Stockcar-Team aus der Prignitz - Rennen ohne Regeln

Di 08.08.23 | 17:08 Uhr | Von Lukas Witte
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Ein Auto des Stockcar-Teams aus Wootz bei einem Rennen (privat)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 27.07.2023 | Franziska Tenner | Bild: privat

In einem kleinen Ort in der Prignitz haben einige Bewohner sich ein ganz besonderes Hobby gesucht: Stockcar-Rennen. Der Motorsport führt über Stock und Stein, erlaubt harte Duelle auf der Strecke - und hat in Wootz eine Familientradition. Von Lukas Witte

Laute Motorengeräusche dröhnen durch die 180-Einwohner-Gemeinde Wootz und ein Geruch nach Benzin liegt in der Luft. Direkt neben Schuppen und Garagen heizen hier die Autos mit vollem Speed über eine Wiese und schliddern um die Kurven der kleinen selbst angelegten Teststrecke. Für die Bewohner des sonst verschlafenen Ortes in der West-Prignitz, direkt an der Grenze zu Niedersachsen, ist das keine Besonderheit mehr – denn viele von ihnen haben Benzin im Blut.

Seit 25 Jahren gibt es in Wootz den Stockcar-Verein "Polk High", der mittlerweile über 30 Mitglieder zählt. Gegründet wurde er von Präsident und Motorsport-Fan Norman Mewes. "Im März 1998 meinte auf einem Familiengeburtstag jemand zu mir, ich solle mir mal so ein Rennen angucken, weil das etwas für mich sein könnte. Dann sind wir dort hingefahren und es hat uns gefallen. Im Oktober sind wir dann unser erstes Rennen gefahren", erinnert er sich. Seitdem nehmen die Fahrerinnen und Fahrer von Polk High regelmäßig an der Norddeutschen Meisterschaft teil.

Riskante Manöver in Serienautos

Beim Stockcar treten die Fahrer in Serienfahrzeugen gegeneinander an, die baulich kaum verändert werden dürfen. Egal ob Audi, VW oder Mercedes – hier geht alles an den Start. "Man nimmt ein ganz normales Auto von der Stange. Und dann braucht man eben Verstärkung. Wir haben ein Reglement, nach dem das Auto aufgebaut werden muss. Es braucht einen Käfig, einen bestimmten Sitz und bestimmte Vorschriften für alle Teile. Zum Beispiel wird der Kühler von vorne nach hinten verbaut", erklärt Lennart. Der 22-Jährige geht im Golf Drei an den Start.

Warum die Verstärkungen notwendig sind, fällt schnell auf, wenn man sich ein Stockcar-Rennen anschaut. Schubsen, drängeln, rammen – hier ist so gut wie alles erlaubt. Teilweise überschlagen sich die Autos bei ihren riskanten Manövern sogar. "Wenn man beim Überschlag die Hände nicht aus dem Lenkrad nimmt, dann kann man sich schon mal den Daumen oder das Handgelenk brechen. Ich habe die Erfahrung zum Glück noch nicht gemacht", erklärt der 18-jährige Paul. Sonst würde es aber kaum Verletzungsrisiko geben. Und selbst wenn, würde er sich wohl kaum davon abschrecken lassen. "Es ist irgendwie befreiend, wenn man auch mal fahren kann wie eine Wildsau", sagt Paul.

Eine Familienangelegenheit

Egal wen man beim Wootzer Stockcar-Team fragt, für fast jeden macht genau dieser Nervenkitzel die Sportart aus. "Man steht vor dem Start, dreht die Motoren hoch und auf einmal schießt das Adrenalin durch den ganzen Körper. Dann geht die Flagge runter und man ist wie in einem Tunnel. Man fährt und hinterher kommt man raus und freut sich einfach. Egal ob man Erster oder letzter geworden ist", erklärt Lennart. Der 22-Jährige fährt seit acht Jahren Stockcar und ist - so wie viele hier - durch seinen Vater dazu gekommen.

Dem Vereinsnachwuchs wurde das Autorennen oft schon in die Wiege gelegt, weil Elternteile oder Geschwister Teil des Teams waren. So auch Amy. "Ich bin schon seit Baby-Zeiten mit dabei und wusste schon immer, dass ich das mal machen will. Mein Papa war der beste Freund vom Norman und war seit Ewigkeiten dabei und hat mich immer mitgenommen. Jetzt erzählen mir hier alle, wie süß ich im Kinderwagen war", sagt sie lachend.

Und obwohl Amy noch minderjährig ist und auf öffentlicher Straße gar kein Fahrzeug bewegen darf, ist sie hinter dem Steuer eine Stockcar-Autos äußerst talentiert. Im vergangenen Jahr wurde sie Norddeutsche Jugendmeisterin. Einige Monate später verstarb ihr Vater überraschend an Krebs. Als Erinnerung stehen am Heck von Amys VW zwei Sprüche "In Memory of Papi" und "Nur die Besten sterben jung – Mach's jut Atze". Gemeinsam mit ihm hatte sie ihr jetziges Auto gekauft und aufgebaut. "Das wird jetzt so lange gefahren, bis es in zwei Teile zerbricht", sagt sie.

Rennen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Dänemark

Gerade diese familiären Verbindungen sorgen für einen großen Zusammenhalt im Team. Hier sind verschiedene Generationen Teil eines gemeinsamen Projekts, fahren und schrauben zusammen an den Autos. Und auch wer nicht mehr selbst fährt, begleitet das Team zu den Rennen. "Wir fahren in den hohen Norden und lernen die anderen Teams kennen. Dadurch wird der Freundeskreis größer, das macht auf jeden Fall Spaß", erklärt Präsident Mewes.

Meist reisen sie dafür nach Niedersachsen oder Schleswig-Holstein, manchmal stehen aber sogar Wettkämpfe in Dänemark auf dem Programm. Das nächste Rennen Mitte August findet aber erstmal quasi um die Ecke im niedersächsischen Uelzen statt. Und die Vorfreude auf Nervenkitzel, Motorendröhnen und gemeinsame Erlebnisse ist bei allen schon wieder riesig groß. Bis dahin trainieren sie aber erst einmal weiter auf ihrer eigenen Strecke im beschaulichen Wootz.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 24.07.2023, 19:30 Uhr

Mit Material von Franziska Tenner.

Beitrag von Lukas Witte

3 Kommentare

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  1. 3.

    Echt jetzt? Da wird weniger verballert,wie beim Dauerposen mit AMG-Benzen , BMW-M-Kfz, Ferrari & Co.in der Schloßstraße oder dem Kuh’damm. Schonmal bei der FIA sich über F1 oder WRC beschwert? Oder über die „24h Nürburgring“? Wie sehen Sie Flüge, Speedboote, Kreuzfahrtschiffe?

  2. 2.

    Der Umwelt scheint das schnuppe zu sein. Wer zahlt Krankenbehandlung, der "normale"Beitragszahler? Also wir alle.
    In der heutigen Zeit total daneben. Der Benzinpreis ist dafür noch viel zu niedrig.

  3. 1.

    Ein schönes Hobby.
    Wie viele Verletzte gibts denn da so pro Saison; und wie muss man versichert sein, wenn man da mal teilnehmen will?

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