#Wiegehtesuns? | Brasilianischer Fußballer - "Was ist euer Problem damit, dass ich hier bin, dass ich schwarz bin?"

Do 25.01.24 | 06:20 Uhr
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MSV Neuruppin Spieler Paulo Eduardo Bernardes de Ameida auf der Tribüne des Volksparkstadions Neuruppin.(Quelle:rbb/Julian von Bülow)
Bild: rbb/Julian von Bülow

Als Kind träumt Paulo Eduardo Bernardes de Ameida von einer Karriere als Fußballspieler. Mit 21 kommt der Brasilianer dafür nach Deutschland. Rechtsextreme Abschiebepläne und rassistische Anfeindungen bringen den MSV-Neuruppin-Spieler nicht von seinem Traum ab. Ein Gesprächsprotokoll.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Paulo Eduardo Bernardes de Ameida ist gebürtiger Brasilianer und lebt seit acht Jahren in Deutschland. Seit 2023 spielt er beim MSV-Neuruppin. Rassistische Anfeindungen wegen seiner Hautfarbe hat er schon öfter erlebt. So geht es Eduardo.

Gerne würde ich die AfD einmal fragen, was denn ihr Problem damit ist, dass ich hier bin, dass ich schwarz bin. Das verstehe ich einfach nicht. Denn auch mich sorgen die Abschiebepläne, die zuletzt von Correctiv aufgedeckt wurden. Gleichzeitig kann ich mir keine Situation vorstellen, weswegen ich Deutschland freiwillig verlassen würde. Selbst wenn die AfD in Brandenburg an die Macht käme: Ich will hier weiter leben, in Deutschland. Wenn ich darauf schaue, von wo ich kam und wo ich hin will, will ich nicht aufgeben. Die Entscheidung würde ich nur wegen meiner Mutter treffen. Sie bedeutet mir alles, nur für sie könnte ich wieder dauerhaft nach Brasilien zurückkehren.

Sie war es, die mich auf die Fußballschule schickte, nachdem ich unseren Fernseher mit dem Ball zerschossen hatte. Denn jedes Kind, das in Brasilien zur Welt kommt, kriegt irgendwann einen Fußball. Meinen bekam ich von meinem Vater. Und wie alle Kinder wollte ich für Fußball nach Europa. Eines Tages fragte mich ein Manager, ob ich bereit wäre, in Deutschland Fußball zu spielen. Meine Mutter stimmte zu und so kam ich 2015, mit 21 Jahren, nach Deutschland.

MSV Neuruppin Spieler Paulo Eduardo Bernardes de Ameida im Volksparkstadion Neuruppin (Quelle: rbb/Julian von Bülow)
Bild: rbb/Julian von Bülow

Mittlerweile gehe ich viermal die Woche zum Fußball-Training, am Wochenende stehe ich auf dem Platz und arbeite unter der Woche als Barista in einem Neuruppiner Hotel. Damit bin ich sehr zufrieden, doch mein Anfang in Deutschland war schwierig. Einen Moment lang umarmst du noch deine Mutter, im nächsten stehst du alleine in der Welt, musst Geld verdienen, einen neuen Alltag organisieren, Bürokratie meistern und eine neue Sprache lernen. Ich brauche hier zu jedem Zeitpunkt einen Job, als Brasilianer gibts für mich in Deutschland kein Arbeitslosengeld. Aber wenn man bereit ist zu kämpfen für die eigenen Träume, dann kann man jede schwere Zeit überstehen.

Meine erste Station war in Sachsen-Anhalt, zwei Jahre spielte ich für Halle 96. Der Trainer hat mich unterstützt bei der Wohnungssuche und bei Visumsangelegenheiten. Das war sehr wichtig, denn ich konnte damals weder Deutsch noch Englisch. Nach zwei Jahren lief dann allerdings mein Visum aus, doch konnte ich zu den Füchsen in Berlin wechseln und bekam ein neues Ein-Jahres-Visum. In Berlin blieb ich, 2020 ging ich zum TuS Makkabi.

Bei den Vereinen, bei denen ich spielte, fühlte ich mich immer sehr willkommen. Doch als schwarzer Südamerikaner in Deutschland bin ich immer wieder Rassismus ausgesetzt. Dass Spielerkollegen und ich auf dem Fußballplatz als Affen beleidigt werden und dazu Affengeräusche von Fans kommen, habe ich mehrmals erlebt. Es ist extrem belastend.

Der letzte Vorfall war im Dezember 2023. Mein Verein ist da sehr auf unsere Bedürfnisse eingegangen und hat psychologische Hilfe angeboten. Sie haben auch die Poilizei gerufen, Anzeige erstattet und einen Mann vor dem Stadion abführen lassen.

Dritte Liga oder Regionalliga das ist der große Traum für mich. Ich trainiere dafür fast jeden Tag. Das ist neben der Arbeit als Barista nicht einfach, aber ich versuche mein Bestes zu geben.

Paulo Eduardo Bernardes de Ameida

Solch rassistisches Verhalten ist kein Einzelfall. 2023 wollte ich in einen Berliner Club gehen, da sagte der Türsteher zu mir, es gebe für mich da drinnen keinen Platz – wegen meiner Hautfarbe. Ich ging zur Polizei, doch der Beamte sagte mir, er könne mir auch nicht helfen. Dann bin ich traurig nach Hause gegangen.

Ich sprach darüber mit meiner Mutter, wir weinten zu zweit. Ich habe dann auch auf brasilianisch ein Instagram-Video zu dem Vorfall gepostet. Die Kommentare waren alle in der Art: Eduardo, weiter geht’s! Kopf hoch! Unterstützung eben. Wenn man sich zu lange Gedanken über solche Vorfälle macht, dann macht einen das nur traurig und psychisch fertig. Es gibt auch ältere Leute im Supermarkt, die schauen mich an und scheinen zu denken: Wieso ist der hier!? Sowas passiert jeden Tag, es wird nur nicht immer öffentlich.

Ein brasilianischer Freund von mir spielte beim MSV Neuruppin, der hatte mich gefragt, ob ich nicht auch Lust dazu hätte. Zwei-, dreimal habe ich den Verein besucht, dann haben sie gesagt: Wir wollen dich! Der Verein hatte mir auch angeboten, mich bei Wohnungs- und Jobsuche zu unterstützen. Da hab ich mich entschieden, den Vertrag zu unterschreiben.

Seit letztem Jahr spiele ich nun für Neuruppin. Und irgendwie muss ich ja auch glücklich sein, denn ich bin hier und werde fürs Fußballspielen bezahlt. Es kann sein, dass das finanziell meine letzte Chance ist, also habe ich sie genutzt. Jetzt bin ich 29, mit 35 Jahren ist eine Fußballkarriere in der Regel zu Ende. Bis dahin möchte ich eine Ausbildung zum Physiotherapeuten machen. Wenn das nicht klappt, versuche ich etwas anderes in Brasilien. Dann könnte ich mit meiner Familie zusammenleben.

Mit meinem Lohn unterstütze ich meine Mutter und meine Tochter Giovanna in Brasilien. Die hat heute ihren elften Geburtstag, nachher telefonieren wir noch. Zuletzt fragte sie, warum ich nicht immer da sein kann. Das schmerzt mich sehr. Nur fünfmal konnte ich bisher an ihrem Geburtstag bei ihr sein.

Gesprächsprotokoll: Julian von Bülow

Dieser Beitrag entstand aus dem Projekt "Die Brandenbleiber" vom 14. Jahrgang der Electronic Media School in Kooperation mit Fritz vom rbb.

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29 Kommentare

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  1. 29.

    Rassismus und Fremdenhass sind zwei verschiedene Dinge, auch wenn die heutzutage oft gepaart auftreten. Und das mit dem „schwarzen Schaf“ war wohl als Methapher gemeint. Der südafrikanische Comedian Trevor Noah erklärte in einem seiner Auftritte sehr schön, warum es kein Rassismus ist, wenn Idris Elba nicht James Bond spielen kann. Kann man sich auf Netflix ansehen. Manchmal starren Menschen eben, weil einer anders aussieht, und nicht, weil sie Rassisten sind. Womit ich allerdings den latent vorhandenen Rassismus keineswegs schmälern will.

  2. 28.

    Wat für ein rassistischer Bullshit! Tieren ist es egal, wie Artgenossen aussehen. Wenn die sich bekämpfen, geht's um Ressourcen wie Beutetiere. Nichts anderes ist Ausländerhass: Könnte ja sein, dass die uns was wegnehmen - Geld, Arbeitsplätze, Frauen ...

  3. 27.

    " Nicht immer ist es Rassismus, "

    zustimmung , alles was von der Allgemeinheit stark abweichend erregt die Aufmerksamkeit

  4. 26.

    " Es gibt auch ältere Leute im Supermarkt, die schauen mich an und scheinen zu denken: Wieso ist der hier!? "

    ähnelt der Geschichte mit dem schwarzen Schaf , ist bei den Menschen ähnlich wie in der Tierwelt

  5. 25.

    " "Was ist euer Problem damit, , dass ich schwarz bin?"

    das ist die Folge vom Generalisieren

  6. 23.

    Toller Mensch!!! Wir sind ALLE aus LÄNDERN

  7. 22.

    Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gehen oft Hand in Hand. Aber nicht jeder fremdenfeindliche Akt ist zugleich rassistisch geprägt. Vor allem mangelt es meiner Ansicht nach den meisten Menschen an Toleranz gegenüber Leuten mit anderem Aussehen, anderen Sprachen und anderen Gewohnheiten. Nicht immer ist es Rassismus, wenn einen alte Leute im Supermarkt anstarren. Ich kann mich noch gut an die Blicke erinnern, die ich seinerzeit in Hippie-Kleidung erntete. Sie glichen denen, die uns begleiteten, wenn ich mit meiner dunkelhäutigen Stieftochter die Straße entlangging. Nur, dass man Kleidung wechseln und sich so anpassen kann. Mit der Hautfarbe geht das nicht. Alle sollten akzeptieren, dass nicht jeder so aussieht und so lebt, wie sie selbst. Dabei möchten ja die meisten anderen gleichen. Meiner hellhäutigen Tochter war lange nicht klar, dass sie anders aussieht als ihre Schwestern. Und als ihr ein Unterschied bewusst wurde, wollte sie wie diese Ohrringe und eine Brille tragen.

  8. 21.

    In letzter Zeit tauchen geradezu inflationär Gedächts- und Gespächsprotokolle auf. Nur hier fehlt das pixlige Foto aus weiter Entfernung.

  9. 20.

    Auf die Erziehung der Eltern kommt es schon an, wie sie mit farbigen Menschen umgehen. Sind Freunde rassistisch stimuliert, dann beginnt gemeinsam Ablehnung mit Mobbing, Beleidigungen. Als Baby wurden wir alle unvoreingenommen geboren. Den Werdegang rassistisch zu werden, beginnt meistens bei der Sprachhaltung der Eltern.
    Was Rassisten nicht glauben wollen (die Geschichte schreibt), wir stammen alle aus Afrika, die Weißen hatten einmal dieselbe Hautfarbe schwarz. Gemeinsam friedlich leben? Da spielt oft Futterneid, der Geiz eine große Rolle. Wie ging früher die Politik in Europa mit Schwarze um? Rassismus wird noch im 21. Jahrhundert vererbt? Das ist eine unglaubliche, menschliche Schande. Man sollte Kriege nicht dazu benützen, farbige Menschen zu diskriminieren die bei uns leben. War noch nie einer als Tourist, zum Arbeiten in Afrika oder Brasilien?
    Hat keiner Freunde dort gefunden fürs Leben?
    Viel Glück, Paulo Eduardo Bernardes!

  10. 19.

    Viele vergessen oder wissen es aufgrund von Bildungsdefiziten einfach nicht, dass jeder, absolut jeder Mensch außerhalb von Afrika einen Migrationshintergrund in Ostafrika hat - auch wenn der an die 60.000 Jahre zurückliegt. Selbst die genetische Übereinstimmung der Fans mit den Affengeräuschen zu Schimpansen beträgt mehr als 98,5 %!
    Alles Gute für Paulo Eduardo Bernardes de Ameida. Viel Erfolg und sich nicht von solchen Vollpfosten nicht vom Platz pfeifen lassen.

  11. 18.

    Ups, da wollen mich einige hier offenbar absichtlich missverstehen. "Wir" hier in Deutschland haben seit den 60er Jahren viel zu wenig Kinder bekommen. Mit "wir" meine ich uns alle in Deutschland. Hautfarbe und Herkunft sind egal. Unsere Alterspyramide steht kopf! Das ist kein "Nationalchauvinismus", sondern ein Fakt. Die fehlenden Kinder aus den vergangenen Jahren können wir ja heute nicht mehr nachgebären. Die fehlen einfach. Da freue ich mich über jeden neuen zusätzlichen jungen engagierten Menschen. Herzlich willkommen Paulo Eduardo Bernardes, offenbar ein engagierter junger Mensch!

  12. 17.

    Hallo Eduardo, machen Sie weiter einen guten Fußball, leben und arbeiten Sie weiter hier, bewahren ihr Gefühl für das Gute das Sie ihr überwiegend erleben. Spieler wie Asamoa (Schalke), Boateng (Bayern)haben hier auch von gewissen "Flachköpfen" beleidigende Szenen im Stadion erlebt... seien Sie gewiss, das sind Leute die nix aber auch garnix auf die Reihe kriegen, einen Ball am wenigsten. Wünsche Ihnen Erfolg, Mut und Anerkennung in diesem Land.

  13. 16.

    Dazu sage ich, bei den meisten farbigen Menschen wird die Freundlichkeit zu anderen Menschen gepflegt und eingehalten. Ich habe kein Probleme mit dunkler Hautfarbe. Wer sich anmaßt nur als "Weißer" sei er ein Mensch, der geht fehl mit seiner Annahme. Respekt Paulo Eduardo Bernardes, Du bist mehr wert, als diese Deutschen, die Rassismus betreiben.
    Lass Dich nicht aus der Bahn werfen.

  14. 15.

    Der Artikel greift ein Problem auf; Der Interviewte hat eine Anstellung, d.h. wie jeder von uns und betreibt ein Hobby, wie nicht jeder von uns. Ich kann diese ablehnenden Haltungen dem Interviewten gegenüber nicht verstehen. Müsste sich z.B. ein Dt., der ins Auland geht, auch ständig rechtfertigen müssen, warum er da ist und sich erklären, dass er eine Arbeit hat, sich eine kl. Wohnung leistet usw.? Schuld hat m.E. die Politik. Also Paolo, behalten Sie Mut und Zuversicht, lernen Sie die Sprache möglichst gut bis sehr gut, ich könnte mir vorstellen, dass das Ihre größte Stärke ist. Und machen Sie als Barista Ihre Sache gut, denn wer Kaffee mag wird auch die Sorten Ihrer Heimat schätzen. Alles andere fügt sich mit dem Erfolg in Ihrem Fußballteam.

  15. 14.

    Ihr Nationalchauvinismus ist kaum noch zu übertreffen. Da frage ich mich, was mit Ihren blutsdeitschen Gesinnungsgenossen, dich sich weder bemühen, noch benehmen, passieren soll? Abschieben, wie es die braune Pest vor hat? Alles klar: Weil bei uns keine Bananen wachsen (bezüglich „genügend“ Kinder), dürfen die, aber nur die, auf den deutschen Markt? fo

  16. 13.

    Und hätten "wir" mehr Kinder bekommen, wäre er dann weniger willkommen in Deutschland?

    Es geht hier nicht um Benimmregeln - die sollten auch Biodeutsche sich mal täglich durchlesen -, sondern um einen engagierten, tollen Menschen, der in Deutschland sein Glück sucht mit harter Arbeit und dem Willen sich fortzubilden.

  17. 12.

    Lieber Paulo Eduardo Bernardes, Respekt vor Ihrem Werdegang! Es tut mir sehr leid, dass Sie rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind. Diese Menschen verstehen so vieles nicht. Es liegt nicht an Ihnen, Sie können einfach gar nichts dafür. Es sind diese Leute, die die Welt nicht als Ganzes begreifen und sich für besser halten, nur um ihre Kläglichkeit zu übertünchen. Alles Gute für Sie und Ihre Familie. Happy Birthday an die Tochter! (Notfalls Bürgergeld beantragen. Das müsste auch als Brasilianer gehen.)

  18. 11.

    Wir haben versäumt Kinder zu zeugen? Es ist doch völlig egal, ob hier Kinder von Weißen, Schwarzen, Deutschen, Nichtdeutschen, Grünen, Roten geboren werden. Ihr Ansatz erinnert mich an Erik Ahrens: Frauen zur Abgabe von Eizellen verpflichten, damit die doitsche Bevölkerung wächst.

  19. 10.

    Ach Fine... nicht doch gleich so hinterlistig und kleinteilig denken. Ein Interview ist das hier nicht, weil es keine Frage - Antwort Runden gibt. Ein Protokoll kann entweder nur vom Zuhören und Merken als Gedächtnisprotokoll erstellt werden oder wie hier als richtiges Protokoll beim Zuhören wird gleich mitgeschrieben.

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