"Klima 2050" in Brandenburg - Ohne Grundwasseranreicherung trocknet die Region aus

Mi 25.10.23 | 06:20 Uhr | Von Stefanie Otto
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Der Grundwasserspiegel sinkt in Brandenburg weiter ab. Der jährliche Niederschlag reicht nicht aus, um das Defizit auszugleichen. (Quelle: SpreeWasser:N)
Video: rbb24 Abendschau | 25.10.2023 | W. Albus | Bild: SpreeWasser:N

In den vergangenen 20 Jahren ist der Grundwasserspiegel in Brandenburg deutlich gesunken. Die Forscher sehen keine Trendwende. Ein Pilotprojekt untersucht nun, wie der Wasserhaushalt stabilisiert und an Wetterextreme angepasst werden kann. Von Stefanie Otto

Hydrogeologen von der TU Berlin hatten Anfang des Jahres in mehreren kleinen Fließgewässern im Einzugsgebiet der Unteren Spree zwischen Spreewald und Berlin Pegelsonden eingebaut, die den Wasserstand und die Fließgeschwindigkeit festhalten sollten. Wenn Irina Engelhardt und ihr Team zu den Messstellen fahren, um dort die gesammelten Daten auszulesen, müssen sie manchmal nach Wasser suchen. Die Messungen zeigten über Monate nur Nullen.

"Die Fließe sind eigentlich alle zwischen Mai und Juni trockengefallen. Wir sehen hier in der Darstellung auch die Starkregenereignisse. Darauf haben die Gewässer gar nicht reagiert", erklärt Irina Engelhardt beim Blick auf die Daten der vergangenen Monate.

Im Sommer fallen immer mehr Gräben und Fließe im Projektgebiet in Brandenburg trocken. (Quelle: SpreeWasser:N)
| Bild: SpreeWasser:N

Mehr Erkenntnisse brachten ihnen Sensoren für Bodenfeuchte, die in verschiedenen Tiefen den Wassergehalt messen und per Funk übermitteln. In 25 Zentimetern Tiefe reagierten die Sensoren noch, wenn es regnete. Weiter unten, in 75 Zentimetern Tiefe, registrierten die Messgeräte kaum eine Änderung. Für Irina Engelhardt ist das Problem klar: "Der ganze Niederschlag verdunstet einfach wieder und kommt eben unserem Wasserhaushalt und auch den Fließen nicht entsprechend zugute."

Brandenburg hat bereits ein erhebliches Grundwasser-Defizit

Weiter unten im Grundwasser sieht es ähnlich aus - die Forscher können auch auf Daten der Wasserbehörden aus früheren Jahren zurückgreifen. Seit dem Jahr 2000 beobachten sie in Brandenburg ein stärkeres Absinken der Grundwasserpegel. Im Untersuchungsgebiet der Unteren Spree zwischen Spreewald und Berlin fielen die Grundwasserstände mancherorts sogar um zwei Meter und mehr. "Ein erhebliches Wasserdefizit" nennt es Engelhardt. "Und dafür muss ich natürlich wissen, was die Einflussfaktoren sind. Ist es meine Wasserversorgung? Ist es die Landnutzung? Ist es die Veränderung im Klima?"

Karte Grundwasserabsenkung seit 2003 im Brandenburger Spreegebiet. (Quelle: SpreeWasser:N)
Karte: Gebiete, in denen der Grundwasserspiegel absinkt (seit 2003) | Bild: SpreeWasser:N

Im Rahmen des Forschungsprojekts "SpreeWasser:N" wollen Irina Engelhardt und ihr Team mithilfe der neuen Messdaten ein aufwändiges Modell vom Wasserhaushalt erstellen und herausfinden, wo in der Pilotregion das meiste Wasser verloren geht und wie gegengesteuert werden kann.

Wasserverbrauch und Klimawandel sind Ursache des Defizits

Klar ist: Der Trend beim Grundwasser wird sich in absehbarer Zeit nicht umkehren. Die Wasserentnahmen für Haushalte, Landwirtschaft und Industrie zusammen mit den Verlusten durch den Klimawandel sind in der Summe größer als die Grundwasserneubildung. Engelhardt spricht von einer "Übernutzung". Sie schätzt, dass "der Einfluss des Klimas voraussichtlich viel relevanter ist als der Einfluss der Grundwasserentnahmen durch die ansässigen Wasserversorger".

Infobox

2050 wird es in Brandenburg durchschnittlich zwei Grad wärmer sein als zu Beginn der Wetteraufzeichnungen um 1881. Die Sommer werden länger, die Trockenphasen auch. Damit nimmt auch die Verdunstung aus Böden, Gewässern und Pflanzen zu. Zukünftig wird es nicht weniger Regen pro Jahr geben. Die Niederschläge verlagern sich jedoch in die kühleren Jahreszeiten. Wenn es regnet, dann öfter in Form von Starkregen. Diese großen Wassermengen können jedoch nicht so schnell vom Boden aufgenommen werden.

Die zentrale Frage: Was kann getan werden, um das Wasser in der Region zu halten? Zum einen sind das einfache Dinge - Wasser sparen, mehrfach nutzen oder Flächen entsiegeln, damit wieder mehr Regenwasser versickern kann. Dabei geht es auch um Wasserkonzessionen für Industrie und Landwirtschaft. Irina Engelhardt kennt die Konflikte, die schon heute um die Nutzung der endlichen Ressource Trinkwasser entbrannt sind. Daher plädiert sie für weitergehende Maßnahmen.

Karte: Gebiete für eine mögliche Grundwasseranreicherung in Brandenburg (Quelle: SpreeWasser:N)
Karte: Gebiete, die sich für eine Grundwasseranreicherung eignen | Bild: SpreeWasser:N

Eine Möglichkeit wäre, das gereinigte Abwasser nicht über die Flüsse ins Meer zu leiten. Besser wäre ein Kreislauf, bei dem das Abwasser in der Region gehalten wird. Allerdings gebe es hier noch Vorbehalte, weil auch das gereinigte Abwasser noch Schadstoffe beinhalten kann.

Vielversprechender sei daher die Grundwasseranreicherung durch Regenwasser: "Das heißt, ich nehme Starkniederschlag ab, speichere das Regenwasser und bringe es in den Grundwasserleiter. Das macht die Stadt London, das macht der ganze Mittelmeerraum und auch in Frankreich ist das sehr stark verbreitet", so die Hydrogeologin. Als Speicher könnten Seen und Senken dienen. Zum Versickern großer Wassermengen bräuchte es jedoch spezielle Infiltrationsbrunnen.

Versickern von Starkregen ist sinnvoller als eine Überleitung aus der Elbe

Das Überleiten von Wasser aus größeren Flüssen wie der Elbe in die Spree sieht Irina Engelhardt kritisch. Zum einen, weil das schon im sächsischen Bereich passieren müsste und das zusätzliche Wasser auf dem Weg bis nach Berlin größtenteils verdunsten würde. Außerdem schätzt sie, dass auch die Elbe in Zukunft nicht genügend Wasser führen wird: "Ich denke nicht, dass das reicht, um das Wasser-Defizit aufzufüllen."

Als letzte Chance sieht Irina Engelhardt noch die Möglichkeit einer Ostsee-Pipeline. Entsalztes Meerwasser hätte den Vorteil, dass man es direkt in der Trinkwasserversorgung nutzen könnte. Nachteil: der höhere Energiebedarf. Den könnte man an der Küste aber gut über erneuerbare Energie wie Wind, Solar und Gezeiten decken. Für viele mag das weit hergeholt klingen.

Irina Engelhardt sieht das anders: "Ich habe in der Vergangenheit ausschließlich im Ausland gearbeitet. Unsere großen Forschungsprojekte waren in Saudi-Arabien, Syrien und Israel. All diese Länder wären bereits verdurstet, sie würden nicht eine Tomate anbauen können, wenn sie diese Technologien nicht nutzen würden."

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 25.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Stefanie Otto

33 Kommentare

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  1. 33.

    Brandenburg wird bald anfangen, Wasser aus anderen Regionen, oder Landkreisen und Flüssen zu stehlen - das ist doch am einfachsten und am billigsten.
    Das Land und die Brandenburger Politik werden sonst gar nichts unternehmen und auch nichts investieren.
    Man wird für Lausitz/Spreewald und Spree einfach andere Flüsse anzapfen.
    Brandenburg/Berlin werden auch keine Pipeline von der Ostsee bis nach Brandenburg/Berlin bauen - stärkere Regionen mit politischer Lobby, werden anderen schwächeren Regionen/Landkreisen das Wasser abgraben.
    Und da wird auch Vieles nicht sichtbar sein - da das Grundwasser auch unterirdisch angezapft werden kann und Niemand sieht das. Wasserklau für Landwirtschaft, Tourismus/Wohnen und Industrie, ist doch schon tägliche Gegenwart in Europa und der Welt

  2. 32.

    Wer kontrolliert denn eigentlich, wie viel Wasser, die Landwirtschaft in Brandenburg aus dem Boden zieht, mit ihren Zigtausenden Hektar an Flächen/ meist Monokulturen der Energiewirtschaft/oder Schweinehaltung ?
    Wie viel Wasser verbrauchen irgendwelche sinnlosen Golfplätze ?
    Wie viel Wasser verbrauchen große Baumschulen, die aber anschließend ihre Bäume exportieren ?
    Wie viel Wasser wird in irgendwelche Badeseen und Kanäle in die Lausitz gepumpt ?
    Wie viel Brandenburger Wasser, wird einfach über Flüsse viel zu schnell ins Meer abgeleitet ?
    Wie viel Wasser, verbraucht die Jahrzehntealte Industrie in Brandenburg/Schwedt, Eisenhüttenstadt, Kohle/Lausitz usw.
    Ich denke, die Brandenburger Politik hat Null Ahnung über den jeweiligen Wasserverbrauch von Landwirtschaft, Golfplätze, Baumschulen, etc. Und noch schlimmer - die Verseuchung des Wassers mit Dünger, Gülle, Nitraten, Pestiziden, etc.

  3. 31.

    Die meisten Flächen in Europa/Deutschland/Brandenburg sind von Menschen geschaffene Kulturlandschaften : Nutz-Forst-Industriewald, Monokulturen der Agrarindustrie, Grünflächen, Alleen/Straßenbäume, usw.

  4. 29.

    Das sind sehr gute Ansätze, mit denen man endlich beginnen sollte - vollkommen richtig :
    Mehr Mischwald, die Entwässerung in der Landwirtschaft endlich beenden, Flächenentsiegelung/ Versickern von Regenwasser ( aber dann, bei Industrie, Wohnen und Landwirtschaft gleichermaßen), usw.
    Es gibt genügend Ansatzpunkte für ein besseres Klima.

  5. 28.

    Wo brauchen Windparks und PV trockene Böden?

    Da macht es nichts wenn auf der Wiese unter den PV Paneelen etwas Wasser steht. Gibt's auch schwimmend.

    Eigentlich wäre das auch ne super Lösung für Überschwemmungsflächen bei Hochwasser.

  6. 27.
    Antwort auf [Uwe] vom 26.10.2023 um 12:51

    Brandenburg hat genügend Wasser, das Wasser muss nur lange genug in der Brandenburger Landschaft gehalten werden.
    Aber die Brandenburger Vieh- und Weidehaltung benötigt ja trocken Landschaften und das Wasser wird daher, schnellstmöglich über Kanäle, Flüsse und Seen, ins Meer abgeleitet.
    Brandenburger Agrarindustrie benötigt trockene Böden für ihre Monokulturen und für Windparks und Solarfelder.
    Trockenes Klima ist in Brandenburg, Hausgemacht - durch riesige Monokulturen und dadurch durch riesige trockene Flächen

  7. 26.

    Naheliegend das Gewerbegebiet gegenüber des genannten Beispiels. Diverse Gewerbegebiete in FF wo ich schon vor ca. 20 Jahren 100% NW-Versickerung auf dem Grundstück bei der Planung einer Fabrik berücksichtigen musste.
    Das ist nix Neues und bei weitem nicht selten in BRB. Natürlich abhängig von dem was die Eiszeit hinterlassen hat. Ist ja nicht nur Sand.

  8. 25.

    Wenn man nicht mit Geld umgehen kann, warum dann mit Wasser?
    „Beamter: Das Wasser reicht nicht.
    Der Ministerpräsident: Dann müssen andere Lösungen her.
    Beamter: Das kann man nicht genehmigen.
    Der Wirtschaftsminister: Doch häppchenweise, es ist doch nur eine Fabrik und andere verbrauchen mehr.“
    Die Büchse der Pandora ist geöffnet.

  9. 24.

    Ich kenne da eine Ersatzbau für einen für die eingesetzten Züge zu kurzen Bahnhof, bei dem auch die Versickerung des Oberflächenwasser vom EBA angeordnet worden ist. ;-) Andere Bauvorhaben bekommen ja nur selten mediale Aufmerksamkeit.

  10. 23.

    Na dann her mit den Beispielen von Industrie oder Gewerbeansiedlungen der letzten 10 Jahre in Brandenburg mit Versickerungsanlagen. Selbst große Logistikhallen führen Oberflächenwasser in den nächsten Fluss.

    Anders kenne ich es fast nur aus Süddeutschland.

  11. 22.

    Wird echt Zeit, dass sich was tut: mehr Mischwald, Entwässerung in der Landwirtschaft beenden, Flächenentsiegelung, Regenwasser versickern. Auf geht's!

  12. 21.

    Dann müssen Sie Ihr Wissen etwas aktualisieren.
    Heutzutage und eigentlich auch schon länger ist es durchaus Standard auch Gewerbe und Industrie Einleitung von Niederschlagswasser in die öffentliche Kanalisation zu untersagen. bzw. erst gar keine Niederschlagsableitung in der Erschließung zu berücksichtigen.
    Das was man in Freienbrink gemacht hat, mag der Dimension nach beeindruckend sein aber technisch ist es nix besonderes.
    Eine Forderung zur Versickerung auf dem Grundstück werden Sie in vielen B-Plänen auch für Industriegebiete finden.

  13. 20.

    Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass man quasi verfolgt wird, wenn man im Sommer seinen ökologischen Gemüsegarten gießt. Golfanlagen, Pools, sterile Rasenflächen, Tujahecken, Kirschlorbeer, Flieder und Rhododendron sind bei der Verfolgung natürlich ausgenommen! Ebenso immer mehr versiegelte Parkplatzflächen und Shoppingmeilen..alles pc. Hauptsache es sieht maximal einheitlich aus!! Auch Monokulturwald und ausgetrocknete Ackerwüsten..gelten als schön normal..Was für ein Geschmack!

  14. 19.

    Es gibt ja 1 Industrieanlage in Brandenburg, die zu entsprechenden Versickerungsbecken verpflichtet wurde.

    Meines Wissens ist das aber in Brandenburg (und im Rest Deutschlands größtenteils) die totale Ausnahme.

  15. 18.

    Naja es ist schon von Bedeutung ob die Vegetation eine Wiese, ein Laubwald oder ein Nadelwald ist.

    Wiese ist für Grundwasserneubildung das beste, gerne auch mit PV drauf, der Laubwald hat sehr gute Reinigungswirkung und Speicherkapazität, bei leicht verringerten Grundwasserneubildung. Beides Wuese und Laubwald ist wichtig.

    Richtig schlimm für die Grundwasserneubildung sind Kiefern, keine/kaum Speicherschicht und hohe Verdunstung im Winter. Im Sommer ist es normal, dass sich kein Grundwasser bildet, ist eben Vegetationsperiode.

  16. 17.

    Ich wähle Wasser, sauberes Wasser, bekomme ich das dann auch?

  17. 16.

    Nimmt man die Privatanschließer der Gemeinde als Maßstab, sind es bekannt 23.000 Einwohner statt 40.000, was Sie aber ebenso unterschlage wie das gesamte Wasseraufkommen von 1.000 Mio m³ in 2019 in der Region Berlin/Brandenburg mit ganz anderen Großverbrauchern als Ihnen lieb ist und die 2050 Geschichte sind.

  18. 15.

    Wichtig ist die Wirtschaft und die Meinung von Politikern.
    Ich bin weit über 60 Jahre alt ,möget ihr das ernten was ihr wählt.

  19. 14.

    Politik und Behörden versagen seit Jahrzehneten. Das Volk muss es wohl wieder selber in die Hand nehmen.

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