahrauftrag. "Wenn 30 Euro eingenommen werden, kann davon kein Mindestlohn gezahlt werden", erläutert Oppermann.

25 Prozent der Berliner Taxen könnten für immer stillstehen

Leszek Nadolski ist Vorsitzender der Innung des Berliner Taxigewerbes. Nach seinen Einschätzungen könnten künftig in Berlin über 25 Prozent der rund 8.000 Berliner Taxen für immer stillstehen. Betroffen seien dann bis zu 6.000 Arbeitsplätze. "Die Situation ist einfach katastrophal", so Nadolski, "kaum einer möchte gefahren werden." Derzeit seien Solo-Selbstständige und Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern durch die Soforthilfen "aufgefangen worden", berichtet der Vorsitzende. "Auf uns kommt jetzt aber langsam eine Insolvenzwelle zu." Erste Berliner Betriebe würden bereits aufgeben.

Leszek Nadolski (Quelle: privat)
Leszek Nadolski | Bild: privat

Nadolski ist ebenfalls Taxifahrer und betreibt sein Unternehmen als Solo-Selbstständiger. Momentan ist Nadolski aber kaum mit seinem Taxi unterwegs. Er gehört mit gesundheitlichen Problemen zur Risikogruppe bei einer Corona-Erkrankung. "Mich haben die Sofortmaßnahmen aufgefangen", so der Taxifahrer. Mit den Zahlungen könne er sich nun einige Monate über Wasser halten.

Seine Kollegen berichten Nadolski, dass sie täglich höchstens drei bis vier Fahrten machen würden. "Das heißt 30 Euro Einnahmen pro Tag - damit kann man noch nicht mal die Kosten decken", rechnet der Taxiunternehmer vor. Er hofft jetzt für seine Kollegen auf Hilfen für Betriebe über zehn Angestellte.

Mit Sorge blickt Nadolski auch in die Zukunft: Wenn der Flughafen Tegel als weitere Einnahmequelle wegfällt, würde es für die Berliner Branche noch düsterer aussehen.

Sendung: Inforadio, 7.5.2020, 18:00 Uhr

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Beitrag von Lisa Splanemann

17 Kommentare

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  1. 16.

    Wenn DAS jetzt immer noch nicht Anlass genug ist, diese hoch-defizitäre, mit Wagniskapital künstlich am Leben gehaltene, echte Unverfrorenheit gegenüber unsrem Rechtsstaat Namens UBER (und Konsorten)endlich mal NACHHALTIG in seine rechtlich festgelegten und dazu auch noch mehrfach gerichtlich überprüften Schranken zu verweisen, … also Mann, wo sind wir denn bei diesem Thema hier ... in Takka-Tukka-Land, oder was ?!

    Ist hier nicht sogar schon längst das Bundeskriminalamt zuständig wegen bundesweit organisiertem, gewerbsmäßig betriebenem und permanent wiederholtem Betrug? ... Keine Ironie. Mann-O-Meter, verflixt und zugenäht nochmal.

  2. 14.

    Und weiterer Mehrwert gegenüber Carsharing: Sie müssen am Zielort keinen Parkplatz finden. Steigen immer sehr nah beim Ziel aus einem schützenden Wagen. Sie können unterwegs konzentriert telefonieren, schreiben, Zeitung lesen, plaudern oder etwas arbeiten. Und, Sie tragen 0,0 Unfall-Schaden-Risiko am Fahrzeug !

  3. 13.

    Der Mehrwert gegenüber dem Carsharing ? … Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Taxen haben eine weitgehende Beförderungs- UND Betriebspflicht gegenüber Jedermann. Taxen sind im ganzen Stadtgebiet jederzeit, für Jedermann, unkompliziert und anonym verfügbar. Taxen gehören (auch) deshalb ganz offiziell zum ÖPNV einer Stadt. Taxen übernehmen Kranken-Transporte. Taxi-Unternehmen zahlen Gewinn-Steuern IN Deutschland. Taxi-Preise sind staatlich reguliert und überwacht. Taxen nehmen weniger öffentlichen Parkraum in Anspruch als Carsharing-Wagen. In Taxen gewährleistet der Fahrer jederzeit Sauberkeit und Technik. Ortskenntnis besteht nicht nur aus Straßenkenntnis, sondern ggf. auch aus Rat des Fahrers in einer Gegend. Taxi-Fahrer können zugreifen und HIlfen leisten.

  4. 12.

    Es ist ein bisschen unklar wie Taxinutzung auf Dienstreisen impliziert, dass ich auf Kosten der Gesellschaft lebe, aber wenn Sie meinen kann ich in Zukunft auch mit Uber fahren.

  5. 11.

    Solche Fahrgäste,wie Sie einer sind,fahre nur wenn der Chef zahlt ,auf die können wir getrost verzichten.Warscheinlich leben Sie häufig auf Kosten der Gesellschaft.

  6. 10.

    Was ist eigentlich der große Mehrwert eines Taxis gegenüber einem Carsharing Auto? Stadtkenntnis ist ja seit GPS egal. Der einzige Vorteil ist dass man nicht erst zum Auto hinlaufen muss. Aber dass der Markt für Taxen stirbt wundert mich bei den vielen konkurrierenden Mobilitätsangeboten eigentlich nicht. Persönlich fahre ich vielleicht alle zwei Jahre mal mit dem Taxi, aber auch nur wenn die Firma zahlt.

  7. 8.

    Darum geht es ja, Abbau von sozialen Rechten !
    Unsere Politiker praktizieren das seit Jahren. Wie die Pharmakonzerne, die alles nach China verlagern um maximalén Profit zu erzielen. Der Mensch spielt keine Rolle.

  8. 7.

    So dolle kann es mit Uber aber hier auch nicht mehr weitergehen. In den USA hat Uber schon tausende Mitarbeiter durch die Corona Pandemie entlassen müssen. Sehr zur Freude von alteingesessenen Taxifahrern.

  9. 6.

    merkwürdig, dass in dem artikel das reiz- und stichwort "uber" bzw "free now ride" nicht fällt...?? diese 'mietwägen' mit hemmungslos (selbst)ausgebeuteten, 'freiberuflichen' fahrern ohne stadtkenntnisse lungern illegal überall in der stadt herum und picken die rosinen aus dem kuchen, denn sie müssen, ohne die soziale "beförderungspflicht" der taxen, unwirtschafliche fahrten nicht annehmen,und dürfen auch, ohne die tarifbindung der taxen, diese unterbieten... unser 'be-scheuer-ter' verkehrsminister - sorry - nennt das: "fairer wettbewerb", und die behörden setzen einfach gerichtsurteile gegen uber nicht um, schlafen ruhig den schlaf der ungerechten... ps: und was werden all die entlassenen taxi-fahrer machen? natürlich uber- oder "free now"-fahrer werden! da fragt ja niemand nach mindestlohn oder sozialversicherung... gratuliere zu dieser "modernisierung" des wirtschaftslebens, herr minster!

  10. 5.

    Was spielt das für eine Rolle? es geht dabei um Arbeitsplätze Leute die nicht gleich danach wieder eine Arbeit haben werden vielleicht und sich dann beim Amt melden müssen, denken Sie daran mal.

  11. 4.

    Tchüß!

  12. 3.

    Die derzeitigen Fahrpreise reichen kaum aus um ein anständiges Einkommen zu erzielen. Der Kostendruck im Taxigewerbe ist ernorm. Die KFZ Versichererung ist erheblich teurer wie für privat zugelassene KFZ. Kreditkosten, laufende Kosten und weitere Versicherungen und Abgaben fressen die Umsätze. Als Selbstständiger zahlt man Krankenkasse nicht nach dem Einkommen, sondern nach dem Satz, die die KV für Selbstständige festgelegt hat. Berufsgenossenschaften sind weitere Kostentreiber, die jedoch im Schadenfall kaum Leistungen zahlen. IHK kassiert Unsumnmen, einfach nur für die Zwangsmitgliedschaft. Leistungen gibt es keine, ohne weitere Zahlungen. Das Taxigewerbe klammert sich seit Jahrzehnten an die Idee, es muss doch mal besser werden. Wie überall im Dienstleistungsgewerbe geht es nur um Sklavenverhältnisse. Ich habe mich mit dem Gedanken an bessere Zeiten über Jahrte selber versklavt.

  13. 2.

    Es gibt ohnehin viel zu viele Taxis in Berlin.

  14. 1.

    Aus meiner Sicht ist nicht ausschließlich Corona an den fehlenden Fahrgästen ursächlich! Vielleicht sollte die Innung mal die Fahrpreise überprüfen und sich europaweit orientieren!

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