Hohe Hürden für Zuschüsse - Warum Corona-Hilfen für Unternehmen mit Azubis nicht ankommen

Di 12.01.21 | 08:12 Uhr | Von Ute Barthel, rbb24 Recherche
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Der Azubi Mario Fucci schaut auf den leeren Buchungskalender des Hotels "Almodovar" in Berlin-Friedrichshain. Seine Ausbilderin Bianca Benke erklärt ihm, wie er Reservierungen in den Kalender einpflegt (Quelle: rbb)
Audio: Abendschau | 12.01.2021 | Ute Barthel | Bild: rbb

Mit dem Programm "Ausbildungsplätze sichern" wollte die Bundesregierung Unternehmen unterstützen, die trotz Corona weiterhin junge Menschen ausbilden. Doch die Voraussetzungen für Zuschüsse können viele Unternehmen nicht erfüllen. Von Ute Barthel

Der Azubi Mario Fucci schaut auf den leeren Buchungskalender des Hotels "Almodovar" in Berlin-Friedrichshain. Seine Ausbilderin Bianca Benke erklärt ihm, wie er Reservierungen in den Kalender einpflegt. Allerdings nur theoretisch, denn seit dem neuesten Lockdown gibt es keine Buchungen mehr. Die Arbeit an der Rezeption ist eigentlich die Königsdisziplin für die Auszubildenden. Aber im Moment können sie nur Trockenübungen machen. "Wir können das Check-in und Check-out nur in Rollenspielen üben, beziehungsweise in Online-Meetings erproben", berichtet die Ausbilderin Bianca Benke. "Aber das ist natürlich etwas ganz anderes, als wenn man wirklich einen Gast betreut."

Der 25-jährige Mario Fucci macht eine Ausbildung zum Hotelfachmann, er ist jetzt im dritten Lehrjahr. "Ich möchte auf jeden Fall in diesem Hotel bleiben", erzählt er im Interview mit rbb24 Recherche. "Die haben mir hier viel beigebracht, mich quasi großgezogen." In seiner Berufsschulklasse haben schon einige Mitschüler ihren Ausbildungsplatz verloren, weil ihr Betrieb in der Corona-Krise Insolvenz anmelden musste.

Auf die Ankündigung folgt Enttäuschung

Die Auszubildenden im "Almodovar" hatten bisher Glück. Im ersten Lockdown im Frühjahr hatte das Hotel noch für Geschäftsreisende geöffnet. Während die Angestellten in Kurzarbeit waren, konnten die Azubis weiterhin voll arbeiten, damit sie genug lernen und ihr ohnehin schmales Einkommen nicht gekürzt werden musste. "Es war uns ein riesiges Anliegen, auf gar keinen Fall Azubis entlassen zu müssen", erzählt die Geschäftsführerin Alexandra Müller-Benz. Daher freute sie sich, als die Bundesregierung das Förderprogramm "Ausbildungsplätze sichern" ankündigte. "Das Programm klang sehr vollmundig und wir fanden die Geste, die dahinterstand, wirklich toll."

Voller Hoffnung beantragte sie im September Zuschüsse aus dem Programm. Mehrere Wochen vergingen ohne eine Antwort der Arbeitsagentur. Im November folgte der zweite Lockdown, sie musste das Hotel schließen und nun auch die Azubis in Kurzarbeit schicken. Im Dezember rief sie bei der Arbeitsagentur an und fragte nach dem Programm. Sie erhielt eine enttäuschende Nachricht: Das Unternehmen würde die Förderkriterien nicht erfüllen.

Zum einen sei der Arbeitsausfall im Sommer nicht hoch genug gewesen. Er lag damals noch unter 50 Prozent, denn nach den Lockerungen war das Hotel wieder einigermaßen gut gebucht. Außerdem habe sie keinen Anspruch, weil die Geschäftsführerin mit der Schließung des Hotels im November Kurzarbeit beantragt hatte. Die Tatsache, dass Ausbilder wie auch Azubi seit November 2020 in Kurzarbeit sind, würde nicht den Richtlinien für die Förderung entsprechen, so die Agentur für Arbeit auf die Anfrage von rbb24 Recherche.

Zuschüsse nur, wenn alle voll arbeiten

Voraussetzung, um Hilfen aus dem Programm zu erhalten, ist: Azubis und Ausbilder hätten trotz Lockdown voll arbeiten müssen. "Aber was machen wir acht Stunden in einem leeren Hotel? Das macht keinen Sinn", meint Ausbilderin Bianca Benke. "Es sind ja keine Gäste da, da kann ich den Azubis auch nichts vermitteln." Obwohl nichts zu tun ist, hätten die Azubis und vor allem die Ausbilderin trotzdem weiter ihr volles Gehalt bekommen müssen – und nicht in Kurzarbeit gehen dürfen. Dabei hat das Hotel derzeit keine Einnahmen. "Es kostet uns drei- oder viermal so viel, wie das Programm uns eintragen würde, je nachdem wie lange der Lockdown anhält", schätzt Geschäftsführerin Alexandra Müller-Benz. Das Programm bezeichnet sie deshalb als "Ente".

Schon 1.000 Ausbildungsplätze im Gastgewerbe verloren

Das sieht der Deutsche Hotel -und Gaststättenverband (Dehoga) ähnlich. "Für die meisten von unseren Betrieben ist das Programm nicht sehr hilfreich", meint der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Dehoga Berlin, Gerrit Buchhorn. "Wir fordern, dass das Programm noch einmal geprüft und auf die Bedingungen unserer Branche angepasst wird." Denn schon jetzt sei die Zahl der Ausbildungsplätze im Gastgewerbe deutlich gesunken. "Im Vergleich zu 2019 sind ca. 1.000 Ausbildungsplätze weggefallen. Das ist schon sehr dramatisch aus meiner Sicht und wird die Ausbildungslücke noch vergrößern."

Das Bundesarbeitsministerium erklärte gegenüber rbb24 Recherche, dass es im Dezember bereits Erleichterungen in den Förderrichtlinien gegeben habe. So muss der Durchschnitt des Umsatzeinbruchs innerhalb von fünf Monaten nun nur noch bei 30 Prozent liegen. Aber am Hauptkritikpunkt hat sich nichts geändert: Azubis und Ausbilder müssten weiterhin zu 100 Prozent arbeiten. Auch wenn ein Unternehmen im Lockdown geschlossen ist.

"Ich würde den Bundesarbeitsminister Heil gern einladen, unseren Azubi acht Stunden in einem leeren Haus anzuleiten und ihm hier irgendetwas beizubringen", kommentiert die Hotelgeschäftsführerin Alexandra Müller-Benz die Antwort des Ministeriums. Sie wünscht sich mehr Flexibilität in den Förderrichtlinien, damit die jungen Leute ihre Ausbildung fortsetzen können. "Diese Generation wird die Corona-Krise bezahlen und diese Generation können wir nicht einfach allein lassen." Eigentlich wollte das Hotel "Almodovar" im Februar einen weiteren Ausbildungsplatz besetzen. Aber der Plan ist jetzt erstmal auf Eis gelegt.

Sendung: Abendschau, 12.01.2021, 19:30 Uhr

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Beitrag von Ute Barthel, rbb24 Recherche

5 Kommentare

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  1. 5.

    Umso ärgerlicher dann die Tatsache, das dem Betrüger, dem aktuell in München der Prozess gemacht wird, in Berlin in 24 Fällen insgesamt eine Summe von ca. 356.000 Euro Corona-Unterstützungsgelder erschleichen konnte. Fiktive Unternehmen und so... Wie konnten da eigentlich die Voraussetzungen erfüllt sein?

  2. 4.

    Demokratie lebt nicht von rum gammeln, diese strengen Regeln, wie man Sie den Bürgern zumutet, muss es ganz besonders für gewählte Volksvertreter geben. Wer gewählt wurde und im Bundestag, Landtag oder Kommune nicht eine aktive Teilnahme nachweisen kann muss sein Besteck einpacken und den "Fleischtopf" verlassen. Bestes Beispiel die Tante von der FDP, die es für wichtiger empfand mit ihren Verlobten in Brüssel die Korken knallen zu lassen, dass von Steuergeldern finanzierte Büro dauernd geschlossen war. Die durfte die Koffer packen! Wenn ich an meinen Arbeitsplatz nicht eine gewisse Dynamik an den Tag lege, dann muss ich auch gehen. Egal, ob ein neuer Betriebsrat gewählt wird oder nicht, Wahlen können und dürfen nicht der Grund sein nur noch die Hände in den Schoß zu legen!!! Wer nichts leisten will der soll zuhause bleiben, platz machen, für engagierte Mitarbeiter, auch in der Politik!

  3. 3.

    Nicht nur in diesen Branchen. Auch unsere Firma bildet seit 2020 nicht aus, weil Ausbildung gerade im 1. Ausbildungsjahr nicht ohne Präsenz vor Ort am Ausbildungsplatz und Nähe zum Ausbilder geht. Ein zusätzliches Büro für einen weiteren Einzelplatz haben wir nicht und wir möchten auch keine zusätzlichen "Risikofaktoren" wie Jugendliche derzeit in unserem Unternehmen. Denn wenn alle in Quarantäne müssen wegen eventuell vielleicht.... dann ist hier der Laden dicht.

  4. 2.

    die realität zegt halt wie verlogen unsere politik ist.hilfen werden versprochen und ein großteil der menschen glaubt das leider auch noch.

  5. 1.

    Tja, die Ausbildungsplätze werden dieses Jahr aussterben......Hotelerie, Gastro, Friseur, Einzelhandel....

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