Fachkräftenachwuchs in Südbrandenburg - Immer mehr Lausitzer Handwerker setzen auch auf lernschwache Schüler
Eine Ausbildung ist für Jugendliche mit einer Lernschwäche nicht selbstverständlich. Bewerbungen von Förderschülern landen oft direkt auf dem Ablehnungsstapel. Doch in der Lausitz hat sich das geändert. Von Aline Anders-Lepsch
Ganz souverän schiebt Leon Alexander Köppen ein Blech nach dem anderen in die Presse. Seit acht Monaten lernt er im Metallbaubetrieb von Daniel Weiser in Kolkwitz (Spree-Neiße). Innerhalb von dreieinhalb Jahren wird er zum Fachpraktiker ausgebildet. Es ist im Grunde eine Metallbauerausbildung - aber mit einem geringeren Theorieanteil, denn der 20-Jährige ist Autist.
"Es wird mehr Rücksicht auf mich genommen, weil man weiß, dass ich eine Lernschwäche habe", so Leon Alexander Köppen. Schleifen und Abkanten mache ihm am meisten Spaß, sagt er.
Vor der Einstellung: Bedenken
Dass der 20-Jährige einen Ausbildungsplatz findet, war für ihn ganz klar, wie er sagt. Doch die Realität sieht für Jugendliche mit Lernschwäche oder einer Behinderung anders aus. Auch die erste Reaktion von Daniel Weiser sei gewesen "Nein, brauchen wir nicht", sagt der Firmenchef. "Meine Bedenken waren die Betreuung. Wie intensiv ist die Betreuung für den Leon, wie sehr muss ich den Meister dafür abstellen: zwei, drei Stunden am Tag?"
Daniel Weiser gehe es wie vielen anderen in der Branche, sagt Christian Jakobitz. Als Inklusionsberater der Handwerkskammer Cottbus begleitet er im Süden Brandenburgs sowohl die Jugendlichen als auch die Betriebe. "Ich denke, dass die Berufsorientierung und die Offenheit der Unternehmer ganz stark gefragt sind."
Es sei in Zeiten des Fachkräftemangels wichtig, dass bei Bewerbungen nicht pauschal ausgeschlossen werde, sondern Chancen eingeräumt würden, sagt Jakobitz. Unternehmen sollten sich beraten lassen, wie eine Ausbildung möglich wäre. "Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass wir durch das Thema Inklusion viele Fachkräfte gewonnen haben."
Um sich kennenzulernen und auszuprobieren, kann ein Praktikum ein Eisbrecher sein. Auch Leon Alexander Köppen ist auf diesen Weg zu dem Lausitzer Metallbauunternehmen gekommen. "Er hat genau zu uns gepasst, weil er einfach ein cooler Typ ist, und da war das andere einfach nebensächlich", sagt Firmenchef Daniel Weiser.
Er hat die Stärken des 20-Jährigen entdeckt und sie für den Betrieb genutzt. So sei er für Serienfertigungen genau der Richtige. "Und wenn es 1.000 Stück sind - der würde das immer ordentlich machen", so Weiser. "Die Produkte kommen eins wie das andere heraus - und das ist natürlich ein Vorteil."
Betriebe werden immer offener
Die Investition an Zeit und Muße lohne sich für die Betriebe, sagt der Inklusionsbeauftragte Christian Jakobitz. Auch nach der Ausbildung werden die Unternehmen unterstützt. Je nach Grad der Lernschwäche oder Behinderung fördert das Amt für Soziales auch die Stelle oder die Arbeitsplatzausstattung.
Er beobachte, dass die Offenheit der Betriebe "stark zugenommen" habe, sagt Jakobitz. "Ich habe meine Stelle im Jahr 2014 mit drei Jugendlichen mit Behinderungen oder Schwerbehinderungen in den Betrieben angefangen. Jetzt kommen pro Jahr 30 Azubis dazu." Insgesamt gebe es im Zuständigkeitsbereich der Handwerkskammer Cottbus aktuell mehr als 90 Azubis in den Betrieben. "Das sind nur die, von denen wir es wissen. Ich denke, es gibt ganz viele Jugendliche, die den Weg selbst gefunden haben."
Im Metallbaubetrieb von Daniel Weiser gibt es neben Leon Alexander Köppen noch einen zweiten jungen Mann mit Inklusionshintergrund, der zurzeit eine Ausbildung macht. Er wird laut Firmenchef im nächsten Jahr übernommen. "Und beim Leon bin ich auch sehr positiv überrascht. Es läuft sehr gut - und ich würde es auch wieder tun."
Sendung: Antenne Brandenburg, 14.04.2023, 14:40 Uhr