Proteste vor der Tür - Kapelle im Turm der Garnisonkirche eingeweiht

Mo 01.04.24 | 20:52 Uhr
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Archivbild:Der neue Potsdamer Garnisonkirchturm (Foto vom 19.10.2023).(Quelle:picture alliance/epd/R.Zöllner)
Audio: rbb24 Inforadio | 01.04.2024 | Holger Brandenbusch | Bild: picture alliance/epd/R.Zöllner

Nach knapp sieben Jahren Bauzeit hat der wieder errichtete Turm der umstrittenen Garnisonkirche nun eine Kapelle. Kritik am Wiederaufbau gibt es noch viel länger - vor der Kirche formierten sich am Ostermontag die Gegner des Gotteshauses.

Begleitet von Protesten vor der Garnisonkirche hat die evangelische Kirche am Ostermontag die Kapelle im neuen Turm des umstrittenen Gotteshauses eingeweiht. Zum Eröffnungsgottesdienst hielt Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, eine Predigt. Die Widmung der Nagelkreuzkapelle wurde per Livestream im Internet übertragen.

Die Bauarbeiten für den Kirchturm laufen seit Herbst 2017, im April 2022 wurde der Rohbau fertiggestellt. Weitere Räume werden voraussichtlich im Sommer zugänglich gemacht. Das Datum steht noch nicht fest. Die vollständige Fertigstellung des insgesamt knapp 90 Meter hohen Bauwerks ist bis Ende 2025 geplant. Aktuell ist der Turm bis auf eine Höhe von rund 60 Metern gebaut worden.

Die Kapelle im Turm gehört zu dem neuen Friedens- und Versöhnungszentrum, für das die gesamte Anlage und alles, was an Bildungsarbeit in diesem Sinne geschieht, steht", erklärte Stäblein vor dem ersten Gottesdienst. 2005 wurde der Grundstein für den neuen Turm gelegt, 2008 eine kirchliche Trägerstiftung gegründet, seit 2017 wird gebaut. Der Neubau kostet rund 41 Millionen Euro - mehr als der Hälfte wird aus Bundesmitteln finanziert. Die evangelische Kirche steuert rund fünf Millionen Euro bei.

Gegner fordern Auflösung der Stiftung

Vor der Garnisonkirche protestierten etwa 250 Menschen gegen die Einsetzung weiterer Gelder für den Wiederaufbau des Gotteshauses. Zudem forderten sie die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche. "Die Kirche ist ein Symbol des preußischen Militarismus (...), ein Ort, von dem viele Kriege ausgegangen sind und wir sehen nicht, dass die Stiftung dieser Geschichte des Ortes gerecht werden kann", sagte die Sprecherin der Bürgerinitiative "Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche", Sara Krieg, der Deutschen Presse-Agentur. In das Projekt dürften keine Gelder mehr fließen. "Wir möchten dafür keine weiteren Steuergelder sehen", so die 35-Jährige. Die Bürgerinitiative hatte zu dem Protest aufgerufen.

Garnisonkirche auf Beschluss des Soldatenkönigs errichtet

Das Kirchen-Projekt ist seit Jahren umstritten: Gegner des Wiederaufbaus sehen in dem historischen Bau ein Symbol des Militarismus und einen Treffpunkt rechtsnationaler Bewegungen in den 1920er und 1930er Jahren.

Die historische Potsdamer Garnisonkirche wurde im 18. Jahrhundert auf Beschluss des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. errichtet. Der Barockbau wurde 1732 eingeweiht und 1735 fertiggestellt. 1740 wurde der Soldatenkönig in der Gruft der Kirche beigesetzt, 1786 auch sein Sohn und Nachfolger Friedrich der Große.

Am "Tag von Potsdam" nutzten die Nationalsozialisten 1933 die Garnisonkirche zur Inszenierung der Reichstagseröffnung, Adolf Hitler hielt dort eine Rede. Zudem reichten sich Reichspräsident Paul von Hindenburg und der neue Reichskanzler Hitler vor der Kirche die Hand.

Im April 1945 wurde die Kirche bei einem Luftangriff weitgehend zerstört. Ein Raum im Turm wurde danach längere Zeit weiter als Kapelle genutzt. In der DDR wurde die Ruine des Barockbaus 1968 abgerissen, der Turm wurde gesprengt. Die Gemeinde erhielt eine Entschädigung.

"Sehnsuchtsort für reaktionäre Kräfte"

So kämpfen etwa die Bürgerinitiative "Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche" und der "Lernort Garnisonkirche" der christlichen Martin-Niemöller-Stiftung schon seit Beginn der Planungen gegen den Wiederaufbau - weil sie die Restauration eines Sammlungsorts der Rechten befürchten. Am Montag erneuerte der "Lernort Garnisonkirche" seine Kritik und das von der Stiftung "propagierte Versöhnungskonzept". So fordert das Bündnis unter anderem, den Feldaltar der Garnisonkirche - ein schlichter Holztisch - nicht mehr für Gottesdienste zu nutzen, sondern an das Deutsche Historische Museum abzugeben.

"Der Turm steht jetzt für ein Friedens- und Versöhnungszentrum; für einen Lernort für Demokratie. Alles Völkische, alles Rechtsextreme hat hier keinen Platz", ergänzte Stäblein im Interview mit rbb24 Brandenburg aktuell.

Kurz vor der Eröffnung der Kapelle haben langjährige Kritiker des Wiederaufbaus ihre Vorbehalte noch einmal bekräftigt. Mit dem neuen Bauwerk sei "trotz aller PR-Akrobatik der Stiftung" kein Ort für eine kritische Aufarbeitung der Geschichte entstanden, erklärte die Bürgerinitiative "Potsdam ohne Garnisonkirche" am Dienstag. Es sei vielmehr ein "Sehnsuchtsort für reaktionäre Kräfte" geschaffen worden.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 01.04.2024, 19:30 Uhr

86 Kommentare

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  1. 86.

    Vielleicht sind Sie mal so gut und nennen Ross & Reiter, denn "zurückgefordert wird" lässt - bewusst? - den Urheber offen.
    Einer reicht und dieser ist immer zu finden.

  2. 85.

    Das habe ich bereits und ich lese nicht nur mir genehme Historiker, wie man am Beispiel Winkler sieht. Vor Haffner habe ich allerhöchsten Respekt, ich teile aber nicht unbedingt alle seine Schlussfolgerungen.

    Die "Kunst" besteht darin sich eine Übersicht zu beschaffen um eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.

  3. 84.

    Sie liegen falsch der preußische Militarismus und Antisemitismus war es der einen Hitler ermöglichte.

  4. 83.

    Helmut Krüger sollte sich besser einmal informieren, da das Nagelkreuz zurückgefordert wird. Da es so ist, ist ihre ganze Argumentation in das Gegenteil verkehrt.

    "Die Aufnahme in die Internationale Nagelkreuzgemeinschaft ist ja mit spezifischen Konsequenzen verbunden und geschieht ja nicht "einfach so."

  5. 82.

    @Grobschnitt: Geschichte zu studieren bedeutet nicht, nur die Interpretationen von (vielleicht der eigenen Position genehmen) Historikern zu zitieren, sondern sich auf der Basis des Quellenmaterials eine eigene, fundierte Meinung zu bilden. Beginnen Sie!

  6. 81.

    Zweckbündniss Hitler-Hindenburg wie von Hrn. Küger beschrieben scheint zutreffend. Hindenburg hatte was Hitler fehlte, der gewisse uniformbewehrte Altherrenschneid aus der Kaiserzeit, soweit mir bekannt hat das damalige Zeitgenossen aus dem Bildungsbürgertum milde gestimmt die mit dem proletarischem Dauergebrüll des Führers wenig anzufangen wussten. Weitere Mitspieler i. dem Reichstheater : der feinsinnige Hr. Speer, die schöne Magda Goebbels, der Kunstkenner Goering, usw.


  7. 80.

    "Übrigens ist es frappierend, dass die AfD sich mit dem Terminus "Altparteien" vor dem Hintergrund demokratischer Strukturen sich variiert eines NS-Jargons bedient."

    D'accord.

  8. 79.

    Ich brauche Ihnen den Wandlungsprozess einschlägiger Menschen - gleich, wie sie ausgerichtet waren - nicht unbedingt erläutern. Beispielsweise auch den Werdegang Martin Niemöllers und seiner anfänglichen Positionen zum Krieg generell. ;-)

  9. 78.

    So einig sich die Beiden - Hindenburg wie Hitler - in der Ablehnung der Demokratie waren, so verachteten sie sich gegenseitig. Die von Ihnen beschriebene Instrumentalisierung Hindenburgs repräsentiert das reine Zweckbündnis und die Ambivalenz auf beiden Seiten, den jeweils anderen lediglich benutzen zu wollen. Beispielsweise hat Hitler Wert darauf gelegt, nicht etwa pünktlich zur beschriebenen Veranstaltung, sondern bewusst erst später dazuzukommen.

    Es bietet wenig Aufschluss, von einem hundertprozentigen Schulterschluss zu reden, ohne auf diese Ambivalenz zu sprechen zu kommen.

    Die Selbstdefinition der "neuen Kraft", die sie, die NSDAP, wäre und der "alten Kraft", die die Deutschnationalen seien, gibt beredt Auskunft, was gefördert, was benutzt und was ggf. kleingehalten werden sollte. (Übrigens ist es frappierend, dass die AfD sich mit dem Terminus "Altparteien" vor dem Hintergrund demokratischer Strukturen sich variiert eines NS-Jargons bedient.)

  10. 77.

    Auch wenn Hindenburg vorher verächtlich auf den "böhmischen Gefreiten" herabgeblickt hatte, so profitierten doch beide Seiten und deshalb war der Staatsakt sorgfältig inszeniert.

    "Hindenburg reagierte zu Tränen gerührt auf die Huldigung Hitlers und der anwesenden Spitzen des Reiches, der „endgültige Durchbruch im persönlichen Verhältnis zwischen Hitler und Hindenburg“ war erreicht."

    Wenn Hindenburg Hitler hätte loswerden wollen, warum ließ er Hitler später an sein Sterbebett kommen? Angeblich war Hindenburg noch bis kurz vor seinem Tode "im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte".

    Das kann ich nicht beurteilen, da muß man sich auf Zeitzeugen verlassen, ich meine der Einfluss durch die Camarilla um Hindenburg spielte eine große Rolle.

  11. 76.

    "Am 21. März 1933, dem sogenannten Tag von Potsdam wurde der neu gewählte Reichstag in der Potsdamer Garnisonkirche, der Grablege Friedrichs des Großen, eröffnet. Der Staatsakt war keineswegs, wie vielfach angenommen, von Joseph Goebbels vorbereitet worden, sondern federführend vom Reichsinnenministerium unter der Beteiligung etlicher anderer Akteure, nicht zuletzt auch durch Hindenburg und Hitler selbst. Durch Ort und Datum der Feier, die zahlreichen Ehrengäste aus der alten Reichswehr sowie durch eine Verneigung Hitlers vor dem greisen Reichspräsidenten wurde eine symbolträchtige Kontinuität zwischen der Kaiserzeit und dem Dritten Reich hergestellt und Hindenburgs hohes Ansehen für das neue Regime instrumentalisiert und vereinnahmt. Geschickt pries Hitler am Ende seiner Rede Hindenburgs Lebensweg und Leistungen. Hindenburg reagierte zu Tränen gerührt auf die Huldigung Hitlers und der anwesenden Spitzen des Reiches."

  12. 75.

    Ich bestätigen ihnen nur dass sie ein Pseudohistoriker und seriöse Historiker ganz anderer Meinung sind.

    Da wurde nichts "aufgebauscht", das war haargenau so geplant und beabsichtigt.

    „Als Reichspräsident Hindenburg in der Garnisonkirche allein in die Gruft zum Sarg Friedrich des Großen hinunterstieg, um stumme Zwiesprache mit dem König zu halten, trat bei vielen Deutschen die gleiche patriotische Rührung ein, die seit Jahren die Fridericus-Filme aus Alfred Hugenbergs ‹Ufa› hervorriefen. Doch das alte Preußen erlebte am 21. März 1933 keine Auferstehung. Die neuen Machthaber nahmen nur seinen Mythos in Dienst, um ihrer Herrschaft den Schein einer noch höheren Legitimation zu verschaffen als jener, die sie am 5. März durch die Wähler empfangen hatten.“

    Heinrich August Winkler

    Hindenburg war nur noch eine Marionette. Den Staatsakt aber hatte er selbst mit vorbereitet oder eben seine Camarilla unter Führung seines Sohnes Oskar.

    Sie betreiben hier Geschichtsklitterei.

  13. 74.

    Stichwort: "verkürzt", war es doch jener von Ihnen erwähnte Henning von Tresckow, der an jenen Tage im Jahre 1933, den beiden vor der "Räuberhöhle"(1) stehenden Reichskanzler und Reichspräsidenten salutierend vorbeimarschierte(2).

    (1): vgl. Matthäus 21,13
    (2): https://www.mdr.de/geschichte/ns-zeit/henning-von-tresckow-100.html

  14. 73.

    Wie fast überall gab es auch hier eine Kluft zwischen Plan und Wirklichkeit - und das auf beiden Seiten, die sich vor der Kirche zum Abschied die Hand gaben. Der eine, Hindenburg, der auf die Pöbler der NSDAP eher verächtlich herabschaute und Hitler zum "kleinen böhmischen Gefreiten" machte, obwohl der nicht aus Braunau in Böhmen, sondern aus Braunau am Inn kam, der andere, der sich mit seiner "neuen Kraft" der "alten Kraft" schnellstmöglich entledigen wollte. Auf einem angefertigten späteren Bildnis von Hitlers Gnaden sind die beiden Herrschaften plötzlich gleich groß.

    M. a. W.: So gleich die Beiden in der Ablehnung der Demokratie waren, dass da Jede/r mitreden konnte, nur weil er oder sie Mensch war, so sehr waren Beide darauf bedacht, den jeweils anderen loszuwerden. Es war dann die Autoritätshörigkeit der Deutschnationalen, die sie vom Widerstand gegen die Gleichschaltung - auch zu ihren Lasten - abhielt. Bis 1944.

    Hinschauen lohnt sich. ;-)

  15. 72.

    P.S.: Davon ab bestätigen Sie meine These ja sogar noch, ohne es zu merken! Der Tag von Potsdam wurde von den Nazis zu Propagandazwecken aufgebauscht und eine Tradition dargestellt, die es nie gab und die auch Hindenburg niemals unterstützt hat.

  16. 71.

    Auch wenn dieser Ansatz damals extrem fortschrittlich war, bezog sich die "Freiheit" dann aber doch "nur" auf die Religionsausübung. Andere politische Ansichten wurden damals auch gnadenlos verfolgt. Im Vergleich zu den meisten anderen Staaten war Preußen aber damals eher fortschrittlich, weil man auf das Wissen und die Arbeit von Zuwanderern angewiesen war, die weite Teile des Landes erst einmal urbar machen oder die Kriegsverwüstungen wieder aufräumen mussten. Im Gegenzug durften sie dann ihre Religion in der neuen Heimat ausüben und konnten damit der Verfolgung entfliehen. Die Toleranz war ein Stück weit Mittel zum Zweck, weniger eine humanistische Überzeugung.

  17. 70.

    Es ist unglaublich welche Verharmlosung sie hier als Pseudohistoriker betreiben, ihr Weltbild ist allgemein bekannt.

    Sie verteidigen und verharmlosen hier bei jeder Gelegenheit Rechtsextremisten und deren Taten.

    Der "Tag von Potsdam" wird von allen seriösen Historikern als bedeutsam eingestuft, da ist überhaupt nichts "aufgebauscht". Hindenburg mußte man nicht diskreditieren, dafür hat schon seine Camarilla gesorgt, bes. sein Sohn, die im Hintergrund die Strippen dür seinen senilen Vater zog.

    "Die Hoffnung der Nationalsozialisten bestand darin, mit dem Tag von Potsdam einen symbolischen Fortlauf der preußisch-deutschen Geschichte aufzuzeigen, bei dem sich Hitler in einer Reihe mit Friedrich dem Großen, Bismarck und Hindenburg präsentierte. [...]

    Der Tag von Potsdam hatte daher auch den Charakter einer ostentativen Versöhnung der nationalen Lager, verkörpert durch den Handschlag der beiden Protagonisten Hindenburg und Hitler. "

  18. 69.

    Könnten Sie statt plumper Vorwürfe bitte explizit ausführen, wo hier eine Verharmlosung vorgelegen haben soll? Ich habe den Sachverhalt sachlich und wertungsfrei dargelegt, wie er von seriösen Historikern eingeordnet wird. Ihre Schlussfolgerung ist leider faktenfrei.

  19. 68.

    Aua - der Kompromissturm steht in Potsdam, wo bekanntlich Friedrich der Große residierte, der den berühmten Satz sprach: JEDER SOLL NACH SEINER FACON SELIG WERDEN - was nichts anderes bedeutet, als andersartige Meinungen zu akzeptieren!

  20. 67.

    Die Konservativen versuchen es hier wieder einmal, die Öffentlichkeit zu überzeugen. Sie relativieren und verharmlosen damit das Ganze. Das alte Morsche will auf diese Art und Weise doch wieder irgendwie Fuß fassen. Und natürlich wird der Ort auch fürderhin ein Treffpunkt der alten Kreise und Gruppen. Da kann man noch soviel versuchen drum herum zu reden.
    Siehe auch Berliner Schlossnachbau, wo sich die Spender zu bestimmten Anlässen treffen: die Spender auch dieses unsäglichen Spruchs an der Kuppel, die jetzt auch noch mit Figuren vervollständigt wurde, die von tw. sehr - sagen wir mal - konservativen Spendern bezahlt wurden.

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