Datenauswertung - Welche Auswirkungen Corona auf den Arbeitsmarkt in der Region hat

Di 03.11.20 | 07:26 Uhr | Von Götz Gringmuth-Dallmer
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Grafik: Bauarbeiter auf einem Baugerüst in Berlin. (Quelle: rbb/dpa/C. Gateau)
Bild: rbb/dpa/C. Gateau

Im März und April stand das wirtschaftliche Leben zu großen Teilen still. Viele Betriebe mussten Kurzarbeit anmelden. Welche Auswirkungen die Corona-Krise während des ersten Lockdowns auf den Arbeitsmarkt wirklich hatten, zeigen neueste Zahlen der Arbeitsagentur. Von Götz Gringmuth-Dallmer

Als Mitte März Geschäfte, Restaurants, Hotels und Kultureinrichtungen schließen mussten, legte die Wirtschaft eine Vollbremsung hin. Viele Betriebe mussten für ihre Mitarbeitenden Kurzarbeit anmelden, es kam zu Entlassungen. Wie schwer hat die Corona-Krise den Arbeitsmarkt insbesondere im ersten Lockdown im Frühjahr in der Region getroffen?

Betriebe in der Region stark betroffen

Schaut man sich die Situation der Betriebe in der Region Berlin-Brandenburg im Vergleich zur gesamten Bundesrepublik an wird deutlich, dass im Mai in der Region überdurchschnittlich viele Firmen besonders negativ von den Folgen der Corona-Krise getroffen wurden. Bundesweit gaben 33 Prozent der befragten Firmen an, dass sie "überwiegend negativ stark" von der Corona-Krise betroffen sind, in Berlin-Brandenburg waren es 43 Prozent.

Im Oktober (Erhebungszeitraum 05.10. - 19.10.20) waren es in der Region noch 28 Prozent, bundesweit 21. Die Zahlen stammen aus einer repräsentativen Erhebung (eigenen Angabe) des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB [Quelle: IAB] unter knapp 2.000 privatwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland.

Zählt man noch die überwiegend negativ gering betroffenen Firmen hinzu, sind mehr als 40 Prozent der Betriebe in der Region zu ihrem Nachteil von der Corona-Krise betroffen.

Über eine halbe Millionen von Kurzarbeit betroffen

Ein weiterer Indikator ist die Anmeldung von Kurzarbeit. Mit dieser Meldung zeigen Firmen erst einmal nur an, dass sie eventuell einen Bedarf haben. In Berlin waren das seit März über 400.000, in Brandenburg über 250.000 Menschen (Quelle: Statisik der Bundesagentur für Arbeit). Das ergab eine gemeinsame Recherche von rbb|24 und rbb24 Recherche.

Hat eine Firma für ihre Mitarbeitenden Kurzarbeit angezeigt, so können diese häufig bis zu zwölf Monate Kurzarbeitergeld beziehen. Firmen, die also zum Beispiel im März Kurzarbeit angezeigt haben, müssen dann diesen Antrag in den folgenden Monaten nicht noch einmal stellen, sofern die Kurzarbeit nicht für mehrere Monate unterbrochen wurde.

Die folgende Grafik zeigt immer die Anzahl der Menschen, für die in einem Monat erstmalig Kurzarbeit angezeigt wurde.

Hochrechnungen zeigen Tendenz, wieviele wirklich betroffen sind

Eine Tendenz dazu, wieviele Menschen tatsächlich in Kurzarbeit gehen mussten, zeigt die hochgerechnete Statistik über realisierte Kurzarbeit, die monatlich auch rückwirkend angepasst wird. Die aktuellen Zahlen gehen in der Hochrechnung davon aus, dass im Juli in Berlin mit etwa 132.000 Menschen noch etwas mehr als die Hälfte in Kurzarbeit waren, in Brandenburg hatte sich die Zahl im Vergleich zum April schon mit etwa 48.000 mehr als halbiert.

Die unterschiedlichen Angaben zur Kurzarbeit kommen daher, dass Betriebe drei Monate Zeit haben, bis sie der Arbeitsagentur gemeldet haben müssen, wievielen Menschen sie tatsächlich Kurzarbeitergeld gezahlt haben. Deshalb gibt es neben den angezeigten Zahlen auch die Hochrechnung der realsierten Kurzarbeit und mit einer weiteren Verzögerung dann die endgültigen Zahlen über realisierte Kurzarbeit.

Gastronomie und Einzelhandel

Wieviele Menschen in der Region zum aktuellen Zeitpunkt Kurzarbeitergeld beziehen, ist durch die verschiedenen Stufen im Meldeprozess schwer zu sagen. Ende Oktober gab es genaue Zahlen über die realisierte Kurzarbeit bis April.

Nachdem ab Mitte März die meisten Geschäfte und gastronomischen Einrichtungen schließen mussten, schicken in Berlin und Brandenburg etwa 45.000 Betriebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit. Davon nachweisbar betroffen waren etwa 350.000 Menschen. In der Gastronomie bezogen im April in Berlin etwas mehr als 33.000 Menschen Kurzarbeitergeld, in Brandenburg waren es knapp 11.000 Personen. Auch den Einzelhandel hat es schwer getroffen, hier wurde in der Hauptstadt für etwa 23.000 Menschen Kurzarbeitergeld bewilligt und in Brandenburg für etwa 9.000.

Zur Einordnung: Im April gab es in Berlin etwa 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, in Brandenburg etwa 850.000. Damit bezogen in Berlin etwa 15,5 Prozent der Beschäftigten Kurzarbeitergeld, in Brandenburg 13,2 Prozent. Soloselbständige, die plötzlich ohne Einkommen da standen, sind in diesen Zahlen nicht enthalten.

Setzt man die Meldungen für Kurzarbeit im März und April mit den realisierten Zahlen vom April ins Verhältnis, dann haben in Berlin etwa 2/3 der Menschen tatsächlich Kurzarbeitergeld bezogen, für die dieses angemeldet wurde. In Brandenburg waren es etwa die Hälfte.

Auch die Zahl der Arbeitslosen ist insbesondere in Berlin gestiegen. Besonders hart hat es die Berufsgruppen getroffen, bei denen schon im Vorjahr viele Menschen ohne Job waren. Dazu gehören Berufe im Verkauf, der Speisenzubereitung, der Gastronomie oder Tätigkeiten in Büros und Sekretariaten.

Mehrere tausend Soloselbständige betroffen

Da es für Soloselbständige in vielen Fällen kein Geld aus staatlichen Hilfsprogrammen gab, sollten diese Grundsicherung beantragen, wenn sie in wirtschaftliche Not gerieten. Zur Zeit in Anspruch nehmen diese Möglichkeit in Berlin knapp 7.400 Menschen, die meisten haben diese Hilfe im April (3.686) und Mai (2.427) beantragt. Im Oktober kamen noch 491 hinzu. Die meisten kommen und kamen aus künstlerischen Berufen und der Gastronomie.

In Brandenburg beziehen noch 1.557 Soloselbständige diese Hilfe. Im April und Mai beantragten jeweils knapp 1.000 Menschen diese Gelder, im Oktober waren es noch 72.

Die Statistik gibt jedoch keine Auskunft darüber, wieviele Soloselbständige und Künstler ohne oder mit wenig Einkommen über die vergangenen Monate kommen mussten, sondern zeigt nur, wer bei der Arbeitsagentur Unterstützung beantragt hat. Dazu kommen noch die Selbständigen, die freiwillig in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben und deshalb nun Arbeitslosengeld von der Arbeitsagentur beziehen.

Die oben ausgewerteten Zahlen wurden im Oktober erhoben, als sich der Arbeitsmarkt nach Angaben der Arbeitsagentur in der Region zum dritten Mal in Folge etwas erholt hat.

Kurzarbeit wird vermutlich wieder ansteigen

Die Arbeitsagentur geht davon aus, dass die neuen Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch einmal eine harte Belastung für alle Unternehmen und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Selbständige in den Branchen sind, die schon bisher stark betroffen sind: Hotel- und Gaststätten, die Veranstaltungsbranche sowie der Kunst- und Kulturbereich.

Holger Wenk, Pressesprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit sagte gegenüber rbbI24: "Wir rechnen damit, dass in der Region Berlin-Brandenburg nun wieder mehr Unternehmen in Kurzarbeit gehen beziehungsweise für mehr Beschäftigte Kurzarbeit beantragt wird." In der Regel sei der November ein Monat, bei dem im Zuge der Herbstbelebung noch Einstellungen vorgenommen und Arbeitslosigkeit abgebaut werden. "Das dürfte diesmal anders sein", so Wenk, "auch wenn sich die konkreten Auswirkungen erst im Dezember in den Daten zum Arbeitsmarkt zeigen.“

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Beitrag von Götz Gringmuth-Dallmer

8 Kommentare

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  1. 8.

    Immer dieser Quatsch, als ob das wirklich geholfen hätte.
    Im Herbst und Winter ist es nunmal so, das Corona Stämme in allen Arten von Infekten, Influenza und eben covid 19 auftreten können, das kann man nicht verhindern, außer man schließt alle Leute ein.
    Man hätte stattdessen über viele sinnvolle Maßnahmen wie mobile lüftungsanlagen oder ähnliche Dinge nachdenken sollen, weil die Ansteckungen zu 90 % in den Innenräumen erfolgt.

  2. 7.

    Ihre Meinung in allen Ehren! Aber nun würde mich interessieren,wie ihre Alternative aussehen würde! Wenn sich alle ein wenig mehr an Regeln gehalten hätten,müssten wir uns jetzt nicht mit dieser Situation auseinandersetzen!

  3. 6.

    Nach § 3 Nr. 51 EStG sind Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist, steuerfrei.

  4. 5.

    Jetzt lachen Gastronomie-Angestellte nicht.
    Bei der Rente lachen sie erst recht nicht mehr.
    Zudem ist
    Trinkgeld an Angestellte steuerfrei, wenn:
    • es von Dritten gezahlt wird (Kunde gibt Mitarbeiter direkt Geld)
    • die Zahlung freiwillig geleistet wird (andernfalls unterliegen sie der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht)
    • auf Rechtsanspruch verzichtet wird
    • es zusätzlich übergeben wird als Ergänzung zur Arbeitsleistung.
    Was in den allermeisten Fällen zutrifft.
    Nachzulesen beim Finanzamt und auf allen Steuerberaterseiten.

    Schüren sie mit Falschaussagen nicht weiter Neid und Missgunst bei den unteren Gehaltsgruppen!

  5. 4.

    @rbb24
    Es handelt sich nicht um Mitarbeitende. Selbst beim schlimmsten Chef haben auch die mal Feierabend. Also bitte in korrektem Deutsch (also kein Verwaltungsdeutsch ;-) ) Mitarbeiter schreiben, wenn es detaillierter sein soll Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Und wenn es nicht nur das biologische Geschlecht sein soll, dann Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Diverse. So viel Zeit und Zeichen sollten in einer Branche, deren wichtigstes Instrument die Sprache ist, doch sein.

  6. 3.

    Sie meinen: leben erheblich von Steuerhinterziehung. Nichts anderes ist unversteuertes Trinkgeld. Ich kenne Leute, die haben damit über 1.000 Euro im Monat zusätzlich gemacht und sich über andere totgelacht.

  7. 2.

    Genauso ist es, ich schliesse mich Ihrer Meinung an. Die Politiker haben zu sehr die Zahlen von Viriologen im Auge und nicht was aus diesen Anordnungen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt an Schaden entsteht und noch kommt.
    Und das schaffen wir dann nicht mehr.

  8. 1.

    Die Servicekräfte in der Gastronomie treffen die Schließungen der Restaurants besonders hart. Sie erhalten 60 Prozent des Netto-Entgelts als Kurzarbeitergeld. Servicekräfte in der Gastronomie leben auch erheblich von Trinkgeldern. In der Praxis haben sie nun weniger als die Hälfte im Portemonnaie. Wenn die Vorweihnachtszeit, die Weihnachtszeit, Silvester und das Neujahrsgeschäft ausfallen wird das für sehr viele Gastronomen und ihre Angestellten ein finanzielles Fiasko. Diese Menschen sind dann auf lange Sicht von staatlichen Transferleistungen abhängig. Sie können nicht mehr konsumieren. Das alles belastet die Sozial- und Steuerkassen. Auch der Staat kommt langfristig in Schwierigkeiten. Viel mehr Ausgaben bei viel weniger Einnahmen. Die Krankenkassenbeiträge werden bald erhöht. Und es werden erhebliche Steuererhöhungen folgen!

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