Beherbergungsverbot und Lockdown - Steht der Brandenburger Pferdetourismus vor dem Aus?

Fr 02.04.21 | 08:10 Uhr | Von Ula Brunner
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Reiterhof in Brandenburg, Kind sieht beim Reitunterricht in Brandenburg zu (Quele: Imago/Sorge)
Bild: imago/Sorge

Ferien auf dem Reiterhof sind ein attraktives Tourismusangebot im ländlichen Brandenburg. Ostern ist normalerweise Saisonstart. Doch wegen des Lockdowns bleiben die Gäste aus. Ein wichtiger regionaler Wirtschaftssektor gerät so in Gefahr. Von Ula Brunner

Früher war in den Osterferien Hochbetrieb auf dem Reiterhof in Groß Briesen: Kinder striegeln ihre Pferde, machen gemeinsame Ausritte, nehmen Reitstunden. Früher, das heißt: vor Corona. Doch in diesem Jahr bleibt es, abgesehen von einigen Einzelreitstunden, wohl erneut ruhig.

"Es ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn wir an den Wochenenden 15 bis 20 Reitstunden haben, insgesamt aber 80 Schulpferde, die rumstehen, weil wir keinen Gruppenunterricht durchführen dürfen und die Gäste in der Woche fehlen", beschreibt Sabine Opitz-Wieben die Situation, in der sich ihr Betrieb aktuell befindet. Sie ist Geschäftsführerin des Reiter- und Erlebnisbauernhofs nordwestlich von Bad Belzig (Potsdam Mittelmark) und hat ihr Tourismusgeschäft eigentlich breit aufgestellt: von Reitstunden über Ausritte, Reitferien für Kinder und Jugendliche, Klassenfahrten bis hin zu Familienurlauben.

Maßnahmen nur bedingt nachvollziehbar

Rund 15.000 Übernachtungen verzeichnet der Hof in einem normalen Jahr. Doch seit dem Lockdown kann davon nicht mehr die Rede sein. Das Angebot ist erheblich geschrumpft: Der Beherbergungsbetrieb ist geschlossen, die Mitarbeiter der Gastronomie sind in Kurzarbeit. Lediglich das Reitprogramm kann der Hof fortführen, "aber auch nur als Einzelunterricht, normalerweise machen wir das als Gruppenunterricht." Nachvollziehen kann sie die Logik der Maßnahmen nur bedingt: Fänden doch auch Gruppenstunden überwiegend im Freien statt und sowieso mit genügend Abstand zwischen den einzelnen Reitern, sagt sie.

Für viele Brandenburger Höfe, die vom Pferdetourismus leben, bedeutet das Beherbergungsverbot ein finanzielles Desaster: Während die Gäste ausbleiben – und damit auch die Einnahmen – laufen die Kosten für Futter, Hufschmied, Tierarzt, Einstreu und oft auch Personal unvermindert weiter.

Zwei Kinder beim Reittraining auf dem Reiterhof Groß Briesen (Quelle: Reiterhof Groß Briesen)
Reittraining in Groß Briesen | Bild: Reiterhof Groß Briesen

Pferdetourismus ist in Brandenburg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor

"Maschinen können abgestellt werden, Räume geschlossen werden, doch die Tiere müssen weiterhin versorgt werden", sagt auch Kai Rückewold, Geschäftsführer des Verbandes pro agro zur Förderung des ländlichen Raumes im Land. Brandenburger Reiterhöfe befänden sich derzeit "in einem sehr angespannten Ausnahmezustand". Der Verband befürchtet, dass viele Betriebe, die meist 20, aber auch mehr als 50 Pferde haben, aufgeben müssen.

Dabei ist der Pferdetourismus in Brandenburg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Rund 45.000 Pferde und Ponys werden in etwa 600 Pferdehöfen, Gestüten oder Agrarbetrieben gehalten. Allein mit dem Reitgeschäft sind rund 12.000 Arbeitsplätze verbunden. Der Umsatz liegt bei 200 Millionen Euro im Jahr.

Ein Bürokratiemonster deutscher Art

Zwar haben Kurzarbeitergeld und die Überbrückungshilfen bislang geholfen, die gröbsten wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns bei den Landtourismusbetrieben abzufangen, sagt Rückewold. Doch könnten die staatlichen Sofortmaßnahmen die hohen laufenden Kosten nicht annähernd kompensieren.

Die Anträge seien zudem "ein Bürokratiemonster deutscher Art", kritisiert Opitz-Wieben. Eine ihrer Mitarbeiterinnen sei zusammen mit dem Steuerbüro ausschließlich damit beschäftigt, "den Bürokratie-Dschungel zu durchdringen: Kurzarbeitergeld, Azubizuschuss, Novemberhilfe, Dezemberhilfe, Überbrückungshilfe III". Die Kosten für die Beantragung der Hilfen würden am Ende deutlich im "fünfstelligen Bereich" liegen.

Saisongeschäft ab Ostern ist Lebensgrundlage

Ostern ist normalerweise Saisonstart: "Wir haben 100 Betten, die sind sonst immer belegt während der Osterferien, danach kommen die Klassenfahrten, die Kinderferien, die Wochenendübernachtungen. Das fiel schon letztes Jahr alles weg, obwohl wir ausgebucht waren", erklärt Sabine Opitz-Wieben.

2020 musste sie wegen des Beherbergungsverbots kurzfristig stornieren. In diesem Jahr hat sie für die Ferien erst gar keine Buchungen angenommen – obwohl es immer wieder Anfragen gab.

"Wir fahren auf Sicht", sagt sie. Aber das ist für ein Geschäft wie ihres schwierig. Sie braucht eine gewisse Planungssicherheit, auch um einen Puffer für den betriebsschwachen Winter zu bilden. Doch das kann ihr die Politik zurzeit nicht bieten.

"Das Saisongeschäft von Ostern bis zu den Herbstferien ist für die Betriebe die Lebensgrundlage", erklärt auch Kai Rückewold. Breche das weg, seien sie akut in ihrer Existenz gefährdet.

Nur sieben Prozent der Höfe seien laut einer deutschlandweiten Branchen-Befragung sicher, dass sie die Krise gut überstehen. Das sei auch ein Problem für das Land Brandenburg: "Ländliche Regionen verlieren damit ihre Anziehungspunkte und veröden." Effiziente Förderprogramme für den ländlichen Tourismus, die auch solche Fälle "höherer Gewalt" berücksichtigen, müssten in Brandenburg ein wichtiger Baustein sein, um neue Einkommenspotenziale für den ländlichen Raum zu erschließen und seine Attraktivität zu erhalten.

"Noch ein Kredit? Nein!"

"Die jetzige Politik ist einfallslos und von Angst getrieben. Wer in Angst handelt, entwickelt einen Tunnelblick, und das sieht man derzeit an den Maßnahmen. Einen langfristigen, für alle tragbaren Plan, außer Durchhalten was das Zeug hält bis die Impfungen kommen, kann man leider nicht erkennen", sagt Sabine Opitz-Wieben. Sie wünscht sich, dass die Regierung nicht nur "auf die Virologen hört. Ein Gremium aus vielen Experten, sollte in der Lage sein, alle Belange zu beleuchten, Alternativen aufzuzeigen und eine transparente, nachvollziehbare Strategie vorzulegen."

Für ihren Pferdehof könnte das existenzsichernd sein. Sie selbst hat bereits einen Kredit über 150.000 Euro aufgenommen. Tiefer verschulden will sie sich nicht: "Noch ein Kredit? Nein! Irgendwann ist es auch mal vorbei. Dann überlegt man sich halt, was anderes zu machen. Dann machen wir halt nur noch Ferienwohnungen und müssen nicht mehr einen so riesigen Apparat bewegen."

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Beitrag von Ula Brunner

16 Kommentare

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  1. 16.

    Leider sind viele Entscheidungen nicht mehr nachvollziehbar. Eine Familie in einer Ferienwohnung oder 20 Reiter auf freiem Gelände sind bestimmt nicht ansteckender als 1000 Demonstranten oder Feiernde im Park.

  2. 15.

    Na hoffentlich, dann gibt Esmeralda Pferdebockwurst.

  3. 14.

    Nein, den Verein kenne ich gut. Dort ist die Jugendarbeit wirklich sehr gut. Bei uns stehen sowohl Schul- als auch Privatpferde. Die Turniere für Kinder und Jugendliche gibt's bei uns auch. Macht immer wieder Spaß. Auch ich habe noch einen 25 jährigen. Gott sei Dank noch fit. Auch ich bin nicht reich. Verzichte dafür auf andere Sachen. Aber wie schon gesagt wurde, grade für Kinder gibt es in Brandenburg viele preisgünstige Möglichkeiten. Über das Niveau von Unterricht und Pferdehaltung geben Zertifikate Auskunft.

  4. 13.

    Sie sind nicht zufällig im KJRFV Zehlendorf aktiv, oder? ;-) Bin 20 Jahre geritten, war fast 30 mit Pferden befasst. Auch auf dem Hof, wo ICH meinem Hobby nachgegangen bin, waren ganz unterschiedliche Kinder/Jugendliche dabei waren. Die kamen meist per Rad, Bus oder einem "normalen" Auto (Kleinwagen. Kombi), nicht im Porsche.
    Dadurch, dass alle Pferde dem Hof gehört haben und KEINE Privatpferde waren, waren Kinder auch willkommen, die "nur mal so" zum Putzen/Helfen vorbeigekommen sind. Habe viele schöne Jahre dort verbracht, in den Ferien oft den halben Tag. Haben jahrelang kleine Turniere für vorwiegend Junioren ausgerichtet. Ihnen weiterhin alles Gute. Gerade das Reiten LEBT vom Ehrenamt, war auch lange engagiert (Turnierorganisation/ -durchführung). Bin seit 8 J. Nichtreiter wg. der Pensionierung "meines" Schulpferdes, hatte es übernommen u. bis zu seinem Tod 2020 versorgt. Hatten 18 J. zusammen, er war mein bester Freund und fehlt mir... Für mich ist nun das Kapitel Pferd beendet.

  5. 12.

    Man kann nur hoffen, dass der betroffene Hof ausreichend Weide- und Paddockflächen für die Tiere hat und somit eine Bewegungsauslastung gegeben ist.
    Ich hatte selbst bis letztes Jahr ein Pferd in Brandenburg zu stehen, damals war Unterricht mit bis zu 4 Leuten unter freiem Himmel und auch in einer 20x40m-Halle mit offenen Türen erlaubt. Auch das individuelle Reiten war mit bis zu 4 Pferden in der Halle gestattet. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, fortgeschrittene Reiter aus der näheren Umgebung einen Teil der Pferde "so", also ohne Unterricht, gegen Bezahlung reiten zu lassen.

  6. 11.

    Oha. Allerdings kompletter Unsinn.

    Man muß weder ein Pferd besitzen, noch einen teuren Stellplatz im Stall anmieten, man kann auch so reiten und das (in Brandenburg mindestens) im Urlaub z.B. auch für relativ kleines Geld. Oder schon einmal von therapeutischem Reiten gehört? Soll es auch geben.

    Das wäre klar geworden, hätte man sich die Mühe gemacht, den Artikel zu lesen. Heutzutage scheint es aber eher so zu sein: Überschrift sehen und nicht verstehen - eigene Vorurteile und die des Stammtisches zur Meinung machen - ohne Nachdenken Posten

  7. 10.

    Ab welchem Umsatz wäre es denn genehm? Ich weiß nicht, muß hier jeder Unsinn und jede Phantasie freigegeben werden?

  8. 8.

    Reitsport ist doch nur etwas für Leute, die gut bis sehr gut verdienen. Für die sogenannte Unterschicht ist dieser Sport also unerreichbar.

  9. 7.

    Keine Sorge, die DAX Unternehmen schütten doch Dividenden aus (gespeisst vom Kurzarbeitergeld).
    Wie sie haben keine Aktien, oh schade.

  10. 6.

    Ich weiß nicht wo Ihren Phantasien herkommen. Von welchen Subventionen reden Sie.? Machen Sie sich doch einfach mal schlau.

  11. 5.

    Liebe Angela, Sie haben recht. Bin selber 30 Jahre ehrenamtlich im Reitsport tätig. Wie auch in anderen Sportarten ist auch hier die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht hoch genug zu bewerten. Und wenn man sieht, mit welcher Liebe und Hingabe sich schon die Kleinsten um ihre 4-beinigen Freunde kümmern dann ist das mit Geld nicht aufzuwiegen. Übrigens geht's hier auch nicht um Bespassung von Kindern reicher Familien. Wir haben Kinder aus allen Schichten.

  12. 4.

    .. und so unnötig! An jeder zweiten Bushaltestelle hängt ein BVG Schild "eine Ponylänge Abstand". Bei Ausritten ist das, dazu noch draußen, sicherlich gegeben, wenn ich mich recht erinnere, sogar mit dem gleichen Spruch!

    Aber gut, wird halt alles über einen Kamm geschoren, der Ponyhof, der Friseur, total ansteckend! Nicht aber Schulen, Kitas, Baumärkte, und Supermarktpersonal braucht nichtmal ne sichere Maske.

  13. 3.

    Nein. Gut bezahlt sicher nicht, der Rest ist aber herbeifantasiert.
    Erstaunlich, auf welche feiertagsgelangweilte Menschen so kommen...

  14. 2.

    Mit 12000 Arbeitsplätzen schätzungsweise einen Umsatz von 200 Mio zu generieren klingt sehr sehr wenig. Entweder werden hier massiv Hobbyisten eingerechnet oder die Branche kämpft mit prekären unterbezahlten Jobverhältnissen sowie so schon an ihrer Überlebensrenze. Ist die ganze Pferdewirtschaft evtl. nur ein verschleierter Subventionssumpf und entzieht wertvolle Arbeitskräfte anderen wichtigeren Industrie- und Gewerbezweigen, die dem Land wesentlich mehr bringen würden?

  15. 1.

    Leider nimmt ein Herr Woidke keine Kenntnis von so was. Es ist einfach nur traurig wie alles den Bach runter geht.

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