Tesla-Ansiedlung in Brandenburg - Die Zukunft verspätet sich

Tesla hat den Produktionsstart in Grünheide immer wieder verschoben. Was ist 2021 dazwischen gekommen? Wann rollen die ersten Autos vom Band? Und was kommt danach? Ein Rück- und Ausblick auf die große Wirtschaftshoffnung. Von Philip Barnstorf
Los ging es mit nicht so guten Nachrichten aus Grünheide im Januar. Die Rohbauten der Fabrikhallen stehen da schon. Endgültig genehmigt ist aber nichts. Tesla baut stattdessen mit Vorabzulassungen: Falls also die finale Genehmigung wider Erwarten ausbleibt, muss Tesla alles wieder abreißen. Um diesen eventuellen Abriss abzusichern, verlangen die Behörden von Tesla 100 Millionen Euro - sozusagen als Pfand.
Aber Tesla lässt mehrere Zahlungstermine verstreichen, bis die Behörden schließlich einen Baustopp verhängen. Nach hitzigen Verhandlungen einigen sich Land und Konzern schließlich auf eine Patronatserklärung der deutschen Tesla-Tochter Grohmann. Im Fall der Fälle muss nun Grohmann den Abriss bezahlen. Auch sonst irritiert Teslas Zahlungsmoral. Das Unternehmen überweist immer wieder Gebühren zu spät, sodass die Landeshauptkasse Bußgelder verhängt, wie die Landesregierung im Februar auf Anfrage der Linksfraktion mitteilt.
Schwarzbau in Grünheide
Weitere Querelen folgen im April, als Tesla Abwasserrohre ohne Erlaubnis der Behörden verlegt. "Ein Missverständnis", heißt es aus Tesla-Kreisen. Im Juli dann der nächste Fauxpas: Das US-Unternehmen baut illegal Kühlmitteltanks. Diesmal belassen es die Behörden nicht beim Bußgeld, sondern suchen auf der gesamten Baustelle über mehrere Tage nach weiteren Schwarzbauten. Das Ergebnis: Für schon gebaute Geräte zur Stromerzeugung für den Testbetrieb hatte Tesla ebenfalls "keine ausdrückliche Erlaubnis", heißt es vom Landesumweltamt. Aber die Beamten prüfen das nach, dann darf Tesla weitertesten. Diese Verfehlungen und die Bau- und Teststopps, die sie nach sich ziehen, verzögern den Baufortschritt jedoch immer nur um wenige Tage.
Tesla plant um
Der wichtigste Grund für die Verzögerung zeigt sich stattdessen im Juni: Da muss Tesla seine Baupläne inzwischen schon zum dritten Mal öffentlich auslegen, weil das Unternehmen wieder umgeplant hat. Die Kalifornier wollen nun zusätzlich zum Autowerk eine der größten Batteriefabriken der Welt in Grünheide bauen. "Das Innovationspotenzial in der Batteriezelle spielt für die Reichweite und Energiedichte eine große Rolle", erklärt Stefan Bratzel vom Forschungsinstitut Center for Automotive Management. "Außerdem ist die Batterie sehr kostenrelevant." Daher will Tesla in Grünheide selbst entwickelte Batterien mit einem neuen Verfahren produzieren. Sie sollen die Autos profitabler machen und ihre Reichweite erhöhen.
Umweltschützer kritisieren Tesla-Pläne
Aber die neuen Pläne rufen auch Kritik hervor. Die Umweltverbände Nabu und Grüne Liga sowie eine lokale Bürgerinitiative fürchten, dass bei Unfällen giftige Chemikalien ins Grundwasser gelangen. Und die Sorgen gehen noch weiter. "Nach wie vor sehen wir den Artenschutz nicht ausreichend umgesetzt", sagt Christiane Schröder vom Nabu. "Dann erschließt sich uns nicht das Konzept der verkehrlichen Anbindung." Ihre Bedenken formulieren die Umweltschützer in sogenannten Einwendungen und reichen sie - wie schon nach den ersten beiden Auslagen der Tesla-Baupläne - bei den Behörden ein.
Auch viele Anwohner nutzen diese im Genehmigungsrecht vorgeschriebene Möglichkeit. Insgesamt schreiben mehr als 800 Bürger und Verbände Kritik und Kommentare zur Tesla-Ansiedlung ans Landesumweltamt. Dessen Beamte müssen alle Einwendungen prüfen und beantworten. Das dauert mehrere Monate. Danach können die Einwender abermals reagieren. Weitere Zeit vergeht, weil die Behörden diese zweite Antwortrunde im September wegen eines möglichen Formfehlers im November nochmal wiederholen lassen.
Wasserknappheit immer schlimmer
Das von Anfang an kontroverseste Thema rund um die Tesla-Ansiedlung kam auch dieses Jahr nicht zur Ruhe: Wasser. Die zusätzliche Batteriefabrik soll laut den Tesla-Bauplänen kaum Wasser benötigen. Daher will Tesla mit den zuvor schon bewilligten maximal 1,4 Millionen Kubikmetern Wasser pro Jahr auskommen. Das entspricht in etwa dem Verbrauch von 30.000 Menschen.
Andere regionale Industrien verbrauchen zwar noch viel mehr Wasser, aber auch Tesla verschärft die Wasserknappheit in Ostbrandenburg. Die wird nach den vergangenen Hitzesommern immer dramatischer, sodass der regionale Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) im Dezember beschließt, sein Wasser für Privathaushalte und Unternehmen in seinem Verbandsgebiet zu rationieren. "Die Alternative dazu ist, dass die Physik entscheidet, wer Wasser hat und wer nicht", sagt WSE-Chef Andre Bähler. "Die höher liegenden Bereiche haben dann kein Wasser, wenn die unten ihren Verbrauch übertreiben."

Tatsächlich könnte die Wasserknappheit den unter anderem durch Tesla erhofften Wirtschaftsaufschwung in der Region bremsen. So wollte Google in Neuenhagen ein Rechenzentrum bauen, das dank einer Wasserkühlung ähnlich viel Wasser verbraucht hätte wie die Tesla-Fabrik. Weil dafür das Wasser vor Ort nicht reicht, stoppte der WSE die Ansiedlung. Für eine langfristige Lösung muss etwa ein neues Wasserwerk oder überregionale Leitungen aus wasserreicheren Gebieten her. Hier ist vor allem das Land gefragt, und der grüne Umweltminister Vogel hat auch schon "größere Investitionen" angekündigt.
Tesla lockt weitere Unternehmen an
Andere Unternehmen, die weniger Wasser benötigen, haben sich derweil schon im Tesla-Kielwasser in der Region angesiedelt. Der kanadische Konzern Rock Tech Lithium will in Eisenhüttenstadt Lithium für Tesla verarbeiten. Der Cockpit-Hersteller Faurecia plant seinen Standort in Vogelsdorf auszubauen. Der Immobilienentwickler ECE möchte für 100 Millionen Euro in Hangelsberg einen Greenworkpark mit Produktions- und Lagerhallen für Tesla-Zulieferer errichten. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Land und Kommunen wollen Infrastruktur ausbauen
Auch sonst regt sich viel in der Region in Vorbereitung auf den Tesla-Produktionsstart. Das Werk hat nun eine eigene Autobahnabfahrt und der Tesla-nahe Bahnhof Fangschleuse einen neuen Parkplatz. Die Straße an der Fabrik wurde erneuert, und die IG Metall hat bei Tesla um die Ecke ein Büro eröffnet.
Wie groß die Veränderungen sind, die die Region noch vor sich hat, zeigt sich im März: Da stellen Brandenburg, Berlin und 20 Kommunen aus dem Tesla-Umfeld gemeinsam das sogenannte Umfeldkonzept vor. Demnach könnte Tesla mitsamt seinen erwarteten Zulieferbetrieben über die kommenden Jahrzehnte rund 36.000 Menschen in die Region locken. "Wir haben Flächen identifiziert, die uns den Hinweis geben: Da ist die Region gut vorbereitet", sagt der brandenburgische Infrastrukturminister Guido Beermann von der CDU zu dem Konzept. Nun sollen auf zehntausenden Hektar zwischen Berlin-Köpenick und Frankfurt (Oder) Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen.
Tesla zeigt sich selbstsicher
Tesla selbst scheint sich seiner Sache derweil schon sehr sicher zu sein. Im September stellt das Unternehmen die ersten sieben Azubis ein. Wenn das Werk richtig laufe, könne Tesla zu einem "Schwergewicht in der beruflichen Bildung" werden, sagt Michael Völker von der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg. "Dann reden wir mindestens über dreistellige Azubi-Zahlen pro Ausbildungsjahr."
Auch im Oktober demonstriert Tesla Selbstvertrauen, als das Unternehmen seine Werkstore für einen Tag der offenen Tür öffnet. Mit einer Corona-Ausnahmegenehmigung dürfen 9.000 Menschen auf das Fabrikgelände. Die meisten kommen aus der Region. Viele Medienvertreter erhalten hingegen kein Ticket. Drinnen dreht sich ein Riesenrad, es gibt Wurstbuden und abends kommt Tesla-Chef Elon Musk persönlich auf die Bühne. Auch die Produktionsstraßen mit dutzenden Robotern - manche so groß wie kleine Häuser - können sich die Besucher ansehen.

Produktionsstart steht kurz bevor
Tatsächlich hat Tesla kurz vor Jahresende mit rund zwanzig Vorabgenehmigungen sein Autowerk inzwischen fertig gebaut. Testweise haben die Roboter und Bandarbeiter in Grünheide sogar schon einige Autos produziert. Jetzt fehlt nur noch die finale Genehmigung der Behörden. Für die hat Tesla vor wenigen Tagen die letzten Unterlagen eingereicht. Die Genehmigung sei nun absehbar, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kurz vor Weihnachten. "Anfang des Jahres wird es wahrscheinlich sein."
Ist die Genehmigung da, kommt es noch auf das Verwaltungsgericht in Frankfurt (Oder) an. Die Umweltverbände NABU und Grüne Liga haben nämlich gegen eine Erlaubnis zur Wasserförderung für den regionalen Wasserverband geklagt. Gibt das Gericht den Umweltschützern recht, könnte es die Wasserversorgung der Fabrik beeinträchtigen. Allerdings rechnen Experten mit einer vorübergehenden Ausnahmegenehmigung, sodass Tesla ungestört produzieren kann.
Was kommt nach dem Produktionsstart?
Ist auch das geschafft, wird es für Tesla darauf ankommen, auch die Batteriefabrik schnell fertig zu stellen und die Auto-Massenproduktion hochzufahren. Das ist keine leichte Aufgabe: Um Lagerkosten zu sparen, will sich Tesla die meisten Teile direkt zur Produktion "just in time" liefern lassen. Daher müssen alle Zulieferer ihre Zeitpläne einhalten. Die sind wiederum auf funktionierende Straßen und Schienen angewiesen. Auch im Werk müssen hunderte Produktionsschritte perfekt harmonieren. Und schließlich braucht Tesla für die Massenproduktion, die laut Elon Musk schon im Herbst 2022 starten soll, auch ca. 10.000 Arbeitskräfte. Bisher sind aber nur rund 2.000 an Bord.
Und danach? Für Tesla ist klar: Wenn die Nachfrage stimmt, soll das Werk vergrößert werden, eventuell sogar um das Vierfache. Dafür reicht das Wasser in der Region derzeit definitiv nicht und es wird Jahre dauern, bis die Behörden ein neues Wasserwerk oder eine überregionale Leitung gebaut haben. Statt Tesla-Tempo ist dann also erstmal Geduld gefragt.
Sendung: Antenne Brandenburg, 28.12.2021, 15:40 Uhr
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