Fünf Jahre Berliner Regenwasseragentur - Der Weg zur Schwammstadt wird noch lang - und teuer

Do 22.06.23 | 11:23 Uhr | Von Sabine Müller
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Grünpflanzen wachsen am 21.06.2023 in einer Schale als Teil von einem Modellaufbau zur Verdeutlichung der verschiedenen Sickeroberflächen in der Eingangshalle der Berliner Wasserbetriebe (Quelle: dpa / Carsten Koall).
Audio: rbb24 Inforadio | 21.06.2023 | Sabine Müller | Bild: dpa / Carsten Koall

Alles Gute kommt von oben: Wertvolles Regenwasser zu speichern, soll Berlin gegen Überhitzung und Überflutung helfen. Die Bilanz der dafür gegründeten Regenwasseragentur aber fällt nach fünf Jahren überschaubar aus. Von Sabine Müller

Der Regen kommt heute aus der Kanne. An einer kleinen Teststation begießt die Regenwasseragentur-Chefin Darla Nickel gemeinsam mit Berlins Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) und dem Vorstandschef der Berliner Wasserbetriebe, Christoph Donner, verschiedene Oberflächen. Die bepflanzte Erde speichert das Wasser wunderbar, auch der sandige Boden nimmt es sehr gut auf, aber von der glatten Betonfläche läuft es sofort in den Gulli, der hier ein Eimer ist.

Berlin soll zur Stadt werden, die Regenwasser wie ein Schwamm speichert, um in Zeiten von Hitze, Dürre und Unwettern kühler zu bleiben und Überflutungen zu entgehen. Dafür soll Regenwasser dort versickern oder gesammelt werden, wo es fällt, und nicht durch die Kanalisation rauschen. Bei der Umsetzung soll die Regenwasseragentur Behörden, Planern und Bürgern helfen. Dafür wurde sie 2018 von Land und Wasserbetrieben gegründet. Am Mittwoch zogen die Verantwortlichen eine erste Bilanz - und die fällt, was konkrete Verbesserungen angeht, mäßig aus.

Manja Schreiner (CDU,l-r), Berliner Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Darla Nickel, Leiterin der Regenwasseragentur, und Christoph Donner, Vorstandsvorsitzender Berliner Wasserbetriebe, befüllen bei einer Pressekonferenz am 21.06.2023 einzelne Abschnitte bei einem Modellaufbau zur Verdeutlichung der verschiedenen Sickeroberflächen (Quelle: dpa / Carsten Koall).
Regen aus der Gießkanne: Hier führen die Senatorin Manja Schreiner (links), die Chefin der Regenwasseragentur Darla Nickel (Mitte) und der Wasserbetriebe-Vorstandschef Donner vor, wo Wasser wie schnell versickert. | Bild: dpa / Carsten Koall

Was bisher laut Senat und Agentur erreicht wurde

Die neue Umweltsenatorin Manja Schreiner erklärt bei dem Pressetermin am Mittwoch, sie sehe in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte in Berlin. "Wir haben inzwischen einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass wir Regenwasser als eine wertvolle Ressource begreifen", sagt sie und nennt Beispiele. Am Mauerpark etwa sei ein riesiger unterirdischer Regenwasserspeicher entstanden, aktuell werde der Gendarmenmarkt mit unterirdischen Speichern, sogenannten Rigolen, umgebaut.

Die Regenwasseragentur-Chefin Darla Nickel erzählt, bei neuen Stadtquartieren sei es inzwischen Standard, so zu planen, dass Regen lokal versickere. Schreiner nennt den Blankenburger Süden, Karow-Süd oder die "Alte Gärtnerei" in Heinersdorf als Beispiele für abflusslose Quartiere. Im Neubau gehe es gut voran, sagt Nickel, das Sorgenkind seien die Bestandsgebäude - und vor allem sei es der Umbau des öffentlichen Raums, wo die Flächenkonkurrenz am größten sei.

Agenturchefin: "Wir kämpfen bei jedem Bauvorhaben"

Denn auch andere Akteure in der Stadt melden Wünsche für Flächen an, die die Regenwasseragentur gerne entsiegeln würde. Nickel berichtet vom alltäglichen Kampf darum, dass Regenwasser und Klimaanpassung bei der Stadtplanung gewännen. Aber: "Ganz oft passiert es immer noch, dass sie nicht gewinnen", sagt sie.

Um bei der Entsiegelung spürbar voranzukommen, setzt Nickel ihren Worten zufolge unter anderem darauf, private Wohnungsunternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Bei deren Außenanlagen etwa sehe sie viel Potential, damit mehr Regenwasser versickere.

Auch die Senatorin Schreiner, die vorher Hauptgeschäftsführerin beim regionalen Arbeitgeberverband Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg war, spricht davon, die "Privaten" müssten zunehmend einbezogen werden. "Deren Engagement wollen wir stärker fördern," kündigt sie an. Wie genau der Staat private Unternehmen dazu bewegen will, führt sie am Mittwoch nicht aus. Schreiner räumt ein, dass es "noch ein langer Weg" sei, bis Berlin eine echte Schwammstadt sei.

Darla Nickel, Leiterin der Regenwasseragentur, spricht am 21.06.2023 bei einer Pressekonferenz über das 5-jährige Bestehen der Berliner Regenwasseragentur (Quelle: dpa / Carsten Koall).
"Ganz oft passiert es immer noch, dass sie nicht gewinnen": Die Chefin der Regenwasser-Agentur, Darla Nickel, über den Kampf für bessere Klimaanpassung. | Bild: dpa / Carsten Koall

Genaue Zahlen zu Regenwasser und versiegelten Flächen haben die Verantwortlichen nicht

Um zum Jubiläum der Regenwasseragentur die Fortschritte der vergangenen Jahre zu bewerten, wären Zahlen hilfreich gewesen. Zum Beispiel: Wie viele Kubikmeter Regenwasser fließen nun nicht mehr in die Kanalisation, sondern versickern oder werden gespeichert? Aber die Agenturchefin Darla Nickel kann keine liefern, denn Daten zur versiegelten Fläche Berlins wurden zuletzt vor 23 Jahren ermittelt. Erst jetzt sei man dabei, neue zu erheben, sprich: Bilder aus der Luft zu machen, räumt Nickel ein.

Milliarden-Kosten und die Frage der Finanzierung

Beim Thema Kosten nennt Christoph Donner, der Vorstandschef der Berliner Wasserbetriebe, konkrete Zahlen. Er rechnet vor, dass Entsiegelung zwischen neun und 210 Euro pro Quadratmeter koste, der Bau von unterirdischen Speichern bis zu 13.000 Euro pro Kubikmeter.

Die Gesamtkosten für den Umbau Berlins zur Schwammstadt beziffert er auf mindestens fünf bis zehn Milliarden Euro. Zur Verdeutlichung der Größenordnung: So viel Geld hat der schwarz-rote Senat insgesamt in seinem geplanten sogenannten Sondervermögen für mehr Klimaschutz vorgesehen – für alle Projekte. Deshalb denkt Donner auch über andere Finanzierungswege für "blau-grüne Infrastruktur" nach.

Sondersteuer für den Umbau zur Schwammstadt?

Er stellt die Frage, ob alle bereit seien, "ein bis zwei Euro im Monat für diese Infrastruktur zu investieren." Auf Nachfrage, ob er damit eine Regenwassersteuer oder -gebühr meine, antwortet der Chef der Wasserbetriebe: "Am Ende müssen wir darüber sprechen, wer zahlt den Umbau der Infrastruktur, wer ist Nutznießer?" Es müsse geklärt werden, so Donner, ob man auch Bürger oder Immobilienbesitzer an der Finanzierung beteiligen könne und ob es um eine "steuerliche" oder "gebührenanteilige Betrachtung" gehe.

Als Umweltsenatorin Schreiner nach ihrer Einschätzung gefragt wird, reagiert sie zurückhaltend und verweist nur auf die laufenden Haushaltsberatungen. Eine Sprecherin der Berliner Wasserbetriebe stellt später klar, Donners Aussagen seien nicht als politische Forderung zu verstehen. Er habe nur die Summe, um die es geht, veranschaulichen wollen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.06.2023, 15 Uhr

Beitrag von Sabine Müller

27 Kommentare

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  1. 27.

    Oberirdische Becken sind ja wohl nicht die KILösung,wo sich in Zeiten der Erderwärmung die Insekten, speziell die mit Krankheitsanhaftungen
    ,Malaria,Dengi,etc.,ausbreiten.Fliessgewaesser sind da was anderes, aber stehende Tümpel und Pfützen befoerdern das Mückenwachstum und gehören nicht in ein Wohngebiet.

  2. 26.

    Oberirdische Becken sind ja wohl nicht die KILösung,wo sich in Zeiten der Erderwärmung die Insekten, speziell die mit Krankheitsanhaftungen
    ,Malaria,Dengi,etc.,ausbreiten.Fliessgewaesser sind da was anderes, aber stehende Tümpel und Pfützen befoerdern das Mückenwachstum und gehören nicht in ein Wohngebiet.

  3. 25.

    Regenwasser ist widerlich. habe ich im Garten.

  4. 24.

    Ja. Allerdings besteht Berlin nicht nur aus dem ehemaligen Sumpfgebiet, da gibt es schon einige Hügel in den Stadtbezirken, wo das Grundwasser etwas weiter weg ist. Ich würde Rigolen wegen des Aufwands bei Installation (z.Bsp. Verhinderung Einwuchs, deshalb Kiesmantel und Sperrfolie, usw) und regelmäßiger Wartung nicht empfehlen, da das oft ein Problem ist, wie man oft bei anderen Installationen sehen kann, welche dann auch schlecht gewartet werden (schon bei einfachen Straßengullies, die natürlich versandet und zu sind, wenn man sie bei einem Starkregen brauchen würde). Es muß eine ganz einfache Lösung sein, die im Prinzip Null Wartung braucht.

  5. 23.

    Es kommt auf die Bauart an. So können Sie zB um Bäume in geringer Tiefe eine Rigole anlegen über die der Baum und die umliegenden Pflanzen bewässert werden.
    Was mir gegen den Strich geht, ist die sogenannte touristenfreundliche Umgestaltung des Gendarmenmarktes, was nicht anderes heist als Versiegelung ohne schattenspendende und damit kühlende Bäume mit einer darunterliegenden Versickerungsfläche. Das wird im Sommer ein Glutofen sein.

  6. 22.

    In Berlin erlebe ich es aber anders. Auf dem Land mag das vielleicht so sein, aber hier in der Stadt nicht. Und ich habe ausdrücklich von der Stadt gesprochen

  7. 21.

    Rigolen dürften auch in Berlin gar nicht so einfach sein, weil man einen sicheren mindest Abstand zum Grundwasser benötigt, was in Berlin an vielen Orten nicht allzu tief sein dürfte.
    Oberflächennahe Versickerung z.B. in Mulden oder Speicherung und Nutzung ist da eindeutige die bessere Variante.
    Zumal Nutzung in Grünanlagen ja auch Kühlung der Stadtluft durch Verdunstung und weniger Trinkwasserverbrauch zur Pflanzenpflege mit sich bringt.

  8. 20.

    Na wieviel Wasser soll das bei Klimaanlagen denn sein?

    Tipp recht feuchtes Wasser enthält so 15 gr Wasser pro Kubikmeter Luft. Na merken Sie es selbst?

  9. 19.

    Björn:
    "Antwort auf [Lincoln ] vom 22.06.2023 um 17:21
    Diese dauernde Rufen nach Zwangsmaßnahmen und Strafen halte ich nicht für förderlich, sinnvoller finde ich Überzeugung, denn dann tut man es auch richtig und nicht nur so lala, weil man es halt muß oder ein Ordnungsgeld droht."

    Ihre Version vom allseits vernunftbegabten und vernunfthandelnden Menschen trifft aber bei weitem nicht auf alle Menschen zu! Und deshalb brauchen wir verbindliche Regelungen mit Duchsetzungskraft mittels Sanktionsmöglichkeiten.

  10. 18.

    Vielleicht sollte man mal wieder überlegen, das gesammelte Regenwasser aus den Regenpumpwerk den und den Regenbecken nicht ins Klärwerk zu schicken, sondern z, Bsp. nach Durchlauf einer kleineren Reinigungstrecke zu versickert oder Gartenkolonien o. ä. zur Verfügung zu stellen.

  11. 17.

    Abwasser und Regenwasser sind bereits seit Jahrzehnten getrennt, wenn es um Grundstückseigentümer geht. Regenwasser darf nicht in den Kanal eingeleitet werden, auch wenn sich nicht alle daran halten.

  12. 16.

    Schon jetzt bezahlen Grundbesitzer pro qm versiegelter Fläche! Dieser Preis muss so markant angehoben werden, dass es wirtschaftlich interessant wird, Flächen zu entsiegeln bzw. Rückhaltesysteme zu installieren. De Verwendung von Regen- als Brauchwasser (WC-Spülung, Gartenbewässerung) kann dann wieder kostensenkende Effekte bringen. #carpepluviam

  13. 15.

    Diese dauernde Rufen nach Zwangsmaßnahmen und Strafen halte ich nicht für förderlich, sinnvoller finde ich Überzeugung, denn dann tut man es auch richtig und nicht nur so lala, weil man es halt muß oder ein Ordnungsgeld droht.

  14. 14.

    Ich bin nicht gegen Rigolen, nur gegen den vorgeschlagenen Zwang dazu ohne Alternativen. Sie wissen aber schon, daß Rigolen auch gepflegt werden müssen? Einfacher ist immer, wenn mehr Versickerungsmöglichkeiten durch Entsiegelung geschaffen werden. Aber auch in Neubaugebieten würde doch prinzipiell nichts gegen zusätzliche Regenwasserzisternen sprechen.

  15. 13.

    Nun wie wäre es hier für Schwarzfahrer die Möglichkeit zu schaffen ihre Geldstrafe durch eine dem Gemeinwohl nützliche Tätigkeit abzuarbeiten?

  16. 12.

    Nun es kommt aus meiner Sicht auf die versiegelte Fläche im Verhältnis zur Grundstücksgröße. Sie werden zugeben müssen, dass in manchen Neubaugebieten auch außerhalb des Ringes die unversiegelten Grundstücksflächen gerade einmal die baurechtlich erforderlichen Abstandsflächen sind, die zudem noch evt mit Zuwegungen zur Abstellflächen von PKW‘s versiegelt sind. Hier sollte auch eine Versickerung über Rigolen erfolgen.

  17. 11.

    "Es müsse geklärt werden, so Donner, ob man auch Bürger oder Immobilienbesitzer an der Finanzierung beteiligen könne und ob es um eine "steuerliche" oder "gebührenanteilige Betrachtung" gehe." Nachtigal, ick hör dir trappsen. War das vielleicht auch der eigentliche Aufhänger von Senatssicht für diesen Artikel?

  18. 10.

    "Letzteres sollte durch Rigolen dann ins Grundwasser versickert werden." Vielleicht aus Berliner Innenstadtsicht sinnvoll, muß aber auch gepflegt werden. Ich sammle lieber Ragenwasser in Zisternen für den Sommer und würde es deshalb als Vorschrift nicht beführworten.
    Ich würde gern noch an eine andere große Wasserquelle in der Großstadt erinnern. Bei Klimaanlagen fällt jede Menge Wasser an und in Großstädten gibt es schon aufgrund der vielen klimatisierten Bürogebäude jede Menge Klimaanlagen.

  19. 9.

    Solche "Rigolen" wurden hier mal bei einem Schulneubau angedacht und verworfen, weil sie nach kurzer Zeit versanden und damit die Kapazität immer weiter sinkt. Besser wären z.B. Parkplätze vor Supermärkten, Behörden, Firmen usw. nicht zuzupflastern, sondern sog. Gittersteine zu verwenden, dann versickert alles vor Ort. Für Neubauten braucht es entsprechende Vorschriften, ggf. Zuschüsse für nachträgliche Veränderung. Dazu mehr Naturboden um Straßenbäume, Fassadengrün, "urban gardening" usw. Geht alles, aber in meiner alten Wohnstraße in Charlottenburg stellte die Polizei Strafbefehle aus für Menschen, die Baumscheiben bepflanzten....

  20. 8.

    "Zudem sollte man die Flächenversiegelung auf den Plätzen und den Rändern der Gehwege beenden. Grünstreifen und größere Baumscheiben würden schon eine Menge helfen!"
    Gebe Ihne vollkommen recht - allerdings müssen diese "entsiegelten" Flächen dann auch regelmäßig gepflegt werden; jedoch kommen die Gartenbauämter der Bezirke seit Jahren damit nicht hinterher. Wenn auf größeren Straßen der begrünte Mittelstreifen zweimal pro Saison gemäht wird, ist das schon viel....

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