Klimaaktivisten "Letzte Generation" - Amtsgericht Tiergarten löst zwei Abteilungen für beschleunigte Verfahren auf

Sa 06.01.24 | 16:58 Uhr
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Archivbild: Mitglieder der Letzten Generation blockieren kurz nach Sonnenaufgang die Kreuzung Spandauer Damm Ecke Sophie-Charlotten-Straße. (Quelle: dpa/Müller)
Audio: Fritz | 06.01.2024 | Nachrichten | Bild: dpa/Müller

Mit Schnellverfahren sollten etwa Delikte der "Letzten Generation" schneller bearbeitet werden. Doch die tagespolitische Forderung ließ sich juristisch nicht umsetzen - zu viele Fragen blieben unbeantwortet. Nun löst das Amtsgericht Tiergarten zwei Abteilungen auf.

Der Versuch der Berliner Justiz, Klimaaktivisten der Letzten Generation in Schnellverfahren zu verurteilen, ist einem Zeitungsbericht zufolge weitgehend gescheitert. Die dafür eingerichteten Abteilungen am Amtsgericht Tiergarten seien nach gut einem halben Jahr wieder aufgelöst worden, berichtete die "Welt am Sonntag" ["WamS", Bezahlschranke] unter Berufung auf Angaben der Gerichte. Andere Abteilungen bearbeiten demnach nun die zahlreichen noch offenen Anträge auf beschleunigte Verfahren.

Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft sind von 149 dieser Schnellverfahren 137 weiterhin offen. Seit Juni wurden demnach elf Urteile gefällt - sieben Geldstrafen und vier Freisprüche. Nur die Freisprüche sind bislang rechtskräftig. Weitere 48 Anträge der Staatsanwaltschaft auf beschleunigte Verfahren seien abgelehnt worden.

Beweislage teils nicht klar

"In vielen Fällen hatte sich im Verlauf der Bearbeitung gezeigt, dass sich die Verfahren zur Verhandlung im beschleunigten Verfahren nicht eignen, beispielsweise, weil die Beweislage nicht klar war oder Nachermittlungen erforderlich waren", zitierte die Zeitung eine Sprecherin der Berliner Strafgerichte.

Im Verfahren gegen die "Gruppierung Aufstand der letzten Generation" müssten Fragen geklärt werden wie: Wie lang war der durch die Blockade ausgelöste Rückstau? Befanden sich etwa Krankenwagen in dem Stau? Gab es Ausweichmöglichkeiten? - Zu viele Fragen für ein schnelles Verfahren. "In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass dies im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens meist nicht geklärt werden konnte", so die Sprecherin.

Bisher doppelte Arbeit

Die Konsequenz: "Dann mussten die Verhandlungen trotz bereits erfolgter Beweisaufnahme ausgesetzt werden - und die Verfahren mussten dann in diesen Spezialabteilungen von vorne begonnen werden, sozusagen im Regelverfahren." Das habe sich als unpraktisch erwiesen, weil die oft doppelte Arbeit zu einer zu großen Belastung dieser Abteilungen geführt habe. "Dass die Abteilungen für beschleunigte Verfahren aufgelöst wurden, ist letztlich also nur eine Umstrukturierung, um effektiver zu arbeiten."

Die Sprecherin erklärte, dass Verfahren gegen Klimaaktivisten der Letzten Generation ohnehin bearbeitet werden müssten - egal mittels welchen Verfahrens: "Das ist keine Belastung, das ist unsere Aufgabe." Fortan würden Anträge nicht mehr nur in zwei Spezialabteilungen bearbeitet, sondern würden auf 67 Abteilungen des Amtsgerichts Tiergarten verteilt.

Anwaltverein: "von populistischem Aktionismus getrieben"

Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bedauerte dies, er respektiere jedoch "selbstverständlich" die Entscheidungen der Richter. "Ich wünsche mir aber, dass beschleunigte Verfahren gerade in solchen Fällen häufiger angewendet werden", sagte er dennoch der "WamS".

Der Deutsche Anwaltverein kritisierte den Ruf nach einer "Sonderbehandlung für einzelne Deliktsphänomene" als "politische, von populistischem Aktionismus getriebene Forderungen". Die Berliner Richterinnen und Richter hätten hingegen klargestellt, "dass sie nicht bereit sind, rechtsstaatliche Garantien tagespolitischen Versuchen einer Einflussnahme zu opfern".

Sendung: Fritz, 06.01.2024, 16:30 Uhr

30 Kommentare

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  1. 30.

    Es ist kein "abstraktes Konstrukt", das Sie offenbar abschätzig als Synonym für Realitätsferne verwenden, sondern der absolute Idealfall, dem es möglichst nahe zu kommen gilt. Da aber Richter auch nur Menschen sind und nichts im luftleeren Raum geschieht, wird es natürlich immer unterschiedliche Sichtweisen auf ein und den selben Sachverhalt geben.

  2. 29.

    Ich lese im Artikel: Verfahren laufen weiter, nur aufgrund komplexer Umstände nicht als Schnellverfahren. Welchen Artikel haben Sie gelesen?

  3. 27.

    Das Richter unabhängig, unvoreingenommen, neutral, unpolitisch usw. sind oder sein sollen, ist nur ein aktraktes Konstrukt.

  4. 26.

    Noch besser: Man „nötigt“ diese zu arbeiten: Mitzuarbeiten an Lösungen zu Verringerung der Erderwärmung! Vorher bedarf es noch einer Schulung, was das ist und was da sinnlos ist.

  5. 25.

    Noch besser: Man „nötigt“ diese zu arbeiten: Mitzuarbeiten an Lösungen zu Verringerung der Erderwärmung! Vorher bedarf es noch einer Schulung, was das ist und was da sinnlos ist.

  6. 24.

    Noch besser: Man „nötigt“ diese zu arbeiten: Mitzuarbeiten an Lösungen zu Verringerung der Erderwärmung! Vorher bedarf es noch einer Schulung, was das ist und was da sinnlos ist.

  7. 23.

    Wie soll man Sie sonst bezeichnen ohne Menschen zu beleidigen, wenn Sie nur Demonstrieren?Wenn man nur geltendes Recht umsetzt müsste das Prozedere der unangemeldeten Spontandemos verboten werden.Tja, mein Nachbar würde sich umsehen , wenn ich nach geltenden Recht leben würde.Wie beschwere ich mich über andere, wenn ich auf Arbeit bin oder schlafe? Die Bauerndemos bestrafen auch die falschen.Ist in dieser Gesellschaft zum Volkssport geworden.

  8. 22.

    Ein weiteres Armutszeugnis unser Gesetzgebung. Weiter werden Kriminelle geschont. Allein schon das Inbetrachtziehen, dass die Opfer von Blockaden ja einen anderen Weg hätten fahren können, oder wie lang der Stau war, istvder blanke Hohn. Wann reagiert endlich Politik und Justiz auf diesen Nonsens? Man bekommt zunehmend den Eindruck, dass von den Genannten eine Veränderung überhaupt nicht gewollt ist.

  9. 21.

    Der Vorfall an der Fähre erfüllt einen ganz anderen Tatbestand. Es macht einen Unterschied, ob sich Aktionen gegen die Allgemeinheit oder gezielt eine Person richten. Hätte die Fähre nicht wieder abgelegt, wäre sie wohl 'gestürmt' worden. Das ist gar nicht vergleichbar mit den Straßenklebern und bedarf daher auch einer anderen Herangehensweise in der Strafverfolgung.

  10. 20.

    Beschleunigtes Verfahren:Nachbarn suchen die Schuld bei sich selber.Nachtruhe ist nun mal von 22 bis 6Uhr.Ob es Ihnen passt oder nicht.Meinen Rückzugsraum bestimmen ich und suche dementsprechend.Wenn Familie einen anderen hat,trifft das auf Famillie zu, Auf andere nicht.Für die LG:Sachbeschädigung ist und bleibt eine Straftat ob es Ihnen passt oder nicht.Tempolimit würde auch ich unterstützen, aber die Farbe nicht.Kämpfem Sie weiter für die Umwelt ,aber ohne Farbe und ohne Staus. Andere Menschen müssen zur Arbeit.

  11. 19.

    Natürlich sind wir Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Übrigens werden Richter gewählt. Durch einen Wahlausschuss.

    Wenn wir ein Urteil fällen, welches den Bürgern nicht in den Kram passt, wird natürlich gleich wieder gemotzt

  12. 18.

    Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es auch in Deutschland eine Schulpflicht gibt. Die FfF hätten sich doch an den Samstagen treffen können. Und der Ausfall von Unterricht hat sich ja wunderbar in der Pisastudie gezeigt. Und Berlin ist da nicht gut aufgestellt.

  13. 17.

    Herr Wegener wünscht sich entgegen der nun vorhandenen Erfahrung, dass die untaugliche Schnellverfahren dennoch weiter eingesetzt werden. Gerade in solchen Fällen, in denen sie sich nicht als sinnvoll herausgestellt haben. Da ist er ziemlich lernresistent.

  14. 16.

    Inhaltlich besagt der Artikel, dass sich die Verfahren gegen die LG nicht für Schnellverfahren eignen. Sie laufen weiter im normalen Prozessverfahren.

    Wer trägt die politischen Konsequenzen dieser von vornrein gegen viele Gegenstimmen durchgeführten populistischen Aktion?

  15. 15.

    Die Forderungen sind nicht durchdacht und Realitätsfern außer man lebt in einer Stadt und ignoriert wie alle Waren in diese und ihre Wohnung kommen. Gratis Nahverkehr: Des Weiteren es ist schlicht nicht finanzierbar außer sie wollen das keine Investitionen ins Schienennetze, Personal, Wartung und Zügen getätigt werden und der Service noch weiter abgebaut wird. Schlussendlich schadet man mit dieser Forderung dem öffentlichen Nahverkehr, es hat einen Grund warum Städte wie Tallinn (gratis Nahverkehr) von dieser Entscheidung wieder Abstand nehmen und zurück zum bezahl System wechseln.

  16. 14.

    Meiner Meinung nach wird leider immer wieder zu unterschiedlich an das garantiert bestehende Problem heran gegangen. Die LG 'bestraft' die Allgemeinheit und wird als Aktivisten bezeichnet, mit deren Forderungen retten wir nicht die Erde-dazu muß viel mehr und nicht nur in Deutschland passieren. Im Gegensatz dazu werden die Blockierer von Habeck's Fähre als Verbrecher bezeichnet und wollten schließlich auch ihren Forderungen Nachdruck verleihen!

  17. 13.

    Wo sind diese "Demonstrationen" friedlich? Nötigung, Erpressung, Freiheitsberaubung, Ausübung von psychischer Gewalt hinzu kommen Widerstand gegen die Staatsgewalt. Wenn sie normal demonstrieren würden und den gesellschaftlichen Konsens achten würden alles gut aber permanent Straftaten zu begehen kann nicht ihr Ernst sein. Auf Demonstrationen gibt es Regeln und genau diese brechen die LG jedesmal.

  18. 12.

    Diese Bewegung ist nicht gesellschaftlich anerkannt, die steht außerhalb des gesellschaftlichen Kontext und ist rein destruktiv angelegt. Somit schlussendlich antidemokratisch. Sie sehen dich eher als eine Art Märtyrer, dabei verhalten sie sich eher wie kleine bockige Kinder.

  19. 11.

    Ich freue mich dass die Gerichte unbeirrt ihre Arbeit machen, ohne sich von Politikern sonderbare Vorgaben machen zu lassen.
    Die Klebeproteste mögen zwar nerven, aber sie sind friedlich und wohl leider auch notwendig. Das Klimathema muss möglichst täglich präsent sein. Wenn es sein muss dann auch dadurch dass der Alltag gestört wird

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