Interview | Turbine-Trainer Sofian Chahed - "Die Entwicklung wird durch die Abgänge teilweise gestoppt"

Di 10.05.22 | 17:47 Uhr
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Sofian Chahed, Trainer von Turbine Potsdam, während eines Spiels. Quelle: imago images/foto2press
Bild: imago images/foto2press

Noch kämpft Turbine Potsdam um die Champions-League-Qualifikation, nach der Pleite gegen Frankfurt ist die Ausgangslage allerdings nicht ideal. Trainer Sofian Chahed ordnet die Chancen ein und spricht über Erfolge, aber auch Probleme in dieser Saison.

rbb|24: Sofian Chahed, nach dem herben Rückschlag gegen Frankfurt muss Ihre Mannschaft im Kampf um die Champions League-Plätze am letzten Spieltag jetzt beim Meister der letzten Saison, dem FC Bayern, antreten. Die punktgleichen Frankfurter haben die vermeintlich leichtere Aufgabe gegen Bremen. Wie schätzen Sie die Ausgangslage ein?

Sofian Chahed: Die ist für Frankfurt natürlich besser, obwohl wir es immer noch in der eigenen Hand haben. Aber natürlich spielen wir gegen eine sehr, sehr gute Mannschaft - deshalb hat Frankfurt die besseren Karten. Wir müssen trotzdem schauen, dass wir unser Spiel in München durchbekommen. Mit ganz viel Glück und einer geschlossenen Mannschaftsleistung können wir dann vielleicht etwas mitnehmen.

Am vergangenen Spieltag hatten Sie zuhause im direkten Duell gegen Frankfurt die Möglichkeit, die Champions League zu sichern. Schon ein Remis hätte die Qualifikation dank des deutlich besseren Torverhältnisses quasi gesichert. Wie groß ist die Enttäuschung, diese Chance durch die Pleite liegengelassen zu haben?

Natürlich sind wir enttäuscht, es ist nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Aber wenn es nach hinten losgeht, wir in München verlieren und Frankfurt an uns vorbeizieht, ist es verdient. Frankfurt spielt eine super Saison. Das würde unsere Leistung aber nicht schmälern. Es hätte doch niemand geglaubt, dass wir bis zum Ende um Platz drei kämpfen, beziehungsweise bis zum letzten Spieltag sogar auf dem dritten Platz stehen. Das hätte doch in Potsdam und in der Frauenfußball-Welt niemand für möglich gehalten. Und es ist ja noch nicht vorbei, wir werden sehen, was am Ende passiert.

Wie ordnen Sie die Saisonleistung Ihres Teams auch im Hinblick auf die kontinuierliche Weiterentwicklung der Mannschaft und des Vereins ein?

Insgesamt sind wir zufrieden. Wenn man die Spielzeit Revue passieren lässt und sieht wie viele Punkte wir geholt, wie viele Tore wir geschossen und wie wenig Gegentore wird bekommen haben, ist in allen Mannschaftsteilen eine Verbesserung im Vergleich zur Vorsaison erkennbar. Ich bin der Meinung, dass wir eine sehr erfolgreiche Saison gespielt haben, mit der so niemand gerechnet hat.

Sie versuchen, kontinuierlich und nachhaltig etwas in Potsdam aufzubauen. Sie müssen allerdings immer wieder die Abgänge von Leistungsträgerinnen bekanntgeben. Wie sehr schmerzt es, immer wieder Säulen des Teams ziehen lassen zu müssen?

Die Entwicklung wird dadurch teilweise gestoppt und auch allgemein stört es. Es ist immer wieder zu sehen, wie wichtig es ist, länger zusammen zu bleiben, damit ich die Spielerinnen, aber auch die Spielerinnen mich kennenlernen. Wir würden unsere Leistungsträgerinnen natürlich alle gerne halten, aber wenn Wolfsburg und Bayern rufen oder eine Spielerin im Ausland Erfahrungen sammeln will, kann man es auch verstehen. Ich lasse sie also mit einem weinenden und einem lachenden Auge ziehen. Bei den Abgängen, die nach Bayern oder Wolfsburg gehen, spielt natürlich auch das Finanzielle eine große Rolle und da ist Turbine nur maximal Mittelfeld.

Sie sprechen die finanziellen Aspekte an: Die zwei Spitzenvereine scheinen in der Bundesliga unerreichbar. Was muss sich in der Liga, aber auch bei Vereinen wie Turbine Potsdam ändern, damit diese Lücke geschlossen werden kann?

Da muss sehr viel passieren. Frankfurt hat nach dem Zusammenschluss mit der Eintracht jetzt auch ganz andere finanzielle Möglichkeiten. Die haben im Vergleich zu uns mittlerweile das dreifache Budget zur Verfügung. Aber auch der DFB muss reagieren, was sicherlich schwierig ist. Es ist aber so, dass die TV-Gelder in England in etwa 30 Millionen Pfund pro Jahr für die Liga betragen und in Deutschland sind es insgesamt nur 1,8 Millionen. Daran sieht man natürlich den krassen Unterschied. Es ist zwar generell eine Entwicklung im Frauenfußball in Europa zu erkennen, aber Deutschland hinkt da noch hinterher.

Neben dem letzten Bundesliga-Spieltag steht in dieser Saison noch ein weiteres Highlight für Turbine auf dem Programm - das Pokalfinale in Köln. Wie groß ist die Vorfreude?

Wir freuen uns auf ein schönes und hoffentlich gut gefülltes Stadion und eine tolle Atmosphäre. Wir gehen sicherlich nicht als Favorit ins Spiel. Wolfsburg hat den Titel sieben Mal hintereinander geholt und ist seit mehr als 50 Pokalspielen ungeschlagen. Auf der anderen Seite muss jede Serie natürlich irgendwann mal reißen. Wir werden unser Bestes geben und vielleicht können wir Wolfsburg ärgern. Der haushohe Favorit ist aber natürlich der VfL.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb sport.

7 Kommentare

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  1. 7.

    EINMANNSCHAU ???

  2. 6.

    Die einen kaschieren astronomisch hohe Verluste als Investitionen, die Ehrlichen werden behindert durch derzeit noch legale, aber öffentlich verbrämte Bilanz-Tricks. Immerhin pflegt Turbine Potsdam eine offene Ehe mit Hertha BSC, die durch Corona stark behindert wurde. Und "Sugardaddy" und vertraglich gebundener Kooperationspartner Hertha ist schuldenfrei und hat Fredi Bobic als Sportvorstand. Dies ist ein Weckruf für DFB Managerin Heike Ullrich und DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch.

    Ach so, am 31. Mai 2022 wird die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg den EM 2022 Kader für England bekanntgeben. Ein magischer Zeitpunkt der Kellermann -Ära im Frauenfußball Business des Deutschen Fußball Bundes.

  3. 5.

    Selbst in die­sem Miss­ver­hält­nis sieht Eintracht Frankfurt Manager und DFB Ausschussvorsitzender Diet­rich eine gute Ent­wick­lung. »Wir befin­den uns in einer Inves­ti­ti­ons­pha­se«, sag­te er und meint damit die vie­len Klubs, die unter dem Dach eines Lizenz­ver­eins der Män­ner wach­sen sol­len. Sehr blumig, aber falsch.

    Die­se neun Bun­des­li­gis­ten sind mit einem durch­schnitt­li­chen Ver­lust von 1,2 Mil­lio­nen Euro für das nega­ti­ve Gesamt­ergeb­nis ver­ant­wort­lich. Die drei rei­nen Frau­en­ver­ei­ne Tur­bi­ne Pots­dam, SGS Essen und SC Sand erwirt­schaf­te­ten hin­ge­gen einen, wenn auch sehr klei­nen finan­zi­el­len Gewinn. Es wird Zeit, dass die Sportredaktion des rbb 24 und die Sportfamilie des Ostens dies zum Thema machen sollte.

  4. 4.

    Im internationalen IFFHS Ranking der 200 weltbesten Frauenfußball-Klubs liegt Turbine Potsdam mit 205 Punkten auf Platz 33 der IFFHS Weltrangliste und beim IFFHS Ranking (UEFA) knapp hinter Rosengaard, Köge und Benfica Lissabon auf Platz 23, Eintracht Frankfurt liegt im IFFHS Weltranking auf Platz 71, im IFFHS Ranking der UEFA auf Platz 43.

    Für den zukünftigen Metropolen Blues ist ein/e Teammanager/in notwendig, die unter dem schuldenfreien Schirm von Hertha BSC finanziert werden sollte. Der DFB Saisonreport 2020/2021 offenbarte kürzlich, dass die Frauenfußball Teams von Wolfsburg, München und Hoffenheim in der Corona-Flaute Verluste von erwirtschafteten, die in der Gesamtbilanz der Klubs kaschiert wurden. Die Aus­ga­ben aller Bun­des­li­ga­ver­ei­ne sind mit rund 30 Mil­lio­nen Euro dop­pelt so hoch wie die Ein­nah­men.

  5. 3.

    Das obige Interview des freien Journalisten Jonas Bürgener ist herausragend geführt und Sofian's Antworten treffen ins Schwarze, keine Larmoyanz, sondern klare Antworten. Die kurzfristige Entwicklung des Klubs wurde ausgebremst, aber nicht gestoppt, der Markenwert ist zu stark. Immerhin repräsentiert Potsdam ganz alleine den Standort östliche Bundesländer. Dies ist ein Hinweis an die politisch Verantwortlichen und ihren leider ideologisch geleiteten Epigonen. Die Menschen hier haben ein Recht auf Identität.

    Eine Vertiefung und Verzahnung der Kooperation mit Hertha BSC sollte den Metropolen Blues erzeugen, der eine IT-basierende Konzeption für zukünftige Turbine Sponsoren im Baukasten-System ermöglicht und den überregionalen, reichweitenstarken Markenwert "Turbine für Sponsoren attraktiv zu nutzen. Hertha TV platzierte mit dem Turbine Reise-Video jüngst ein bemerkenswertes Storytelling mit Reichweite.

  6. 2.

    Fußball spielt sich zwischen den Ohren ab. Da war im Fight gegen Eintracht Frankfurt teilweise Brachland, das neu aktiviert und bepflanzt werden muss, lieber Sofian. Natürlich hatten die Spieleberater mit ihren Tricks geblufft und fast alle wechselberechtigten Spielerinnen beeinflusst. Eine verantwortungsvolle Kaderplanung wurde stark ausgebremst. Fußball ist kein Wunschkonzert. Der Turbine Vorstand handelt absolut verantwortungsvoll und kenntnisreich.

    Sofian, dein Führungsstil und deine Analyse der derzeitigen finanziellen Möglichkeiten klingen überzeugend. Du hast verlängert bei Turbine. Ein echter Beweis deiner Loyalität zu dem vermeintlichen Restkader. Aber ein wenig Gehirnwäsche für deine "Evas" tut jetzt Not. Mir gefiel die Übersicht von Anna Wellmann nach Spielende. "Wir haben noch einen Matchball. Wir müssen jetzt schnell die Köpfe wieder hochbekommen." Das zeigt Haltung und Professionalität.

  7. 1.

    Eine Fußballpartie ist wie eine Frikadelle - man weiß nie was drin ist, lieber Sofian. Wenn einer Fußballerin etwas wichtig ist, sollte sie unbedingt den letzten Matchball in die Tat umsetzen, auch wenn das Resultat aller Wahrscheinlichkeit auf Wunsch des boshaften Frankfurter Vorstandsvorsitzenden nach eine Niederlage sein würde.

    Melissa Kössler sollte wie Ex-Turbine Prasnikar Willen und Charakter zeigen und nicht mit angezogener Handbremse und Bleifuß spielen, Die Worte des Trainers annehmen und im letzten Drittel locker aufspielen. Die Münchnerinnen sind zu packen. Im Hinspiel schlichen die FC Bayern Frauen ziemlich schlapp vom Schlusslicht der Bundesliga Pitch-Rangliste.

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