Brandenburger Familienbericht - Ostdeutsche Mütter arbeiten doppelt so häufig in Vollzeit wie westdeutsche Mütter
Das Brandenburger Sozialministerium hat erheben lassen, wie es Familien geht. Ein Ergebnis des "Familienberichts": Alleinerziehende und Familien mit Migrationshintergrund sind besonders armutsgefährdet. Von Amelie Ernst
- In Brandenburg arbeiten 44 Prozent der Mütter in Teilzeit, im Bundesvergleich die niedrigste Quote
- Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund sowie kinderreiche Familien sind besonders armutsgefährdet
- Trend geht zum Homeoffice
- Zeit für Familie, aber wenig für den Partner oder sich selbst
- "Familienbericht" soll Grundlage sein für familienpolitische Maßnahmen
Einige Ergebnisse der Untersuchung überraschen, andere wiederum waren so oder ähnlich zu erwarten: Wer viele Kinder hat und/oder alleinerziehend ist, der hat es auch in Brandenburg tendenziell schwerer: Fast die Hälfte der Alleinerziehenden muss mit weniger als 1.500 Euro im Monat wirtschaften. Bei den Paarfamilien sind es nur 17 Prozent. Dies geht aus dem "Familienbericht" des Brandenburger Sozialministeriums hervor.
Dabei sorgt ein gutes Bildungsniveau nicht automatisch für ein besseres Einkommen: Obwohl mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Eltern hochqualifiziert ist und weitere 43 Prozent einen mittleren Bildungsabschluss vorweisen können, muss ein Viertel von ihnen ebenfalls mit 1.500 Euro oder weniger im Monat auskommen. Selbst wenn ein oder beide Elternteile in Vollzeit arbeiten. Nur knapp 16 Prozent der Familien verfügen über ein Haushaltsäquivalenzeinkommen von 3.000 Euro oder mehr.
Knapp jede zweite Mutter arbeitet in Teilzeit
19.000 Haushalte haben die Forschenden des Instituts für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung der Uni Potsdam (IFK) für die Untersuchung kontaktiert – rund 4.700 von ihnen haben an der Befragung teilgenommen. Mit dem Bericht und der Einrichtung eines Familienbeirats im Juni 2021 setzt das Sozialministerium ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um.
Die Erwerbstätigenquote von Eltern ist in Brandenburg nach wie vor überdurchschnittlich hoch (knapp 77,9 Prozent). Auch insgesamt arbeiten ostdeutsche Mütter laut Familienbericht doppelt so häufig in Vollzeit wie westdeutsche Mütter. Mit 44 Prozent ist die Teilzeitquote bei Müttern in Brandenburg sogar niedriger als in jedem anderen Bundesland. Viel hängt dabei allerdings vom Alter der Kinder ab: Sobald diese das Schulalter erreicht haben, arbeitet ein Drittel der Mütter wieder in Vollzeit. Die Teilzeitquote der Väter liegt wiederum auch in Brandenburg deutlich unter der Mütter: Bei 9 Prozent.
Der Trend geht auch in Brandenburg zum Homeoffice, bleibt aber zwiespältig: Zwar gibt rund die Hälfte der befragten Eltern an, dass sich ihre berufliche Tätigkeit dafür eignet – und immer mehr von ihnen nutzen dies auch. Allerdings gilt das überwiegend für Eltern mit einem höheren Bildungsniveau: Diejenigen ohne höheren Schulabschluss arbeiten eher in Bereichen, die sich nicht für’s Homeoffice eignen (Industrie, Dienstleistungen u.a.). Auch Mütter, Alleinerziehende und Eltern aus Patchwork-Familien nehmen das Angebot, zu Hause zu arbeiten, seltener in Anspruch.
Familien mit Migrationsgeschichte besonders armutsgefährdet
Bei der Aufteilung der Sorgearbeit sieht es in Brandenburg nicht viel anders aus als in anderen ostdeutschen Bundesländern: Die Hälfte der Paarfamilien teilt sich die Betreuung der Kinder gleichmäßig auf; in der anderen Hälfte kümmert sich die Mutter allein. Die Hausarbeit erledigt etwa jede zweite Mutter überwiegend allein, in ländlichen Regionen sind es etwas mehr.
Überhaupt scheint auch der Wohnort bei der Frage, wie es einer Familie in Brandenburg geht, eine Rolle zu spielen : So ist das Armutsrisiko laut der Studie in berlinfernen Regionen deutlich höher als im direkten Berliner Umland. Kommen dann noch die bekannten Armuts-Faktoren (alleinerziehend, Migrationshintergrund, drei oder mehr Kinder) hinzu, steigt das Risiko, auf staatliche Leistungen angewiesen zu sein, deutlich. Dabei sind Familien mit Migrationshintergrund mit einer Armutsgefährdungsquote von rund 38 Prozent am stärksten von Armut betroffen.
Allerdings sind Kinder und Jugendliche in Brandenburg weniger armutsgefährdet als in den meisten anderen Bundesländern: Auf 14,8 Prozent trifft das laut Familienbericht zu – nur in Bayern (12,8 Prozent) und in Baden-Württemberg (14,1 Prozent) ist die Quote geringer.
Zu wenig Zeit für den Partner
Doch nicht nur Arbeitszeit und Einkommen bestimmen das Leben von Brandenburger Familien: Im Schnitt bleiben ihnen 8,6 Stunden pro Woche für gemeinsame Freizeitaktivitäten; am Wochenende immerhin 12,1 Stunden. Anders sieht es aus bei der Zeit für den Partner oder die Partnerin: 40 Prozent der Eltern gaben an, während der Woche gar keine Zeit mit dem/der Partner/in zu verbringen. Auch am Wochenende bleibt bei rund einem Drittel der Eltern keine Paarzeit übrig. Jedem/Jeder Dritten fehlt zudem Zeit für eigene Bedürfnisse.
Auch nach Themen, die ihnen besondere Sorgen machen, haben die Forschenden Familien gefragt. Auch hier unterscheiden sich die Ergebnisse zwischen Stadt (Umland) und Land: Über die Hälfte der Familien, die in ländlichen Regionen leben, sorgt sich über Zuwanderung und die Aufnahme von Geflüchteten - obwohl in diesen Regionen meist eher wenige Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte leben. Die Eltern im Berliner Umland wiederum machen sich vermehrt mehr Gedanken über die Auswirkungen des Klimawandels und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich.
Der Familienbericht dient dem Sozialministerium nun als Grundlage für weitere familienpolitische Maßnahmen: Armutsbekämpfung, eine gute und flächendeckende Kinderbetreuung (auch mit Blick auf die Teilzeitquote sowie Alleinerziehende) sowie die unterschiedlichen Perspektiven zwischen Stadt und Land dürften dabei im Vordergrund stehen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.05.2024, 19:30 Uhr
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