Verrechnung mit Unterhalt - Alleinerziehende kritisieren, dass Corona-Kinderbonus nur zur Hälfte bei ihnen ankommt

Der Kinderbonus soll den von der Corona-Krise gebeutelten Eltern finanziell unter die Arme greifen. Für alle gibts im Herbst 300 Euro - außer für Alleinerziehende. Bei denen kommt der Bonus nur zur Hälfte an. Der Verband Alleinerziehender hält die Regelung für ungerecht.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) hat die Regelung der Bundesregierung zur hälftigen Aufteilung des Kinderbonus' kritisiert. Der Verband fordert (vamv-bw.de), dass der Kinderbonus voll ausgezahlt dort ankommt, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat. Denn dort würden die Kosten entstehen, teilt VAMV-Bundesgeschäftsführerin Miriam Hoheisel dem rbb mit.
150 Euro werden bei Alleinerziehenden mit Unterhalt verrechnet
Die Bundesregierung hatte am Montag ein milliardenschweres Konjunkturpaket beschlossen. Von dem darin verankerten Kinderbonus sollen auch Familien profitieren: Pro kindergeldberechtigtes Kind will das Familienministerium ab Herbst 300 Euro auszahlen - der Bonus soll im September und Oktober in zwei Raten gemeinsam mit dem Kindergeld überwiesen werden. Die Regelung gilt auch für Kinder, die erst nach dem Stichtag der Auszahlung dieses Jahr geboren werden. Ziel ist es, die Belastungen durch die Corona-Krise auszugleichen.
Doch Alleinerziehende profitieren von der Finanzspritze weniger als andere: Unterm Strich erhalten sie nämlich nur 150 Euro. Zwar werden den Alleinerziehenden, die auch das Kindergeld ausgezahlt bekommen, die 300 Euro komplett überwiesen. Allerdings hat der sogenannte Barunterhaltspflichtige, also das nicht erziehende Elternteil, das Recht, seine Hälfte des Kindesbonus mit dem Kindesunterhalt zu verrechnen. Die 150 Euro können vom Unterhalt des Elternteils abgezogen, wenn er nachweislich Mindestunterhalt zahlt oder das Kind hälftig betreut.
In welchem Fall wird der Kinderbonus mit dem Unterhalt verrechnet?
Dafür muss der oder die Unterhaltszahlende die Verrechnung des Kinderbonus mit dem Unterhalt vom alleinerziehenden Elternteil anfordern, die 150 Euro werden nicht automatisch verrechnet. Wenn kein Unterhalt gezahlt wird, wird die volle Summe an den alleinerziehenden Elternteil gezahlt. Bekommt der oder die Unterhaltspflichtige einen Unterhaltsvorschuss, wird der Kinderbonus ebenfalls nicht verrechnet.
Für Alleinerziehende hat die Bundesregierung weiterhin beschlossen, den Entlastungsbetrag für dieses und das kommende Jahr fast zu verdoppeln - von bisher rund 1.900 Euro auf rund 4.000 Euro. In Berlin gilt ein Drittel aller Familien als alleinerziehend. In Brandenburg zählen etwa ein Viertel aller Familien als alleinerziehend. In mehr als 90 Prozent der Fälle leben die Kinder getrennter Eltern bei den Müttern.
Verband Alleinerziehender sieht Teilung als Ungerechtigkeit
Beim Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wird dies als Vorteil beschrieben: "So profitieren beide Eltern vom Kinderbonus und Ungerechtigkeiten werden vermieden." Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) sieht das anders: Durch die hälftige Aufteilung des Kinderbonus' würden erst Ungerechtigkeiten entstehen.
"Alleinerziehende hatten in der Zeit der geschlossenen Schulen höhere Kosten zum Beispiel beim Mittagessen, das sie plötzlich selbst zahlen mussten", sagt VAMV-Bundesgeschäftsführerin Hoheisel. Gleichzeitig seien günstige Lebensmittel zur Mangelware geworden. Auch Technik für das Home-Schooling hätten sich viele Alleinerziehende erst anschaffen müssen.
Statt des einmaligen Kinderbonus' wünscht sich der Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter eine langfristige Lösung in der Krise - etwa ein erhöhtes Corona-Kindergeld. Denn bisher könnten Eltern nur finanzielle Hilfe beanspruchen, wenn sie wegen der Kindererziehung ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten oder können.
Interessenverband für Unterhalt fordert ebenfalls Steuerfreibetrag
Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) begrüßt hingegen die hälftige Teilung des Kinderbonus'. Aus Sicht des Verbandes müsse der Kinderbonus wie Kindergeld betrachtet werden, "und somit beiden Elternteilen zugutekommen", schreibt der Verband auf seiner Webseite (isuv.de). "Es geht hier um eine gerechte Aufteilung. Man muss auch die Seite der - meist - Väter sehen, die auch durch die Krise individuell getroffen wurden, beispielsweise durch Kurzarbeit und sich trotzdem in die Erziehung eingebracht haben", sagt der Verbandsvorsitzende, Familienrechtler und Mediator Klaus Zimmer.
Aus gleichem Grund fordert der ISUV deshalb neben der Aufteilung der Einmalzahlung auch, dass die vom Bund beschlossene Steuerentlastungen denjenigem Elternteil zukommt, dem es die größten steuerliche Vorteile bringt. "Vielen Alleinerziehenden nützt die aktuelle Regelung nichts, weil sie zu wenig verdienen", sagt der ISUV-Sprecher Josef Linsler. Es gehe um Konsens und eine ausgewogene Unterstützung beider Elternteile.
Unterhaltspflichtige würden in dem Konjukturpaket zu wenig Beachtung finden, so der Verband. Obwohl heute viele Eltern trotz Trennung gemeinsam erziehen würden, unterteile die Politik noch immer nur in Familien und Alleinerziehende - "Trennungseltern" oder "Unterhaltspflichtige" kämen nicht vor.
Sendung: Inforadio, 01.07.2020, 18:20 Uhr