Trockenheit um Tesla-Standort - Das angebliche Wasserwunder von Grünheide

Die Wassernöte der Region - verschärft durch die Ansiedlung von Tesla - sind kurzfristig lösbar. Das jedenfalls sagt ein zweifelhafter Unternehmer und verspricht sogar weltweit Lösungen. Kontraste hat sich auf seine Spuren begeben. Von M. Stucke, G. Enwaldt, P. Barnstorf und S. Adamek
Im vergangenen Sommer kocht die Debatte hoch: Der örtliche Wasserverband Strausberg Erkner fürchtet, dass durch die neue Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin die Trinkwasserversorgung gefährdet wird, denn Tesla plant einen Wasserverbrauch, der dem von 40.000 Einwohnern entspricht.
Bürgermeister Arne Christiani hofft damals auf eine Lösung des Problems mithilfe eines US-Unternehmens. Lange glaubt er an die Visionen einer Firma, die gerade dabei sei, hier sesshaft zu werden. Es handelt sich um die in den USA börsennotierte Firma Energy And Water Development Corp (EAWD) des deutschen Unternehmers Ralph Hofmeier. In einer PR-Meldung [dgap.de] wird der Bürgermeister von Grünheide mit den Worten zitiert, man werde in Zusammenarbeit mit EADW "der Welt die Zukunft der Wasserinfrastruktur" zeigen. PR-Nachrichten wie diese sind potentiell dazu geeignet, den US-Börsenkurs in die Höhe zu treiben.
Wasser soll aus Luftfeuchtigkeit gewonnen werden
Gegenüber der ARD äußert sich Christiani zu dieser Zeit, es könnten künftig "bis zu einer Million Liter" Wasser täglich generiert werden. Das Wasser, so erklärt es EAWD, werde aus der Luftfeuchtigkeit gewonnen. EAWD spricht sogar von bis zu fünf Millionen Litern Wasser täglich. Die Anlagen seien pyramidenartig aufgebaut, erklärt Christiani.
In Firmenverlautbarungen spricht EAWD davon, bereits damit begonnen zu haben, Anlagen zu installieren. In Hamburg soll die Firma offiziell an bester Adresse am Ballindamm 3 an der Binnenalster residieren. Nach Informationen des ARD Politkmagazins Kontraste findet sich der Name der Firma allerdings nicht auf dem Klingelschild.
Der CEO zeigt Kontraste schließlich in einem Industriegebiet bei Hamburg dann auch eine der angeblichen "Pyramiden". Sie sieht aus wie ein verschraubtes Gerüst. EAWD-Chef Ralph Hofmeier erklärt vor diesem Gerüst: "Wir können die Trinkwasserversorgung von jeder Stadt lösen, von Las Vegas, von Berlin. Es spielt keine Rolle."
Statt Technologie ein verschraubtes Metallgerüst
Aber von Technologie ist hier keine Spur zu entdecken. Die mit EAWD-Overalls ausgestatteten Arbeiter gehen ohne erkennbaren Grund um das Gestell herum, zücken ab und an einen Zollstock, ohne etwas zu notieren oder zu verrichten. Im Internet behauptet EAWD, Patente für seine Technologie zu haben. Zudem ist von Kooperationen mit Bosch und Siemens die Rede. Auf Kontraste-Anfrage bei den Konzernen teilen beide mit, man kenne die EAWD nicht. Und das deutsche Patentamt schreibt auf Anfrage im Dezember: "Ein Patent wurde (bisher) nicht erteilt."
Experte: Dass EAWD das Weltwasserproblem löst, "ist Quatsch"
Axel Kleidon, Experte für die erneuerbaren Energiesysteme am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, hat das EAWD-Vorhaben auf Bitte von Kontraste eingeschätzt. Zur Aussage von EAWD-Chefs Hofmeier, die Firma könne die weltweite Wasserknappheit beenden, findet Kleidon klare Worte: "Das ist Quatsch. Ich kann da nur Kopfschütteln. Ich meine, so einfach geht das nicht. Es ist naiv zu denken, dass es einfach nur eine Maschine benötigt, um die Welt-Wasser-Probleme zu lösen."
Tatsächlich ist es möglich, aus der Luftfeuchtigkeit Wasser zu generieren, jedoch sei die Vorstellung von EAWD, mit ihren Apparaten Millionen Liter Wasser zu gewinnen, unrealistisch. Kleidon selbst hat in der Wüste von Abu Dhabi an einem Wassergewinnungsprojekt gearbeitet und zieht einen Vergleich mit der Waldwirtschaft: "Wenn Sie einen Wald haben und Sie haben 100 Bäume auf diesem Wald, dann können Sie nicht jeden Tag 100 Bäume ernten. Das geht ja nicht. Die müssen nämlich nachwachsen." Genauso verhalte es sich mit dem Wasserdampf, der in einem natürlichen Prozess immer wieder in der Atmosphäre aufgefüllt werden müsse.
Ein Aktienwert von mehr als 200 Millionen Dollar?
Der Unternehmer Ralph Hofmeier erklärt gegenüber Kontraste, sein Unternehmen habe einen Aktienwert von etwa 220 Millionen Dollar: "Und wir brauchen noch mehr natürlich, um auch 3.000 Stück davon zu bauen pro Jahr." Wie er auf diesen Firmenwert kommt, bleibt einstweilen unklar.
Fehlende Patente, Anlagen, die entgegen den Ankündigungen noch gar nicht installiert sind, Geschäftspartner, die EAWD gar nicht kennen: Die Summe der Falschinformationen dürfte auch die US-Börsenaufsicht SEC beschäftigen. EAWD ist auf dem so genannten "Pink Market" in den USA gelistet, einem Markt für besonders spekulative Aktien.
Auf eine Kontraste-Anfrage hat die SEC bislang noch nicht reagiert. Hofmeier reagiert sehr ungehalten auf diese kritischen Fragen: "Vielleicht haben Sie irgendeinen Kollegen, der besser recherchieren kann in Google. Aber wie gesagt: Ihre Unwissenheit oder Unfähigkeit, etwas zu recherchieren, ist nicht mein Problem."
Mit den Kontraste-Recherchen konfrontiert teilt der Grünheider Bürgermeister nun mit, es gebe gar keine Vereinbarung mit der Firma EAWD. Das Wasserproblem in Grünheide rund um Tesla bleibt also vorerst ungelöst.
Sendung: ARD Kontraste, 26.01.2022, 21:45 Uhr
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