Tesla in Brandenburg - Alles Giga, oder was?

Elon Musk ist immer gut für eine Überraschung und einen schrägen Spruch. Vielleicht auch am Dienstag, wenn in Grünheide in seiner Giga-Fabrik die ersten Teslas von Band rollen. Das US-Unternehmen eröffnet seine erste Fabrik in Europa. Von Jörg Poppendieck
In den vergangenen Tagen hat sich der exzentrische Tesla-Chef ein bizarres Twittergefecht geliefert mit dem tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow, der auch als "Bluthund Putins" bezeichnet wird. Zuvor hatte der Tech-Milliardär den russischen Präsidenten zum Zweikampf aufgefordert. Einsatz: die Ukraine.
Bei all der Show und seinen vielen schrägen Tweets gerät immer wieder in den Hintergrund, was Elon Musk eigentlich ist: Unternehmer. In dieser Funktion wird der Elektro-Auto-Pionier am Dienstag in Grünheide die ersten Fahrzeuge "made in Brandenburg" persönlich an die Kundinnen und Kunden übergeben.
Hoffen auf ein Auto-Valley
Es ist die größte Industrieansiedlung im Osten Deutschlands seit der Wende. Entsprechend prominent besetzt ist die Tesla-Gästeliste. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird bei der Eröffnung anwesend sein genauso wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Dietmar Woidke (SPD) natürlich auch.
Der Brandenburger Ministerpräsident hat zusammen mit seinem Wirtschaftsminister den Hut in den Ring geworfen, als Musk - natürlich per Twitter - verkündete, ein Werk in Europa bauen zu wollen. Das war im Frühjahr 2019. Heute, drei Jahre später, spricht Woidke von einem kleinem Sonnenstrahl in dunklen Zeiten und das man jetzt nicht mehr die verlängerte Werkbank des Westens sei.
"Urplötzlich kennt man uns, urplötzlich fragt man bei uns an"
Woidke ist stolz, denn er kennt die Wirtschaftsgeschichte seines Bundeslandes nur zur zu gut. Weiß um die Nackenschläge, die Brandenburg in den vergangenen Jahren erleiden musste. Mehrere Großansiedlungen wurden in den Sand gesetzt.
Cargolifter wollte im Dahme-Spreewald beispielsweise einst Luftschiffe bauen. 500 Arbeitsplätze sollten dort entstehen. Ein anderer Flop: die Chipfabrik in Frankfurt (Oder). Seitdem ist viel passiert, sagt Jörg Steinbach (SPD). Brandenburg sei in Sachen Wirtschaftskraft, so der Wirtschaftsminister, in der Bundeslands-Tabelle von unten nach oben gekrabbelt: "Urplötzlich kennt man uns, urplötzlich fragt man bei uns an."
Brandenburg im Tesla-Zauber
Und die Zahlen, die im Zusammenhang mit Tesla genannt werden, sind nicht nur für Brandenburger Verhältnisse beeindruckend. Jährlich sollen am Rande Berlins 500.000 Fahrzeuge von Band rollen. Produziert von 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
"Brandenburg gehört damit auf einen Schlag zu den wichtigen Automotive-Standorten in Deutschland", berichtet Dr. Steffen Kammradt. Er ist Geschäfstführer der Wirtschaftsförderung Brandenburg. Die Agentur im Besitz ds Landes berät Unternehmen und Investoren, die sich in dem Bundesland niederlassen wollen. Kammradt berichtet von einem wahren Schub an Investitionsanfragen, seit sich Elon Musk für Brandenburg entschieden hat. Brandenburg sei auf der Landkarte neu verortet, so Kammradt und spricht von einem "Tesla-Zauber".
Ähnlich optimistisch ist man beim Blick auf die jüngste Wirtschaftsentwicklung des Landes Brandenburg beim Prognos-Institut. Dort heißt es, in Brandenburg würde die Autoindustrie neu erfunden. In Schwarzheide beispielsweise baut BASF gerade eine Kathodenfabrik. In den Anlagen soll das Material für 400.000 Elektrofahrzeuge pro Jahr hergestellt werden. In der Nähe der polnischen Grenze ist die Firma Rock Tech aktiv. Das kanadische Unternehmen will ab 2024 in Brandenburg das größte Lithium-Werk Europas an den Start bringen. Lithium gilt als einer der wichtigsten Rohstoffe für den Bau von Batterien für Elektroautos.
Dazu kommt das US-amerikanische Unternehmen Microvast, das in Brandenburg seine Europazentrale angesiedelt hat und schnellladefähige Batterien für LKW produziert. Der Wirtschaftsförderer Kammradt berichtet, dass in Brandenburg gerade in atemberaubendem Tempo eine neue Wertschöpfungskette aufgebaut wird.
Man kann jetzt mitspielen
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) tritt dagegen, wenn auch sanft, auf die Euphoriebremse. Von einem "Auto-Valley" will der Forschungsdirektor Industriepolitik, Martin Gornig, noch nicht sprechen. In seinen Augen hat Brandenburg aber gute Karten in der Hand. "Das wird nicht von allein laufen. Da ist jetzt die Wirtschaftspolitik gefordert. Es braucht zum Beispiel Kooperationen zwischen Unternehmen und Universitäten." Der Wirtschaftsexperte verweist in diesem Zusammenhang auf die Auto-Cluster in Stuttgart oder München. Auch dort baue man Kompetenzzentren auf, so Gornig.
Die großen Unternehmen wie Tesla, BASF und Rock Tech sind da, jetzt hoffen sie in Brandenburg auf kleine, innovative Zulieferer - die sogenannten "Hidden Champions", wie sie die Universität Dortmund in einer Studie bezeichnet hat. Von den 50 deutschen Zulieferern von Teslas Model 3 kommen beispielsweise immer noch die meisten nicht aus Brandenburg, sondern aus West- und Süddeutschland. Brandenburg, bringt es Prof. Gornig auf den Punkt, sei eben nicht der einzige relevante Standort beim Thema E-Mobilität. "Man kann jetzt aber plötzlich mitspielen. Ohne Tesla ginge das gar nicht."
Sendung: Brandenburg aktuell, 22.03.2022, 19:30 Uhr
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