Corona-Kurzarbeitergeld läuft aus - "Die Angst, dass alles wegbricht, ist massiv"
Im März jährt sich der Beginn der Pandemie zum zweiten Mal. Unternehmen, deren Beschäftigte Kurzarbeitergeld beziehen, haben dann ein Problem: Die Leistung ist auf 24 Monate begrenzt. Ein Messebauer aus Bernau fürchtet um seine Existenz. Von Christoph Hölscher
Fast 20 Jahre lang hat Existenzgründer Michael Kessmann geackert, um seine Firma groß zu machen - mit Erfolg: Messen in Düsseldorf, Paris, Barcelona, zehn Angestellte, drei Millionen Euro Jahresumsatz, eine nagelneue Halle im Bernauer Gewerbegebiet. Doch dann kommt Corona: Alle Messen werden abgesagt - für Kessmann und seine Mitarbeiter gibt es nichts mehr zu tun.
Immerhin muss er sie nicht entlassen: Es gibt Kurzarbeitergeld vom Staat. Kessmann ist einer der ersten Unternehmer in Brandenburg, die es damals beantragen. Nun könnte er einer der ersten sein, bei denen es ausläuft.
Geld vom Staat gegen Arbeitslosigkeit
Um Firmenpleiten und Massenarbeitslosigkeit im Lockdown zu verhindern, erleichtert die Bundesregierung den Bezug von Kurzarbeitergeld gleich zu Beginn der Pandemie. Unternehmen können ihre Beschäftigten auf Staatskosten vorübergehend nach Hause schicken - bis zu 24 Monate lang. Die Folge: Bis zu sechs Millionen Beschäftigte beziehen auf dem Höchststand im April 2020 Kurzarbeitergeld; über 40 Milliarden Euro gab der Bund dafür in den vergangenen zwei Jahren aus.
Das Ergebnis: Auch wenn es für sie keine oder weniger Arbeit gibt, bekommen Arbeitnehmer zwischen 60 und 87 Prozent ihres Gehalts - je nach Dauer und Familienstand. Kessmann stockt die Zahlungen für seine Beschäftigten auf 100 Prozent auf - Rücklagen aus "besseren Zeiten" machten es möglich, so Kessmann. Darüber habe er nicht lange nachdenken müssen: "Die Mitarbeiter sind unser Kapital. Wenn wir die nicht hätten, könnten wir gleich dichtmachen."
Unternehmer vor dem Aus?
Doch genau das könnte jetzt, nach fast zwei Jahren Pandemie, trotzdem passieren: Ende Februar läuft das Kurzarbeitergeld für seine Beschäftigten aus; die Höchstbezugsdauer von 24 Monaten ist dann erreicht. Eine Verlängerung: bisher nicht vorgesehen. Aufträge für den Messebauer sind nicht in Sicht. Kessmann ist verzweifelt: "Nach dem jetzigen Stand müsste ich allen Mitarbeitern kündigen."
Anders als etwa in der Gastronomie oder im Kulturbereich gab es für die Messe- oder Veranstaltungsbranche keine "Atempausen" zwischen den Corona-Wellen. Aufträge? Fehlanzeige - abgesehen von kleineren Einsätzen etwa beim Bau eines Impfzentrums oder einer Teststelle. Dazu kommen noch bürokratische Hürden: So darf Kessmanns Firma nicht in anderen Branchen, etwa auf dem Bau, tätig werden, weil er sonst staatliche Fördergelder für seine neue Betriebshalle zurückzahlen müsste. Diese sind daran gekoppelt, dass er ausschließlich als Messebauer tätig ist.
Michael Kessmann engagiert sich politisch bei den Freien Wählern in Bernau und hofft jetzt auf die Hilfe der Landesregierung: Wenn der Bund beim Kurzarbeitergeld nicht nachlegen will, müsse eben das Land Brandenburg für Unternehmen in Not in die Bresche springen, findet er.
Politik prüft weitere Hilfen
Der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) dämpft die Erwartungen: Es sei gar nicht klar, wie viele Betriebe überhaupt vom Auslaufen des Kurzarbeitergeldes betroffen seien, so der Minister. Die Zahlen würden gerade vom Bundesarbeitsministerium erhoben und geprüft. Ansonsten sei die Landeregierung in "intensiven Gesprächen" mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) darüber, ob und wie betroffenen Unternehmen geholfen werden könne. Für weitere Zuschüsse an Unternehmen aus Landesmitteln sieht Steinbach derzeit noch keinen Bedarf.
Für Unternehmer Kessmann wird es eng. Schon im März könnte Schluss sein für ihn und seine Beschäftigten nach fast 20 Jahren: "Die Angst, dass alles wegbricht, ist massiv." Er wünscht sich schnell ein "starkes Signal" der Unterstützung von der Politik - vor allem aber auf ein Ende der Pandemie, damit er bald wieder als Messebauer arbeiten und auf eigenen Füßen stehen kann.
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Sendung: Inforadio, 21.01.2022, 18:25 Uhr